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Josh Tillman alias Father John Misty.
© Bella Union

"Pure Comedy" von Father John Misty: Nach der Apokalypse geht’s bergauf

Father John Misty zeichnet auf dem Album „Pure Comedy“ ein sarkastisches Bild der Menschheit als lächerlicher Spezies im Daueramüsiermodus. In guten Momenten klingt er dabei wie Elton John.

Wut und Weltekel waren in der Rockmusik schon immer wichtige Antriebskräfte. Zahlreiche Punk- und Riot-Grrl-Bands haben ihren Zorn in kraftvolle Songs umgeleitet. Neil Young wettert sowieso ohne Unterlass gegen die Übel der Welt an.

Ein auf den ersten Blick überraschender Neuzugang an der Wutfront ist der 35-jährige US-Amerikaner Josh Tillman, der unter dem Namen Father John Misty zuletzt mit schmachtenden Folkrock-Songs wie „I Love You Honeybear“ oder melancholisch-ironischen Klavierballaden wie „Bored In The USA“ auf sich aufmerksam machte. Ein Hipster-Liebling, eine heterosexuelle Rufus-Wainwright-Alternative.

Jetzt möchte er offenbar mehr sein als der schillernde Pop-Entertainer. Erstes Anzeichen war ein Festival-Auftritt kurz nach der Nominierung Donald Trumps zum Präsidentschaftskandidaten, bei dem er, statt seine Songs zu spielen, darüber schimpfte, dass Dummheit die Welt regiere und die Unterhaltungsbranche davon ablenke.

Der Musiker wuchs in einem evangelikalen Haus auf

Die Langversion dieses Ausbruchs hat Father John Misty nun als 75-minütiges Album mit dem Titel „Pure Comedy“ (Bella Union) herausgebracht. Dessen Überambitioniertheit und Größenwahn spiegeln sich bereits in dem aufgeblasenen Essay, der das gesamte Innencover bedeckt. In dieser Tirade über die Unzulänglichkeiten der menschlichen Spezies, die sich erst einen „Sky-Man“ erschaffen habe und sich nun mit Sex, Politik und Philosophie amüsiert, kommt er zu dem Fazit, dass unsere Existenz weiterhin „ein grausamer Witz bleiben wird“.

Diese „Pure Comedy“ besingt Father John Misty dann auch im Titelstück, das die Platte eröffnet. Die Klavierballade, die sich in der Mitte zu einem majestätisches Panorama weitet, erinnert stark an Elton John in seiner besten Phase. „Their religions are the best/ They worship themselves but they’re totally obsessed/ With risen zombies, celestial virgins, magic tricks/ In these unbelievable outfits“, croont Misty. Mit religiöser Verblendung kennt er sich aus: In einem evangelikalen Haushalt aufgewachsen, brauchte er lange, dieses Trauma zu überwinden.

Der Traum von der Rückkehr in den Naturzustand

Sein Abfall vom Glauben hat die Suche nach Erlösung allerdings nicht beendet. Wobei das einzig hoffnungsvolle Szenario, das er auf seinem Album für die Menschheit imaginiert, ein postapokalyptisches ist: In „Things It Would Have Been Useful To Know Before the Revolution“ begleitet ein prachtvolles Hörner-Arrangement die Beschreibung des Zusammenbruchs und die Rückkehr in den Naturzustand. In der Mitte verstummen alle Instrumente für den Neuanfang: „The temperature, it started dropping/ And the ice floes began to freeze“, singt Father John Misty. Diese auch in seinem Essay angedeutete Idealisierung eines natürlichen Ursprungszustandes hat – trotz der eingebauten sarkastischen Distanzierung – etwas zutiefst Reaktionäres.

Dass das musikalisch am Songwriter-Pop der Siebziger orientierte „Pure Comedy“ größtenteils live eingespielt und auf Band aufgenommen wurde, zeigt ebenfalls Father John Mistys Rückwärtsgewandtheit. Seine Sehnsucht nach einem prä-digitalen-Urzustand. Der kann mitunter ganz schön öde klingen: Im 13-minütigen „Leaving LA“, das nur von einer Akustikgitarre und Streichern begleitet wird, jammert der Musiker zehn refrainlose Strophen lang über sein Leben. Immerhin lässt er eine Frau auftreten, die sagt „Oh, great, that’s just what they all need/ Another white guy in 2017/ Who takes himself so goddamn seriously“. Stimmt. Leider macht diese Art der Selbstironie die überlange Platte auch nicht spannender.

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