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Helge Schneider heißt jetzt Pretty Joe. Macht aber weiter nix.
© Helge Schneider

Helge Schneider in Berlin: Müder Meisenmann

Helge Schneider und Band im Tempodrom.

Viertel vor elf ist’s aus. Die 3000 Leute im ausverkauften Tempodrom lassen Helge Schneider nach einer Zugabe ohne Widerstand gehen. Seine extrem entschleunigte Version von Duke Ellingtons „Mood Indigo“ hat die Luft aus den Fans gelassen. Er sagt: „Hier heute gewesen zu sein, war für mich eine besondere Ereignung.“ In dieser schönen Halle, die er einer Taschentuchfirma gar nicht zugetraut hätte. Nun isser müde, isses spät, will er gehen. Bis September, da sei er ja schon wieder da (20.–22.9., Tempodrom): „Ach, du Scheiße!“, lautet sein Kommentar. Wohl wahr. War ein bisschen mau die Show des 58 Jahre alten Musikclowns aus Mülheim an der Ruhr.

Immerhin, die Kunstfigur hat den Verschleiß erkannt: Am Ende der Tour zum Album „Sommer, Sonne, Kaktus“ will sich Pretty Joe mit seinen Dorfschönheiten, wie Helge Schneider sich und seine sechsköpfige Band gerade nennt, eine längere Schaffenspause gönnen: „16 Jahre“, ruft er seinem livrierten Bühnen-Teekoch Bodo zu. Verbunden mit dem fürsorglichen Tipp „Du kannst solange hartzen!“.

Andererseits: So geht’s ja auch wieder nicht. Zu Helge Schneider gehen und sich wundern, dass er auch da ist. Und sich dabei wie seit mehr als 20 Bühnenjahren benimmt. Grimassierend, Faxen machend, Flachsinn erzählend, Mackerwitze über Brustvergrößerungen, Brustverlängerungen und gackernde Hühner (also Frauen) reißend. Lieder zersingend, sich Publikumserwartungen verweigernd, Instrumente wechselnd.

Was er mit "Mr. Bojangles" anstellt, gehört strafrechtlich verfolgt

Dabei macht der traditionelle Jazzer eine ganz gute Figur. Diesmal spielt er Tasteninstrumente, Trommel, Tenorsaxofon, Trompete, Gitarre und Vibrafon. Und zu seinen üblichen Gaga-Geschichten gesellen sich süße Anekdoten aus der Essener Gruga-Halle, wo Helge schon in jungen Jahren Musikergrößen wie Lionel Hampton und Sammy Davis jr. lauschte. Diesen ihm als großes Vorbild dienenden Entertainer hat er allerdings irgendwie falsch verstanden.

Was Helge mit Davis’ Paradenummer „Mr. Bojangles“ macht, gehört strafrechtlich verfolgt. „Magen Darm“ nennt er denn auch die brodelnde Synthie-Mühle, durch die er Jerry Jeff Walkers wunderschönen Standard jagt. Man könnte auch Zerfurzen dazu sagen (böse!) oder die Wiederkehr der frühen Anarcho-Jahre (lieb!).

Schönes schön sein lassen und dabei lustig sein kann Schneider schon auch. Sein Klavierballadenklassiker „Meisenmann“, zu dem wie immer der zottelige Tänzer Sergej Gleithman veitstanzt, hat einen neuen Text. Er handelt von den vogeligen Folgen eines Internetchats. Eine super Tragikomödie en miniature, von Helge mit der Meise.

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