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Richtung Tatort. Helge alias "Kommissar 00 Schneider" unterwegs.
© Senator

Film "00 Schneider - Im Wendekreis der Eidechse": Helge und sein neuer Nonsense-Krimi

In Mülheim an der Ruhr ist immer was los. Jedenfalls wenn Helge Schneider dort als "Kommissar 00 Schneider" ermittelt. Und das ist spannend "wie bei Shakespeare". Findet Helge Schneider.

Mit Helge Schneider kann man prima über Autos reden. Über hübsche Autos. Also: Oldtimer ab 40 Jahre, ohne Gurte und mit Blei im Benzin. Er selbst besitzt mehrere und fährt damit gern in seiner Heimatstadt Mülheim an der Ruhr herum. Durch die verlassenen Einkaufsstraßen der Pottperle. Oder am Touristencenter vorbei, wo man ein sehr spezielles, von einem örtlichen Künstler entworfenes Souvenir kaufen kann: die PorzellanPommesschale.

Sein neuer Film, der zweite um den sonnenbebrillten, unrasierten Kommissar 00 Schneider, enthält ebenfalls eine Menge Mülheim-Ansichten: Mal rast ein wunderschöner alter Citroen aus dem Schneider-Fuhrpark über die durch einen Verkehrspolizisten (Peter Thoms) notdürftig geregelte Kreuzung, mal über eine leere, dunkle Gasse. Dort kommt er erstaunlicherweise an einer spanischen Küstenstraße heraus und gurkt alsbald die sanfte Hügellandschaft auf und ab. Helge Schneider lebt einen Teil des Jahres in Spanien und hat dort fleißig Fahrbilder gedreht. Das verleiht „00 Schneider – Im Wendekreis der Eidechse“ ein sympathisches Ed-Wood-Flair: Auch Hollywoods Trash-Ikone montierte in die eigenen Low-Budget-Horrorwerke wüst anderweitiges Bildmaterial, aus Jux und Dollerei und, nebenbei, aus Geldmangel.

Erst vor ein paar Wochen ist seine größtenteils mit Filmmusik und wenig Schneider-typischen Ohrwürmern gefüllte CD „Sommer Sonne Kaktus“ herausgekommen, und nun lässt er in die Interviewsuite eines vor Retro-Charme strotzenden Charlottenburger Hotels bitten. Sein schreiend buntes Slim-fit-Hemd steht ihm hervorragend – so was dürfen nur 58-jährige Mülheimer oder halb so alte Mitte-Hipster tragen. Ansonsten: Haare lang, Kinn gewohnt stoppelig, und dann redet er mit einem.

Über weitere Designklassiker aus seinem Besitz, etwa Eero Aarnios Ball Chair, in dem der Film-Kommissar im senffarbenen Ledermantel Platz nimmt. Oder Panton-Lampen. Oder elegante skandinavische Holzregale. Und eine Philips Rosita Stereo Commander aus den Sechzigern, eine der hübschesten Kompaktanlagen aller Zeiten, schön wie ein weißes Beam-Cockpit auf einem Tulpenfuß. Im Film muss sie einen heftigen Tritt von Kommissar Schneider hinnehmen. Nicht so schlimm. „Ist eh kaputt dat Ding. Muss ich machen lassen. Hab ich mal für 90 Mark gekauft.“

Sein retro-schummerig auf Super 16 gedrehter Film hangelt sich ansonsten beherzt an einer Art Scheinkrimihandlung entlang: Ein fauchender Irrer namens Jean-Claude Pillemann, genannt „Die Eidechse“ und gespielt vom Hamburger Entertainer Rocco Schamoni, bricht aus dem Gefängnis aus und macht nächtens Mülheim und dessen Büdchenbesitzer unsicher, auf die er gern ekliges Ektoplasma speit. Die Gurkentruppe um Kommissar 00 Schneider versucht ihn dingfest zu machen, während eine betrügerische Tante Tyree aus Amerika (gespielt vom Jazzsaxofonisten Tyree Glenn jr.) sich beim Kommissar einnistet und ihm Übles will. Ein Sittenstrolch muss auch noch gefasst werden, und auf den Strich hinter einem Bumswohnwagen gehen nur Männer in Frauenkleidung.

Überhaupt werden hier fast alle Frauen von Männern im Zenit ihres Lebens gespielt. Ein subtiles Zugeständnis an den Genderdiskurs, mitten in der Ultra-Nonsens-Komödie? „Nö, einfach nur so. Nur um skurril zu sein“, sagt Schneider. „Leute spielen Damen der Gesellschaft, spielt keine Rolle, ob es Männer oder Frauen sind. Wie bei Shakespeare.“ Helge Schneider, dem Musiktalent für mehrere Leben in die Wiege gelegt wurde, setzt auch beim Film auf künstlerische Freiheit: „Die Dramaturgie entsteht während des Drehens und vor allem im Schnitt. Ich hab das nicht alles im Kopf, das kommt eher beim Machen.“

Seine Filmszenen sollen so funktionieren, dass man sie „ in einem Schuss kapieren kann. Auflösen ist langwierig – und so viel Geld hab ich gar nicht.“ Das geht wie bei seinen Bühnenshows: Aus seinem eigenwilligen Kopf zieht er mühelos die Einfälle, dazu kommt die Begabung für Musik und lokal kolorierten Witz. Ob er ein Wunderkind war? „Nö, ich lern immer noch dazu. Mein Uropa mütterlicherseits war angeblich Multiinstrumentalist. Aber mein Vater hat von sich gesagt, er kann nur Radio.“ Diese Punchline fällt einfach so aus ihm heraus. Hätte er jetzt Publikum, es würde gegrölt.

Im Hotelsessel, mit einem Obsttellerchen vor sich, gibt er sich fast wie auf der Bühne: Komik und Musik sprudeln intuitiv, steuerbar, aber keineswegs manipulativ. Und der Künstler ist auch ein leidenschaftlicher Fan. Von dem genialen Jazzorganisten Milt Buckner zum Beispiel, „bei dem würde ich gerne Schlagzeuger sein. Oder Fats Waller, da würd ich auch Schlagzeug spielen. Immer nur Schlagzeug.“ Und welche Regisseure findet er toll? Da denkt er lange nach. „Melville.“ Pause. Sonst noch jemand? „Melville.“ Nun, von Melville hat der neue Film nicht unbedingt etwas. Oder vielleicht doch: „Mein Film ist doch auch ein Abriss unserer heutigen Gesellschaft. Weil die Gesellschaft abstrakt ist. Weil es uns vielleicht gar nicht gibt.“ Immerhin aber amüsieren wir uns noch, und sogar gut.

In zwölf Berliner Kinos

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