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Eins zu eins. Helge Schneider, 55, ist Multifunktionskünstler aus dem Ruhrpott: Musiker, Klamaukist, Schauspieler („Mein Führer“), Schriftsteller. Mit „Buxe voll!“ gastiert er bis 24. April im Admiralspalast (tgl. außer Mo, 20 Uhr, www.admiralspalast.de).
© Till Oellerking

Helge Schneider: "Und plötzlich is dat da"

Der Klamaukist Helge Schneider gastiert im Admiralspalast. Ein Gespräch über Jazz, Improvisation und Witz.

Herr Schneider, wie stehen Sie zu Slim Gaillard?

Kenn ich nicht.

Glaub ich nicht.

Ach, von Slim and Slam? Kenn ich doch. Hab ich schon früher, sagen wir, mit angehört. Aber das ist 30 Jahre her. Seinen Bassisten Slam Stewart fand ich immer gut.

Gaillard ist der Künstler, der Ihnen am meisten ähnelt, finde ich. Hatten Sie kein Offenbarungserlebnis mit dem?

Vielleicht mehr mit den Marx Brothers. Oder Jerry Lewis!

Aber die haben weniger mit Jazz zu tun.

Doch, die Marx Brothers schon, und Jerry Lewis sowieso, jedenfalls live. Und natürlich Sammy Davis jr. Den fand ich immer super.

Wie stehen Sie denn zur deutschen Jazzszene? Diesem Haufen sauertöpfischer Männer ...

Männer mit Kinnbart? Ein paar Leute aus der Szene kenn ich ja, und verehre ich auch: Gerd Dudek, ein super Saxofonist, wenn der spielt, versuche ich hinzugehen. N’paar sind auch schon gestorben, Albert Mangelsdorff zum Beispiel.

Improvisieren Sie mit Ihrer Stimme und den Witzen genauso wie in der Musik?

Ja. Das hat aber auch immer mit dem Publikum zu tun. Gestern zum Beispiel stand die Luft zwischen den Nummern mehr, die Reaktionen waren gut, aber ein bisschen verhalten, so wie im Theater. Im Nachhinein fand ich das Publikum gestern toll, und dann improvisiert man auch gut.

Ich hab mir bei Ihnen mal in die Hose gepinkelt vor Lachen, um 1990 herum. Nach der Show musste ich meinen Ausgehabend abbrechen. Das war im Quartier Latin.

Haha! Bin ich eben noch vorbeigefahren. Mit Sehnsucht. Das waren noch Zeiten ... das war schön, ein toller Laden. Bisschen kleiner eben.

Jetzt muss man bei Ihnen schon vorn sitzen, um Ihr Gesicht sehen zu können! Hinten macht es weniger Spaß.

Ja, das ist nie mehr so wie früher in den kleinen Läden. Unser Aufwand ist hoch, ich muss davon leben, sonst würde ich ja nix verdienen. Und es würden zu viele Leute vor der Tür bleiben. Aber zu groß geht auch nicht, ich würde nie in Stadien spielen. Und ich lehne Videoscreens ab.

Was würden Sie denn noch absagen?

Alles, was Werbung oder Politik ist. Manche andere machen ja Werbung für Audi, da habe ich keinen Bock drauf. Und für Politiker, SPD, Grüne, NPD ... niemals.

Und für NGOs?

Weiß nicht ... das ist ja eine ganz andere Intention. Wenn man meint, ich gehöre dazu, und ich möchte mal für den Regenwald ein Konzert geben ... das würde ich schon machen. Aber noch lieber würde ich aktiv teilnehmen.

Beim Regenwaldschützen?

Zum Beispiel!

Bei Ihnen denkt man, die Bühnenfigur Helge Schneider stimmt so ziemlich mit der Privatperson überein ...

Ja, das ist auch so.

Aber ungewöhnlich ist es schon. Ganz wertfrei: Die erfolgreichen Comedians haben meistens eine Bühnenfigur entwickelt.

Und hinter der Bühne sind es dann ganz sensible Leute, mit Ängsten ... und die mit ihrer Figur manchmal gar nicht im Einklang sind. Und nur jemanden spielen. Das sind dann aber Leute, die das nicht alles selbst erfunden haben, sondern mit Regisseuren zusammen Produktionen machen, vielleicht sind sie damit gar nicht so zufrieden, aber der Regisseur sagt: Das ist gut so, mach das!

Testen Sie Ihre Witze an niemandem aus?

Nee, ich bin doch nicht bescheuert! Also wenn ich zum ersten Mal ein neues Lied spiele, und merke dass das nicht hinhaut, dann singe ich das eventuell nie wieder. Aber so was wie diese Probevorführungen beim Film habe ich nie, das fand ich auch immer furchtbar. Wo dann irgendwelche Leute und Journalisten ihre Meinung darüber sagen ... ich bin eins zu eins so wie ich bin. Ich trage das mit auf die Bühne, was ich von zu Hause mitbringe, und was ich in der Welt sehe. Wollen wir mal so sagen: Ich kann mir das leisten, ich kann als Künstler drauf losspielen, wie Charly Parker das mal gesagt hat. Now is the time.

Ich dachte, dass Sie sich vorher zumindest Notizen machen.

Nee, ich hab so ne Art fotografisches Gedächtnis, ich merke mir Sachen ganz gut. Dann leg ich das weg, und abends auf der Bühne kram ich darin rum, und plötzlich ist dat da. Manchmal weiß ich auch gar nicht wieso. Will ich auch gar nicht wissen! Dat ist ja dat Schöne daran! Ich will improvisieren, wie beim Klavierspielen.

Lacht das Publikum über alles, was Sie machen?

Tja, neulich bin ich mal abgeschwiffen, das Thema war Atomkraft, wieso alternative Energien angeblich teurer sind. Weil die Bildzeitung so ’ne blöde Rechnung aufgestellt hatte. Da hatte ich die Idee, etwas aufklären zu wollen, aber nur kurz.

Das Publikum wollte das nicht hören?

Bei dem Thema merkte ich, wie die Leute traurig guckten, weil das Realität ist. Es ist nicht meine Aufgabe, den Leuten so etwas zu erklären. Ich hab dann auch gesagt, vielen Dank und Entschuldigung. Eigentlich hat meine Arbeit eine eigene Kraft, ohne Worte.

Rocko Schamoni erzählt, er sei manchmal genervt davon, wie bekannt er ist.

Ja, ich hatte auch mal ’ne Zeit, so kurz nach Katzeklo. Da bin ich mit einer Limousine zum Konzert, und hab mich nach dem letzten Stück sofort wegfahren lassen. Um keine Autogramme geben zu müssen. Dann hab ich aber gedacht, vielleicht bin ich irgendwann mal froh, Autogramme geben zu dürfen. Und von Louis Armstrong hab ich gelernt, dass man seine Kunst nicht nur für sich alleine macht, sondern für das Publikum. Ich hab mir schon mal ein Autogramm von Jimmy Smith geholt. Bei Dexter Gordon und Thelonious Monk hab ich mich nicht getraut. Und wenn ich mal keine Lust hab auf Fotos und so weiter, dann sage ich nee, hab Feierabend.

Ich danke Ihnen für das Gespräch.

Ja, tschüss. Warum siezt du mich, sehe ich schon so alt aus?

Dann eben tschüss, du.

Das Gespräch führte Jenni Zylka.

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