Bruce Nauman Retrospektive in Basel: Meister der Verstörung
Wippen, werfen, würgen: Der US-Künstler Bruce Nauman hat die Performance revolutioniert. Und die Haltung der Betrachter.
Den Cowboy würde man dem groß gewachsenen Mann Mitte siebzig, der gerne Stetson und Lederstiefel trägt, ohne Zögern abnehmen. Den Künstler weniger. Dabei gehört der US-Amerikaner Bruce Nauman zu den bedeutendsten Gegenwartskünstlern. Obwohl in der Öffentlichkeit zurückhaltend, ja schüchtern, hat es ihm an Selbstbewusstsein nie gefehlt. „The True Artist Helps the World by Revealing Mystic Truths“ (Der wahre Künstler hilft der Welt mystische Wahrheiten zu offenbaren), heißt es schon 1967 in seiner berühmten rot-blauen Neonröhrenspirale.
Seine Schwarz-Weiß-Filme und Videos, in denen er einfache Handlungen im Atelier zeigt wie Gehen, Bälle-Schleudern, In-der-Ecke-Wippen, erlangten Kultstatus. Nauman kommentierte: Wenn ein Künstler im Atelier Kunst hervorbringt, muss eben alles, was er darin so macht, Kunst sein. Doch Nauman revolutionierte nicht nur die Performancekunst. Auch die Haltung der Betrachter. So baute der Konzeptkünstler enge Korridore und Käfige, in die das Publikum zu steigen hat. Den Wahnsinn und die Beklemmung der Welt sollte jeder am eigenen Leib erfahren.
Die Neonröhren-Männchen wurden Naumans Markenzeichen
Berühmtheit erlangten auch seine blinkend kopulierenden Neonröhren-Männchen oder die Pyramiden und Karussells aus Tierleibern. Nauman entwickelte sein Werk jenseits der klassischen Kategorien von Schönheit und Erhabenheit. Für den Betrachter heißt das: kein Spaß, keine billige Unterhaltung. Erlösung: Fehlanzeige. Sein „Topological Garden“ im US-Pavillon der 53. Venedig Biennale 2009, für den er den Goldenen Löwen bekam, zeigte sich als Schreckfantasie, nicht als befriedetes Paradies.
Man wundert sich, warum dem Meister der Verstörung nun erst nach 25 Jahren in der Schweiz wieder eine umfassende Retrospektive ausgerichtet wird. Im Schaulager in Münchenstein bei Basel ist sie nun zu sehen, bevor sie dann ans MoMA nach New York geht. Das ist schon eine etwas verkehrte Welt. Denn das Schaulager ist ein privates Haus, in dem von der Emmanuel Hoffmann-Stiftung erworbene Gegenwartskunst zugänglich gelagert und einmal im Jahr eine monografische Schau präsentiert wird.
So wurden hier seit Eröffnung 2003 unter anderen Dieter Roth, die Architekten des Hauses Herzog & de Meuron, Andrea Zittel und Steve McQueen gezeigt. 2017 hat man diesen Reigen zur Vorbereitung von „Disappearing Acts“ unterbrochen. Doch nicht allein die zeitliche und räumliche Nähe zur Art Basel (14.–17.6.), das Management, das viele Geld, sprechen für die Basler Institution, sondern persönliche Beziehungen. Die Emmanuel Hoffmann-Stiftung kaufte schon in den 1970er Jahren Arbeiten des Shootingstars bei der Düsseldorfer Galerie Konrad Fischer. Heute besitzt sie der größten Sammlungen seiner Arbeiten.
Doch die Grenzen des Schaulagers als Ausstellungsort werden rasch sichtbar. Drei Arbeiten sind aus räumlichen Gründen im Kunstmuseum der Stadt zu sehen, das mit der Stiftung eng verbunden ist. Die faszinierende Klanginstallation „Days“ wurde 2009 für einen frühbarocken Saal auf der 53. Venedig Biennale geschaffen. In der Passage des Kunstmuseums zwischen Alt- und Neubau kann sich diese Arbeit nun auf großartige Weise entfalten. Auch die Präsentation der Zwei-Kanal-Videoinstallation „Untitled“ 1970 mit Projektionen auf Wand und Boden setzt Maßstäbe.
Ein Diskurs über Sein und Schein, Macht und Emanzipation
Dem Besucher wird spätestens hier deutlich, dass dem Schaulager die Präsentation nur in Ausnahmen wie bei den Videoinstallationen gelingt. Für eine Publikumsschau, die das einzelne Werk optimal zur Geltung bringen soll, ist das Haus nicht geeignet. Dennoch ist die Ausstellung ein Muss. Der direkte Vergleich fasziniert, zum Beispiel der Themenkomplex zur künstlerischen Inspiration wie er in „Self Portrait as a Fountain“ (1966) bis hin zu „Venice Fountains“ (2007) angelegt ist. Die abgründigen Clownfiguren in den Videoinstallationen „Clown Torture“ (1987) befinden sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu den „Shadow Puppets and Instructed Mime“ (1990). Der Betrachter sieht sich in einen abgründigen Diskurs über Sein und Schein, Macht und Emanzipation verstrickt.
Diese thematischen Cluster sind atemberaubend und die Reise nach Basel allemal wert. Wer sich in Berlin darauf einstimmen möchte, dem sei ein Besuch im Hamburger Bahnhof empfohlen, wo die monumentale Installationen „Room with My Soul Left Out, Room That Does Not Care“ dauerhaft zu sehen ist. In Münchenstein gibt es von ihr nur das Modell.
Schaulager Basel, bis 26. 8.; Di bis So 10 – 18 Uhr, Do bis 20 Uhr.
Max Glauner
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