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Heiko Pinkowski (l.) als Tobias Zach, Peter Trabner (M.) als Flasche und Robert Gwisdek (r.) als Barde - in einer Szene des Kinofilms "Alki Alki".
© dpa

Vor dem Filmstart von "Alki Alki": Mein Freund, die Flasche

Dass es mal so gut für ihn läuft, hätte Schauspieler Heiko Pinkowski lange nicht gedacht. Jetzt spielt er im neuen Axel Ranisch-Film einen Säufer.

Einfach nicht gesehen werden. Seltsam, dass das auch Leuten passiert, die im Schaugewerbe tätig sind. Heiko Pinkowski ist es lange so gegangen. Da spricht er ganz freimütig drüber. Jetzt, wo er plötzlich auf den Besetzungszetteln steht. Wo er in Fernseh- wie Kinofilmen viele Nebenrollen und regelmäßig Hauptrollen spielt. Und wo die kleine, aber mit jeder Menge Festival-Sympathie überschüttete Indie-Produktionsfirma „Sehr gute Filme“, die er 2011 mit dem Regisseur Axel Ranisch gegründet hat, am kommenden Donnerstag den nächsten Film ins Kino bringt: „Alki Alki“. Die Hauptrolle spielt Pinkowski gleich selber.

Einfach nicht gesehen werden. Wie das geschehen konnte, ist schwer vorstellbar, wenn das schwarz gewandete Schwergewicht mit dem dicken Schnauzer und der dicken Brille so vor einem steht. Im Landestheater Magdeburg, wo er jahrelang Ensemblemitglied war und trotzdem einfach keine Hauptrollen bekam. Stattdessen bei Film oder Fernsehen anzuheuern, ist ihm von selbst nicht eingefallen. Da haben ihn erst die Kollegen drauf gebracht. Lieber hat der 1966 in Hüls bei Krefeld geborene Pinkowski, der seit Ende der 80er Jahre Theater spielt und 1994 die Bühnenreifeprüfung ablegte, in den Zeiten ohne Festengagement Jobs angenommen: als Krankenpflegehelfer, Schlosser, Bauzeichner oder Kellner.

Du Sucht und ich - die älteste Männerfreundschaft der Welt

Aber irgendwann hat er sich dann ein Ultimatum gestellt: „Ich will nicht in Castrop-Rauxel oder sonst wo am Theater als der ewige Dritte von rechts versauern. Mit 40 will ich allein von der Schauspielerei leben können – nicht irgendwo, sondern in Berlin.“ Und, nachdem er beharrlich Rollen annahm, klappte das dann auch. Von ersten Seriengastspielen in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ oder „Stefanie – Eine Frau startet durch“ bis jetzt, wo Pinkowski zwischen Indiefilmen und Bestsellerverfilmungen munter hin und her wandert. Gerade gestern ist er aus Hamburg heimgereist, wo er unter der Regie von Florian Eichinger an der Seite von Lars Eidinger das Drama „Die Hände meiner Mutter“ dreht. Zu Weihnachten kommt Hape Kerkelings Jakobsweg-Selbsterfahrungstrip „Ich bin dann mal weg“ ins Kino, in dem er einen nervigen deutschen Pilger spielt. Kein Zweifel: Heiko Pinkowski ist sichtbar geworden.

Und mit „Alki Alki“ zeigt er noch mehr von sich. Nicht nur seine als Spielort fungierende Küche in einer Gartenhauswohnung in Mitte, an deren heimeligem Holztisch er gerade sitzt. Oder seine ebenfalls mitspielenden Kinder Paul, Delphine und August. Sondern die Sucht, von der zu hören eine noch größere Überraschung ist als Heiko Pinkowskis spürbare Schüchternheit.

Dass Axel Ranischs Filme dessen biografische Erfahrungen aufgreifen, war schon in „Dicke Mädchen“, „Reuber“ und „Ich fühl mich Disco“ zu besichtigen. Und in „Alki Alki“ sei das jetzt genauso, sagt Heiko Pinkowski. Nur, dass die Dramödie jetzt Pinkowskis Alkoholikerjahre thematisiert. Und auch die des ebenfalls mitspielenden Peter Trabner, von dem die Filmidee stammt. „Das ist ganz nah an seinem und meinem Leben – sozusagen ein Buddymovie, die Sucht und ich als älteste Männerfreundschaft der Welt.“

Pinkowski spielt den im Suff immer mehr aus der bürgerlichen Existenz abschmierenden Architekten Tobias Zach. Und Trabner, von dem die Filmidee stammt, dessen besten Kumpel „Flasche“ – also die personifizierte Sucht. Ein Kniff, der dem im typischen Low-Budget-Mumblecore-Stil von „Sehr gute Filme“ gedrehten Werk originelle Szenen beschert. In weiteren Rollen sind Christina Große, Iris Berben und Oliver Korittke und deutsche Regiehoffnungen wie Dietrich Brüggemann und Aron Lehmann zu sehen.

In Lehmanns hinreißender Tragikomödie „Kohlhaas oder die Verhältnismäßigkeit der Mittel“ hat Heiko Pinkowski an der Seite von Robert Gwisdek gespielt, der jetzt wiederum mit seiner Band Die Tentakel von Delphi den Soundtrack zu „Alki Alki“ liefert und im Film einen klampfenden Troubadour gibt. Im deutschen Low-Budget-Kino ist halt alles mit allem verbunden.

Der Regisseur und sein Schauspieler produzieren zusammen "Sehr gute Filme"

Heiko Pinkowski und der 17 Jahre jüngere Axel Ranisch ganz konkret seit 2005, als sie sich an der Babelsberger Hochschule Konrad Wolf bei Filmübungen kennenlernten und sofort künstlerisch und persönlich harmonierten. Beste Freunde sind sie nun – und Geschäftspartner, zusammen mit der Produzentin Anne Baeker und dem Kameramann Dennis Pauls. Sich als Filmfamilie zu verstehen, die irgendwo irgendwann auch von einem gemeinsamen Wohnsitz träumt, sei Teil ihrer Firmenphilosophie, sagt Pinkowski. „Seit ich ,Dicke Mädchen‘ gemacht habe, hat sich viel verändert, auch mein Selbstbewusstsein.“

Daheim. Heiko Pinkowski, Jahrgang 1966, am Familienküchentisch seiner Wohnung in Mitte. Eigene Küche und eigene Kinder sind auch im Film zu sehen.
Daheim. Heiko Pinkowski, Jahrgang 1966, am Familienküchentisch seiner Wohnung in Mitte. Eigene Küche und eigene Kinder sind auch im Film zu sehen.
© Mike Wolff

Dass es ihm daran trotz ebenso wuchtiger wie zarter schauspielerischer Präsenz und ausdrucksvoller Mimik mangelte, war eine der Ursache für den inzwischen seit zehn Jahren überwundenen Alkoholismus. „Die Sucht hatte was mit den Selbstzweifeln zu tun: Dass ich als Schauspieler auf Hartz IV bin, dass ich die Familie nicht ernähren kann.“ Ob es ihm nicht unangenehm ist, sich mit „Alki Alki“ jetzt vor aller Welt als Ex-Alki zu outen? Pinkowski schüttelt energisch sein Haupt. „Das in meiner Branche zu kaschieren, ist mir zu schwierig. Ich habe immer offen darüber gesprochen.“ Den Film wollte er auch machen, um seinen Kindern was von sich zu erzählen und seiner Frau zu danken, die die Säuferzeit mit ihm durchgestanden hat.

Im Dezember ist er dann in "Ich bin dann mal weg" zu sehen

Pinkowski steht auf, tritt an Fenster und zeigt hinaus. Da hinten, in der Suchtberatungsstelle der Caritas, hat er 2006 sechs Wochen lang täglich an einer Krisengruppe teilgenommen und dann fast zwei Jahre eine ambulante Therapie besucht. Auf die lässt sich auch die Filmfigur Tobias schließlich nach diversen Abstürzen und dem Zerbrechen seiner Familie ein: stationär, in einer Entzugsklinik an der See, wo jedem Insassen die Sucht als exaltierter Charakter im Nacken sitzt und sich tagtägliche Ringkämpfe mit ihm liefert. Das ist im Fall von Tobias und Flasche durchaus wörtlich zu verstehen, was angesichts des Doppels aus Bäuchen und Bärten nicht nur psychisch, sondern auch physisch kraftvoll ist.

Pinkowski ist, seit er die Sucht überwunden hat, auch als Schauspieler mit sich im Reinen. „Ich bin in meinen Rollen durchlässiger.“ Nach so vielen Jahren im Geschäft endlich gewollt zu werden, muss doch rundum erhebend sein. Pinkowski lacht erst, dann winkt er ab. So krass sei das mit seiner Berühmtheit noch nicht. Als Produzent pflegt er deutlich häufiger den Mailverteiler von „Sehr gute Filme“ als bei Premieren über den Roten Teppich zu flanieren. „Da fordern mich die Fotografen auch eher auf, aus dem Weg zu gehen, statt mich zu knipsen.“ Schadet nichts. Heiko Pinkowski ist auch ohne Glam-Shots gut zu sehen.

„Alki Alki“ startet am 12. November in den Kinos.

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