Philharmoniker-Intendant Martin Hoffmann: „Mein Büro ist das Herzzentrum“
Nach sieben Jahren endet die Intendanz von Martin Hoffmann bei den Berliner Philharmonikern. Ein Gespräch über Manager und Musiker, Querelen am Kulturforum und den Geldsegen vom Bund.
Herr Hoffmann, ab 2018 werden die Berliner Philharmoniker nicht mehr nur vom Land Berlin bezuschusst, sondern auch vom Bund. Ist es von Vorteil, wenn die Musiker Diener zweier Herren sind?
Dieses Finanzierungsmodell ist ein deutliches Zeichen der Wertschätzung des Orchesters durch das Land und den Bund. Mit der Zwei-Säulen-Lösung wird die wirtschaftliche Zukunft der Philharmoniker langfristig sicher und planbar. Daher freuen wir uns alle über diese Lösung.
Weil Sie jetzt mehr Gehalt bekommen?
Das ist nicht die Zielsetzung, auch wenn es für mich ganz unstreitig ist, dass die Vergütung der Musiker international konkurrenzfähig ausgestaltet sein muss. Mit der Erhöhung des Etats von 17,8 auf 20 Millionen sollen vor allem künstlerische Projekte umgesetzt werden, die bisher nicht möglich waren. Denken Sie an die Konzertreisen in Länder, in denen das Orchester spielen will, wo die ökonomischen Bedingungen dies aber verhindern. Ich habe mich zum Beispiel sehr darum bemüht, eine Südafrika-Tournee zu ermöglichen, sie ist aber an der Finanzierung gescheitert. Das wäre künftig mit dem Bundesgeld möglich.
Mit dem Bundesgeld wird die Botschafterfunktion der Philharmoniker gestärkt?
Seitens der Geldgeber ist die Zuschusserhöhung an keinerlei Vorbedingungen geknüpft. Das Geld wird natürlich genauso in Berliner Projekte fließen. Denken Sie beispielsweise an eine von Sponsoren unabhängigere Einbindung unserer Education-Arbeit im Haus. Oder an die Entwicklung neuer Formate oder auch an ein eigenes Festival.
Der Bund hatte früher schon mehrfach Begehrlichkeiten in Richtung Philharmoniker signalisiert, Berlin aber verwahrte sich stets dagegen, sein kulturelles Kronjuwel herauszurücken. Warum ist der Regierende Bürgermeister jetzt eingeknickt?
So würde ich das nicht bezeichnen, aber das müssen Sie den Regierenden wirklich selbst fragen. Und vergessen Sie nicht, dass Berlin künftig immer noch den größten Teil unseres Zuschusses überweist, nämlich 13,5 Millionen Euro im Jahr. Übrigens erwirtschaften wir 63 Prozent unseres Etats selber. Das ist für eine kulturelle Einrichtung in Deutschland ein Spitzenwert. Mit den 7,5 Millionen Euro vom Bund wird unser Zuschuss insgesamt um etwas weniger als drei Millionen erhöht.
Weil auch noch bis zu 500 000 Euro für die Karajan-Akademie dabei sind ...
… unser orchestereigenes Exzellenzprogramm für die besten Hochschulabsolventen, das seit seiner Gründung 1972 ausschließlich über Spenden finanziert wurde. Wie gut die Akademie ist, zeigt sich daran, dass gegenwärtig ein Drittel aller Stellen im Orchester mit ehemaligen Akademisten besetzt ist. Mit der Finanzierung durch den Bund wird sichergestellt, dass diese Arbeit fortgesetzt werden kann und sie von der volatilen Spendenfinanzierung unabhängiger wird.
Als Sie 2010 Intendant wurden, fragten viele: Was soll der frühere Geschäftsführer von Sat.1 beim besten Orchester der Welt? Hat Sie das gekränkt?
Es war am Anfang in der Tat nicht einfach. Was aber auch verständlich ist, denn mich kannte keiner hier im Hause, und auch ich hatte als Klassik-Quereinsteiger weder die Musiker noch die großen Dirigenten und Solisten schon persönlich kennengelernt. Dann aber stellte sich doch recht bald ein Vertrauensverhältnis ein und damit eine gegenseitige Wertschätzung.
Die Wahl eines Fachfremden war eine mutige Entscheidung der Musiker …
… und von mir ! Allerdings hatte ich zuvor ein langes Findungsverfahren durchlaufen, mit allen relevanten Vertretern des Orchesters gesprochen, die natürlich herausfinden wollten, ob ich zum Haus passe. Für mich war dann mein erstes Waldbühnenkonzert ein erster Stresstest. Ich musste das Konzert absagen, es regnete einfach zu stark. Wir haben dann hinter der Bühne mit dem Dirigenten Riccardo Chailly, dem Orchester und dem Veranstalter Peter Schwenkow sofort einen Ersatztermin gefunden. Das war schon mal ein guter Anfang.
Sie sind in einer bildungsbürgerlichen Familie groß geworden. Was hat Ihnen mehr genützt im Intendantenjob, Ihre Umgangsformen oder der Violinunterricht, den Sie als Kind genossen haben?
Der Geigenunterricht jedenfalls weniger. Zwischen unserem 1. Konzertmeister Daishin Kashimoto und mir gab es immer mal wieder ein kleines Ritual, wenn er mich aufforderte, auf seiner Geige etwas zu spielen. Hätte ich es getan, wäre ich sofort gekündigt worden! Aber im Ernst: Sicher war es am Anfang nicht hinderlich, dass ich etwas von Musik und dem symphonischen Repertoire verstand. Das Entscheidende war aber doch die Managementerfahrung. Und die Fähigkeit, mit großen Künstlern umzugehen und sie verlässlich an das Haus zu binden.
2009, noch vor Amtsantritt, gaben Sie einmal diese Jobbeschreibung: Intendant der Philharmoniker ist jemand, der das Orchester unterstützt. Würden Sie das heute auch noch so formulieren?
Ja, natürlich. Die Qualität des Orchesters zu sichern und fortzuentwickeln, ist die wichtigste Aufgabe von uns allen. Das operative Herz des Hauses schlägt im Intendanz-Büro. Entscheidungen trifft ja nicht das Orchester allein, auch nicht der Chefdirigent, sondern es gibt Gremien, die nach ganz bestimmten Regeln funktionieren. In diesem System ist der Intendant mit seinen Kompetenzen klar definiert und verankert. Gleichzeitig gilt es die Tatsache zu respektieren, dass es sich bei den Philharmonikern um ein Ensemble von herausragenden Künstlerpersönlichkeiten handelt. Moderatives Talent kann dabei nicht schaden.
„Philharmonie und das neue Museum am Kulturforum werden sich gut ergänzen“
Die musikalischen Schwerpunkte legen Orchester und Chefdirigent weitgehend autonom fest. Welche Betätigungsfelder bleiben da für den Intendanten?
Zunächst einmal vertritt der Intendant das Orchester auch nach außen. Wie wichtig das ist, sehen Sie an den Zuschuss- und Tarifvertragsabschlüssen, die mit den politischen Entscheidungsträgern zu verhandeln sind. Und natürlich werden in der Intendanz die Inhalte verhandelt. Zu welche Bedingungen Dirigenten und Solisten eingeladen und Gastspiele geplant werden, das ist Gegenstand der Diskussionen und Entscheidungen. Mir persönlich war wichtig, die Wahrnehmung des Orchesters als Kulturbotschafter Berlins und Deutschlands zu verstärken. Das ist mit Konzerten zum 25-jährigen Jubiläum des Mauerfalls in Halle, Warschau, Prag und Budapest, den Gastspielen in Athen trotz schwieriger ökonomischer Bedingungen oder dem Konzert anlässlich der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der deutsch-israelischen diplomatischen Beziehungen auch gelungen, meine ich. Und Sie können als Intendant eigenständig Akzente setzen. Mit neuen Formaten wie „Jazz at Berlin Philharmonic“, „Plädoyer“ mit Ferdinand von Schirach, der „Unterwegs- Reihe“ und dem „philharmonischen Diskurs“ haben wir viele neue Zuhörer gewinnen und die Auslastung des Kammermusiksaals von 60 auf rund 85 Prozent steigern können.
Sehr viel Arbeit haben Sie in das Open Air Event 2014 auf dem Kulturforum gesteckt, das zusammen mit den umliegenden Museen stattfand. Das zweite Freiluftkonzert im vergangenen Jahr haben die Philharmoniker dann alleine veranstaltet. Warum?
Weil ich das Engagement der Kollegen vermisst habe. Nicht nur die organisatorische Hauptlast lag 2014 bei uns, sondern auch der Großteil der inhaltlichen Arbeit. Beim Konzert war dann fast keiner der Museumsdirektoren anwesend. Das war für mich ein klares Signal. Wir haben es dann 2016 bei freiem Eintritt alleine veranstaltet, und so wird es auch 2018 wieder sein. Das geht nur dank des Sponsors Deutsche Bank.
Ein anderes Projekt war die Vision eines Zusatzgebäudes auf der Ostspitze des Grundstücks, in dem Probenräume, der Shop, die Vorverkaufskasse und ein Restaurant untergebracht werden sollen. Wenn ich aus Ihrem Fenster Richtung Potsdamer Platz blicke, sehe ich jetzt aber nur eine Fußgängerzone. Das frustriert, oder?
In der Tat war ich zunächst gegen die landschaftsgärtnerische Umgestaltung des Parkplatzes. Inzwischen sehe ich das anders. Die neue Grünfläche ist sehr gelungen und wird gut angenommen. Zudem wird die Philharmonie, wenn Sie vom Osten kommen, ganz anders sichtbar. Der Ergänzungsbau, den ich mir gewünscht hätte, ließ sich leider nicht finanzieren, trotz meiner intensiven Bemühungen um Architekten und Sponsoren.
Als Nächstes soll die Scharounstraße verschwinden, damit zwischen der Philharmonie und dem Neubau des Museums des 20. Jahrhunderts ein Stadtplatz entstehen kann. Wie stehen Sie dazu?
Dass man dort einen Platz anlegt, ist sinnvoll. Ich glaube auch, dass die Gebäude sich gut ergänzen werden. Ich war Gast in der Jury beim Gestaltungswettbewerb. Man informiert uns, direkt in die Entscheidung waren wir nicht eingebunden, denn wir hatten kein Stimmrecht.
Ein Problem, das Sie Ihrer Nachfolgerin Andrea Zietschmann hinterlassen, sind die fehlenden Tagesöffnungszeiten.
Ich habe das nie so empfunden, dass wir permanent unser Foyer öffnen müssten. Wir sind kein Museum, sondern ein Konzerthaus. Hier muss ungestört geprobt werden können. Zudem gibt es mit den Lunchkonzerten und den Führungen auch gute Gelegenheiten, das Haus tagsüber zu entdecken.
Intendant der Philharmoniker, das ist eigentlich ein Job, mit dem man seine Karriere krönt. Sie sind aber zu jung, um in Rente zu gehen. Was steht als Nächstes an?
Jedenfalls etwas, was ich mit großer Freude tun werde ...
Beim Rennen um die Intendanz des Deutschlandradios waren Sie immerhin in der Endrunde. Kann es sein, dass Sie sich ganz aus der Klassik verabschieden?
Kann sein. Vielleicht aber auch nicht …