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Charakterkopp. Der Schauspieler Charly Hübner.
© Gunnar Geller

Zu Gast beim Theatertreffen: Charly Hübner: Meer der guten Absichten

Charly Hübner checkt beim Berliner Theatertreffen in das „Schiff der Träume“ ein - als kauziger Komponist aus Hamburg.

Charly Hübner hat einen Tag drehfrei. In der Verfilmung von Sven Regeners Roman „Magical Mystery“ spielt er den Ex-Junkie Karl Schmidt. Jetzt sitzt er in einem Hamburger Restaurant und blickt auf den Hafen. Untergangsfantasien? Nein, die hat er nicht. „Das vorauseilende Sich-Sorgen habe ich mir abgewöhnt“, sagt er und strahlt die Ruhe eines Buddha aus. Zugleich sitzt ihm der Schalk im Nacken. In dem Lokal hat er sich seine ersten Notizen zu der Figur des Sascha Bukow gemacht. Als rauhbeiniger Ermittler in dem Rostocker „Polizeiruf 110“ kennt ihn ein Millionenpublikum. Hübner ist aber auch ein gefeierter Theaterdarsteller. Den Spagat bekommt er gut hin. Beim Theatertreffen kann man ihn nun in „Schiff der Träume“ erleben: Er gehört zu der dekadenten Künstlerschar, die zu einer Seebestattung aufbricht. Als Zopfträger Karsten Schröder schwingt er sich zum neuen Maestro auf – und bestreut sich in einer Slapsticknummer mit der Asche des verstorbenen Dirigenten. Hübner liebt es ja, „fette Figuren“ zu gestalten. Doch es hat ihm auch Spaß gemacht, den eitlen Kunstbetrieb auf die Schippe zu nehmen. „Das ist ja kein Abend für Charakterstudien, sondern eine Skizze. Die Figuren sind ausgehöhlt, weil sie sich nur noch auf ihre Rituale verlassen.“

Eine Liebe zum Slapstick - und fetten Figuren

In Karin Beiers Übermalung von Fellinis Filmklassiker nimmt der Luxusdampfer schiffbrüchige Flüchtlinge auf - die bald das Oberdeck entern. Auf der Bühne stehen hier aber keine Refugees, sondern schwarze Performer, die zum Teil aus der Theaterfamilie Gintersdorfer/Klaßen stammen. Doch die Frage, wie man sich als Künstler für Geflüchtete einsetzen kann, bestimmte auch die Probenzeit. Hübner erinnert sich an die aufgeheizte Stimmung, als sich am Hamburger Bahnhof Anhänger der AfD und der schwarze Block der Autonomen gegenüberstanden: „Da kommst du als syrischer Flüchtling an in Hamburg und denkst: Alles ist gut. Und dann stehen links von Dir lauter Vermummte, die aussehen wie der IS. Auf der anderen Seite reich bekleidete Menschen, die die anderen anschreien.“ Karin Beier hat dann entschieden, hundert Geflüchtete erst Mal im Schauspielhaus unterzubringen. „Auf einmal ist das echte Leben im Theater drin“, so Hübner. Dass sie sich angreifbar machen mit dem Abend, war allen Beteiligten klar. „Deswegen ist es um so schöner, mit so einem streitbaren Abend nach Berlin zu fahren“, findet er.

Wucht und Witz - und zu jeder Rolle die passende Sportart

Dem Theater wäre er fast mal verloren gegangen. Vor fast 15 Jahren, er spielte damals im Frankfurter Theater am Turm, hatte er eine Sinnkrise. „Ich war einfach überspielt“, erzählt er. „Ich hatte in sechs Jahren 39 Stücke gemacht. Irgendwann hatte ich keine Freude mehr an den Tops und Flops, die wir hinlegten.“ Es war die Zeit nach den Anschlägen auf das World Trade Center. Sein Sich-Aufreiben an den Texten stand in keinem Verhältnis zu dem, was die Leute wirklich bewegte - so kam es Hübner damals vor. Er verordnete sich Theaterabstinenz und machte erst mal Fernsehen. Bis er Jürgen Gosch begegnete. „Gosch war damals der einzige Grund", entgegnet er auf die Frage, warum er dem Theater die Treue gehalten hat. Der verstorbene Regisseur appellierte an die Eigenverantwortlichkeit des Schauspielers – was bei Hübner auf fruchtbaren Boden fiel.
Charly Hübner ist mit seinen 1,92 Meter ein überragender Darsteller. Er spielt mit vollem Körpereinsatz, drückt den Figuren seinen Stempel auf. Und hat bei aller Wucht eine schöne Leichtigkeit. Wie er die Extreme verbindet, ist famos. Für das Ruhrpottdrama „Junges Licht“, das im Mai in die Kinos kommt, hat er Kohle gekloppt. Mit Boxen stimmt er sich auf die Rolle des Bukow ein. Jetzt, wo er den Karl Schmidt spielt, vermeidet er jeden Sport. Das hat durchaus Methode, wie er „Horizonte schafft“ für seine Figuren. Aber auch „Massive Acting“ ist ein Begriff, der ihm gefällt. „Der fiel mal am Set von „Ladykracher“, grinst er. Mit Selbstfindung hat Charly Hübner nicht viel am Hut. „Das Tolle an der Schauspielerei ist: Du bist wichtig als ein Instrument, aber Du musst nicht immer sagen, wer Du bist.“

Premiere 6.5., 19.30 Uhr. Weitere Aufführung am 7.5., 19.30 Uhr im Haus der Berliner Festspiele

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