Neulinge beim Berliner Theatertreffen: Kunst der Konflikte
Ein erster Blick aufs Programm des 53. Theatertreffens erhellt: Da mischen sich die Stile, Formen, das Große und das Kleinere, Pop und Politik. Und drei Mal ist Berlin immerhin vertreten.
Die Zahlen sind stets beeindruckend, zeigen sie doch die unfassbare Kondition der Jury, aber auch die sich immer wieder erneuernde Vielfalt der deutschsprachigen Theaterlandschaft. 394 Inszenierungen in 59 Städten haben die aufrechten sieben Kritikerjuroren im vergangenen Jahr gesichtet, um 38 Inszenierungen eingehend zu diskutieren und schließlich die zehn bemerkenswerten auszuwählen, die in Berlin zu sehen sein werden beim 53. Theatertreffen vom 6. bis 22 Mai 2016.
Es wird ein Debütantenball mit vielen jungen Namen und einigen älteren Bekannten. Die üblichen Verdächtigen verhaften – so funktioniert das Theatertreffen schon länger nicht mehr. Und ein erster Blick aufs Programm erhellt: Da mischen sich die Stile, Formen, das Große und das Kleinere, Pop und Politik.
Drei Mal Berlin, immerhin. Vom Deutschen Theater ist Daniela Löffners Inszenierung „Väter und Söhne“ eingeladen, vom Maxim Gorki Theater Yael Ronens „The Situation“ und von der Volksbühne Herbert Fritschs „der die mann“. Fantastisches, fieses Entertainment, tolles Schauspielertheater, aktuelle Konflikte. Und das setzt sich in der Auswahl fort, die zwei Mal das Hamburger Schauspielhaus dabei hat, mit einer gesampelten „Effi Briest“ und einem „Schiff der Träume“ in der Regie der Intendantin Karin Beier, die sich hier mit Europa und den Flüchtlingen beschäftigt. Zwei Mal auch Ibsen, wie es unterschiedlicher nicht sein könnte: Aus Zürich kommt Stefan Puchers „Volksfeind“, radikal in die Mediengegenwart geholt, und aus Wien, vom Burgtheater (in einer Koproduktion mit den Wiener Festwochen und dem Theater Basel) „John Gabriel Borkman“ mit Martin Wuttke, in der Regie von Simon Stone, der seine Schauspieler in extreme Situationen treibt.
Matthias Lilienthal und seine Münchner Kammerspiele haben es auch gleich im ersten Jahr geschafft. Sie sind mit „Mittelreich“ eingeladen, einem Abend von Anna-Sophie Mahler nach dem Roman von Sepp Bierbichler. Und dann die beiden Überraschungen, Neulinge in jedem Fall. Die Berliner Dokumentartheater-Regisseure Hans-Werner Kroesinger und Regina Dura haben am Staatstheater Karlsruhe recherchiert, wie dort die Machtübernahme der Nationalsozialisten ablief, wie Künstler vertrieben wurden per Unrecht und Gesetz. „Stolpersteine Staatstheater“ heißt ihre Produktion, die eine durchaus exemplarische Geschichte erzählt. Am Staatstheater Kassel wiederum hat die Jury eine andere Art von Horrorstück entdeckt und für Berlin nominiert: „Tyrannis“ von Ersan Mondtag, ein Gruselkabinett zwischen David Lynch und Grimms Märchen.
Der Spielplan für das 53. Theatertreffen wird am 8. April veröffentlicht, der Vorverkauf beginnt am 16. April um 10 Uhr. Zum Programm gehören auch wieder der Berliner Theaterpreis, der Alfred-Kerr-Darstellerpreis, der Stückemarkt und das Internationale Forum. Jetzt aber übernehmen erst einmal die Filmfestspiele die Räume, die Podien, den Kulturkalender.