Stockholm: Literaturnobelpreis geht an Kazuo Ishiguro
Der britische Schriftsteller Kazuo Ishiguro gewinnt den Nobelpreis für Literatur. Er ist bekannt für Romane wie "Was vom Tage übrigblieb" und "Alles, was wir geben mussten".
Der Literaturnobelpreis geht in diesem Jahr an den britischen Schriftsteller Kazuo Ishiguro. Das verkündete die Jury in Stockholm. Erstmals wurde die Bekanntgabe in mehreren Sprachen verlesen. Zur Begründung hieß es, Ishiguro lege in seinen Romanen, die von großer emotionaler Kraft geprägt seien, "den Abgrund unserer vermeintlichen Verbundenheit mit der Welt" bloß. Jurychefin Sara Danius beschrieb Ishiguro als „eine Kreuzung aus Jane Austen und Franz Kafka“, einen sehr authentischen Schriftsteller, der seine eigene Ästhetik entwickelt habe.
Der 1954 im japanischen Nagasaki geborenen Autor, der seit seinem fünften Lebensjahr in Großbritannien lebt, verarbeitete in seinen frühen Werken zunächst die Kriegserfahrungen seines Herkunftslandes. Einen Namen machte sich der Autor vor allem mit seiner subtilen, scheinbar leichtfüßigen Erzählweise, mit der er menschliche Tragödien schildert.
Zu seinen bekanntesten Werken gehört der Roman "Was vom Tage übrigblieb", für den Ishiguro 1989 den Booker-Preis erhielt und den James Ivory 1993 verfilmte, mit Emma Thompson und Anthony Hopkins in der Hauptrolle. Auch seine Dystopie "Alles, was wir geben mussten" von 2005 wurde verfilmt. Die anrührende Geschichte über ein Internat, dessen geklonte Schüler in Harmonie aufwuchsen, um dann als Organspender zu dienen, adaptierte Mark Romanek für die Leinwand, unter anderem mit Carey Mulligan und Keira Knightley. Auf Deutsch erscheinen seine Bücher derzeit im Verlag Karl Blessing. Zuletzt kam 2015 "Der begrabene Riese" heraus, ein im 5. Jahrhundert in Britannien angesiedelter Reiseroman. Ishiguro lebt mit seiner Familie in London.
Rückkehr zur klassischen Belletristik nach Dylan
Die diesjährige Entscheidung lässt sich als Votum für die eher klassische Belletristik werten, nachdem 2016 überraschend der Musiker Bob Dylan die prestigeträchtige Auszeichnung erhalten hatte. Dylan ließ zwei Wochen lang offen, ob er den Preis annehmen werde, kam nicht zur Verleihung im Dezember und holte ihn erst im Frühjahr in Stockholm ab.
Der Nobelpreis ist mit neun Millionen schwedischen Kronen (rund 940.000 Euro) dotiert und wird traditionell im Oktober verkündet, aber erst am 10. Dezember, dem Todestag Alfred Nobels, verliehen.
Ishiguro gehörte nicht zu den Favoriten
Einen klaren Favoriten gab es in diesem Jahr nicht. Hoch im Kurs standen beim britischen Wettanbieter Ladbrokes zuletzt der Kenianer Ngugi Wa Thiong'o, der Japaner Haruki Murakami, die Kanadierin Margaret Atwood und der koreanische Dichter und Schriftsteller Ko Un. Sie werden seit Jahren immer wieder gehandelt - und gingen bisher immer leer aus. Deutschsprachige Schriftsteller rangieren bei den Wettbüros dagegen nicht auf vorderen Plätzen. Bislang ist der Nobelpreis für Literatur dreizehn Mal in den deutschsprachigen Raum gegangen, zuletzt 2009 an Herta Müller.
In den vergangenen Tagen hatten Jurys in der schwedischen Hauptstadt schon Preisträger in Medizin, Physik und Chemie gekürt. In Oslo wird am Freitag der Friedensnobelpreisträger präsentiert. (Tsp/dpa)