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Bob, der Baumeister. Der Literaturnobelpreisträger Dylan in seinem Atelier im kalifornischen Malibu.
©  John Shearer

Literaturnobelpreis: Warum Bob Dylan Eisenschrott schmiedet

Am Samstag erhält Bob Dylan in Stockholm den Literaturnobelpreis, in Abwesenheit. Lieber schmiedet er Verse und Eisenschrott. Eine Spurensuche.

„Was ist schon Geld?“, soll der junge Bob Dylan in seiner Anfangszeit als Verseschmied einmal gesagt haben. „Ein Mann ist erfolgreich, wenn er morgens aufsteht und abends ins Bett geht und dazwischen macht, was er machen möchte.“ Und so hält er es seit Jahrzehnten, längst schwerreich.

Bob Dylan lebt im Hier und Jetzt, nicht in der Vergangenheit, nicht in der Zukunft. Mit Erwartungen kann man ihm nicht kommen – der 75-Jährige weiß ja nicht, was und wer ihn erwartet. Gerade an diesem Samstag. Den mit 819.000 Euro dotierten Literaturnobelpreis wird er in Stockholm nicht persönlich entgegennehmen. Eine Dankesrede hat er trotzdem vorbereitet, Patti Smith soll sie vortragen, beim abendlichen Nobel-Bankett. Dort wäre er allerdings wohl so deplatziert wie König Carl XVI. Gustaf von Schweden in Dylans Werk- und Heimstatt im kalifornischen Malibu bei Los Angeles.

Man muss sich das Atelier des bildenden Künstlers Dylan als einen Ort vorstellen, an dem ein geordnetes Durcheinander herrscht. Wie in seinen Songs. Nur sammelt und sampelt er hier nicht Wörter, Rhythmen, Melodien, Sounds und Bücher, sondern versammelt Werkzeuge, Radfelgen, Motorenteile, Schrauben und ganze Batterien von Altmetall.

Gemeinsames Kennzeichen: alles kaputt. Wie die Karriere in den Achtzigern. Er habe damals die Tür zu sich abgeschlossen, berichtet er über diese Phase, um die der Song Everything is broken (1989) kreist: Broken bottles, broken plates, Broken switches, broken gates. Es gehe um Mechanisches, schreibt Dylan 2004 in seinen Erinnerungen: „Alles ist kaputt oder sieht zumindest so aus, angeschlagen, gesprungen, reparaturbedürftig.“

2007: Die erste Ausstellung mit Aquarellen von Bob Dylan in Deutschland

Er stand neben sich, erkannte die eigenen Stücke nicht wieder. Intuition, Inspiration, Instinkt hatten ihn verlassen. So zog er sich – sagt er selber – ins Atelier zurück: „Es ist nicht nur ein Atelier. Es beherbergt auch ein Lichtbogenschweißgerät, und ich hatte in dem scheunenartigen Raum schon verschnörkelte Eisentore aus Altmetall hergestellt. Der nackte Zementboden ist teilweise mit Linoleum ausgelegt. Es gibt einen Tisch und ein Fenster mit heruntergelassener Jalousie.“

Dass Dylan neben seinem Singer- Songwritertum und den Auftritten als „Columbia recording artist“ auch malt und zeichnet, ist spätestens seit 2007 einem größeren Publikum bekannt. Dies ist der Kunsthistorikerin und Generaldirektorin Ingrid Mössinger zu verdanken. In den Kunstsammlungen Chemnitz zeigte sie 2007 mit „The Drawn Blank Series“ die weltweit erste Ausstellung mit 140 Aquarellen und Gouachen des enigmatischen Barden. Von Dylan als „Columbia welding artist“ war zu diesem Zeitpunkt allerdings noch nicht die Rede. Erst die Ausstellung „Mood swings“ in der Londoner Halcyon Gallery stellte 2013 die andere Seite seines Schaffensdrangs aus: Skulpturen macht er also auch noch.

Es sind vor allem aus Metallschrott gefertigte Tore. Bill Clinton besitzt eines, auch Paul Simon. „Tore gefallen mir wegen des negativen Raums, den sie gewähren lassen“, sagte Dylan damals in London. „Sie können geschlossen sein, aber gleichzeitig erlauben sie den Jahreszeiten und Brisen, einzutreten und zu fließen. Sie können dich ausschließen oder einschließen. In gewisser Weise macht das aber keinen Unterschied.“

Ist das nun Kunst oder sollte das als Hobby aus dem Gesamtwerk weggeschmunzelt werden?

Die Berliner Akademie der Künste gibt sich wortkarg

Vorbild Chaplin. „Modern Times“ heißt ein Dylan-Album von 2006.
Vorbild Chaplin. „Modern Times“ heißt ein Dylan-Album von 2006.
© Imago

Wer sich in Berlin – oder in Chemnitz – um eine Einordnung des zusammengeschweißten Schwerguts bemüht, stößt nicht auf offene Türen. Gerd Harry „Judy“ Lybke, der mit seiner Galerie Eigen + Art zu den führenden Händlern zeitgenössischer Malerei in Deutschland gehört, möchte zur Schmiede- und Metallschinderei von Mr. Dylan nichts sagen – lässt er ausrichten. Die Zeichnungen und Bilder werden inzwischen hoch gehandelt. Da muss man als Galerist vorsichtig sein.

Deutlicher wird Eugen Blume, der sich auf Anfrage als Verehrer Dylans bekennt. Doch als Kunsthistoriker und Ex-Leiter des Hamburger Bahnhofs sagt er: „Sein bildkünstlerisches Werk schätze ich nicht besonders und will mich dazu nicht äußern.“  Und Ingrid Mössinger, die sich mit Dylans bildkünstlerischem Werk in Deutschland beschäftigt haben dürfte wie keine Zweite? Lässt ihr Vorzimmer sprechen: „In den Kunstsammlungen Chemnitz waren bisher keine Skulpturen von Bob Dylan ausgestellt. Deshalb kann Frau Mössinger nichts zu diesem Thema sagen.“ Immerhin überlässt Dylans Manager Jeff Rosen dem Tagesspiegel bereitwillig die Fotos, auf denen der Literaturnobelpreisträger vor grellen Lichtbögen erscheint, mit Sonnenbrille, Weißkittel und Schweißerhandschuhen.

Die Berliner Akademie der Künste, die den Performer Bob Dylan 2013 als neues Mitglied in ihre Abteilung Film- und Medienkunst aufnahm, gibt sich wortkarg und kryptisch wie der scheue Künstler selbst. Man könne nicht erwarten, dass Mitglieder der Akademie eine Einschätzung über Dylans bildnerisches Werk abgeben,  „das sind ja alles Kollegen“. Besondere Ehrungen zum Nobelpreis seien nicht geplant. Immerhin habe die Akademie-Präsidentin Jeanine Meerapfel Dylan nach der Bekanntgabe beglückwünscht und als „großen Dichter der Gegenwart, Musiker, Sänger, Autor, Zeichner und Filmemacher“ gewürdigt. Das muss reichen. Aber ist es nicht etwas Besonderes, wenn ein Akademiemitglied einen Nobelpreis bekommt? „Eigentlich nicht,“ sagt die Pressereferentin, „Herta Müller hat ihn ja auch bekommen“.

Dylan will ewige Werte schaffen. Populärkultur landet schnell im Grab

Bleibt als „Rock’n’Roller“ unter den Galeristen Egbert Baqué, der den Meister noch bis 23. Dezember mit einer Ausstellung in Berlin feiert. Bereits 2009 war in der Fasanenstraße eine Ausstellung Baqués zum Gesamtkunstwerk Bob Dylan zu sehen. „Bobs Room“ versammelt Werke von Pia Arnström, Walter Bortolossi, Philippe Huart, Ivar Kaasik, Wolfgang Neumann, Uwe Schäfer. Dylans Werke seien „sehr respektabel“, sagt Baqué.

Als Galerist erscheine ihm das aktuelle zeichnerische Werk aber seltsam konservativ. Seltsam, weil die frühe Dichtkunst Dylans ja avantgardistisch war. Dazu gehört sicher auch der Song Subterranean Homesick Blues und das dazugehörige Video, in dem er einzelne Wörter auf Papptafeln in die Kamera hält.

Davon sind Dylans Tore ein gutes Stück entfernt. Ihren Ornamenten mit gelegentlich eingeschweißten Notenschlüsseln und Gitarrensilhouetten haften Momente kitschiger Americana an. Aktuellen Kunstgeschmack bedienen sie nicht. Die eingearbeiteten Räder, Kneifzangen und Schraubenschlüssel erinnern weniger an die beweglichen Maschinenskulpturen von Jean Tinguely. Eher an einen Film von Charlie Chaplin, den Dylan sehr verehrt.

Sein 32. Studioalbum dürfte nicht zufällig  „Modern Times“ (2006) heißen. Was für die Songs gilt, strebt Dylan auch fürs bildnerische Schaffen an: Es geht um ewige Werte. Der Los Angeles Times sagte er 2004: „Die Populärkultur endet sehr rasch. Sie landet im Grab. Ich wollte etwas tun, was an die Seite der Malerei Rembrandts gehört.“

Ob er dieses Ziel mit seinen Toren und ornamentalen Bildern erreicht? Der Musiker wird sich vielleicht mit der Zeit, die ihm bleibt, noch steigern. Offen für Interpretationen sind die Tore der enzyklopädischen Kunstfigur Bob Dylan heute allemal. Verkaufen würde Baqué sie in seiner Galerie indes nur unter dem Label Bob Dylan. „Böte mir jemand, den ich nicht kenne, so etwas an, würde ich sagen: Nein, danke!“

So zeigen die Eisentore keine neue Stilrichtung der zeitgenössischen Skulptur, nicht einmal eine Spielart. Vielmehr verweisen sie zurück, auf die Ursprünge Dylans in Duluth, der Kleinstadt im Eisenerzgebiet von Minnesota. „Ich wurde in einer Eisenerzgegend geboren und wuchs dort auf, wo man das Eisen jeden Tag roch und atmete.

Ich habe damit immer gearbeitet, auf die eine oder andere Art und Weise.“ Dylans Ausflüge ins Heavy-Metal-Reich sind immer auch Erlebnisreisen in die Kindheit. Wer so geerdet ist, kann sich andernorts in aller Seelenruhe feiern lassen. In Abwesenheit.

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