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Quartett-Moderator Volker Weidermann (re.) mit Maxim Biller und Christine Westermann.
© picture alliance / dpa

Literarisches Quartett: Lieber schauen als kaufen

Die Einschaltquoten für das neue Literarische Quartett sind in Ordnung - doch Bestseller zu kreieren, damit haben Weidermann, Westermann und Co noch Probleme.

Es läuft jetzt, das neue Literarische Quartett, und wie das im medialen Betrieb so ist: Die ganze Aufregung hat sich wieder gelegt. Was sich auch an den Einschaltquoten ablesen lässt. Schauten bei der Premiere knapp über eine Million Menschen zu, waren es bei der zweiten Sendung Anfang November bloß noch 760 000 Zuschauer, so viele, wie zuletzt auch Wolfgang Herles mit seinem Blauen Sofa hatte. Allerdings hat Herles im Literaturbetrieb nie die Debatten ausgelöst, die nach der Erstsendung dieses Literarischen Quartetts geführt wurden, und zwar nicht nur auf Zeitungsseiten und in Radiofeatures, sondern auch in den Hallen der Frankfurter Buchmesse oder am Rande anderer literarischer Events. Weidermann, Westermann und Co waren Top-Thema, und neben Lob und Schelte (und dem peinlichen Trojanow-Ich-schaue-wie-mein-Buch-kritisiert-wird-Text in der „FAS“) gab es immer noch irgendetwas, was irgendjemand aufgefallen war. 

Lahme und Shalev standen schon vorher in den Bestsellerlisten

Zum Beispiel, dass die Bücherauswahl seltsam ist, etwas erratisch, sie nicht wirklich „rockt“ (doch können Bücher rocken?). Oder dass es besser wäre, die Diskutanten würden ihre jeweiligen Bücher nicht selbst aussuchen – dann hätte Juli Zeh nicht den Roman von Ilija Trojanow (mit dem zusammen sie ja schon Bücher verfasst hat) mitbringen können oder Ursula März den ihrer Journalistenkollegin Verena Lueken. Was wiederum dem Zuschauer egal sein kann, zumal die Bücher einerseits, wie das von Trojanow, ziemlich gerupft wurden oder im Fall von Lueken einhellig Zustimmung fanden.

Nun mag sich die Sendung quotentechnisch in Bereichen einpendeln, die Kultursendungen im Öffentlich-Rechtlichen nun einmal vorbehalten sind, gerade bei den Uhrzeiten. Anderseits: eine Dreiviertel Million Zuschauer ist ja eine Menge, das müssten Leser und auch Buchkäufer sein. Wenn sich nur ein Zehntel auf ein Buch aus der Sendung einigen würde, hätte der jeweilige Verlag einen veritablen Bestseller. Dem war aber bisher nicht so – anders als früher, anders als das Reich-Ranicki-Quartett oder als Elke Heidenreich vermag es das Weidermann-Quartett nicht, Bestseller zu lancieren. Tilmann Lahmes Mann-Buch stand schon vorher in den Bestsellerlisten, Zeruya Shalevs Roman auch, und im Fall von Karl Ove Knausgårds „Träumen“ gelang auch keine Hype-Unterfütterung.

Wer will sich schon von Maxim Biller einen Bären aufbinden lassen?

Keiner der fünf anderen Titel jedoch schaffte es in die Top 50, selbst Verena Lueken nicht. Woran es liegt? Doch an der Auswahl? An der Streitkultur dieses Quartetts, die trotz des offensichtlichen Bemühens um klare Kanten immer noch zu differenziert ist? Daran, dass selbst die Zuschauer dieser Sendung lieber auf Nummer sicher gehen und sich ihre Fitzeks, Leons und Allendes kaufen, weil sie da wissen, woran sie sind? Oder umgekehrt: Weil sich kein Literaturkenner von dem Schriftsteller Maxim Biller einen Bären aufbinden lassen will?

Nächste Woche folgt der dritte Teil. Kaum vorstellbar ist es bei den ausgewählten Büchern, dass sich dieses Mal bestsellertechnisch was tut: Jane Gardams „Ein untadeliger Mann“, okay, eine Entdeckung, erschien vor 11 Jahren in England; Durs Grünbeins autobiografisches Buch „Die Tage im Zoo“, top-aktuell, Martin Amis’ Holocaust-Roman „Interessengebiet“, der hier sehr spät kommt und bei der Kritik durchgefallen ist. Und schließlich Bov Bjergs toller Roman übers Erwachsenwerden in den achtziger Jahren, „Auerhaus“, der zumindest das Potential hat ein sogenannter Longseller zu werden – mit oder ohne Quartett.

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