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„Spiegel“-Literaturchef Volker Weidermann (re.), Christine Westermann und Kolumnist Maxim Biller sind die neue Stammbesetzung vom „Literarischen Quartett“.
© picture alliance / dpa

Das neue "Literarische Quartett": Ein letzter Gag von Hellmuth Karasek

Froh, traurig, aufgeregt: Das neue „Literarische Quartett“ mit Moderator Volker Weidermann debütierte im Berliner Ensemble - und Freitag im ZDF.

Ach wie gut, dass es jetzt endlich losgeht, so richtig und live und mit Büchern, nach den vielen medialen Vorankündigungen und dem ganzen Literarische-Quartett-Reloaded-Werbemarathon – gerade der dreiköpfigen Stammbesetzung, Volker Weidermann, Maxim Biller und Christine Westermann, merkt man an, wie froh sie einerseits ist, wie aufgeregt aber auch andererseits, so unmittelbar vor dem Start an diesem Mittwochmittag im Berliner Ensemble, als die Premieresendung des „Literarischen Quartetts“ im Spiegelsaal des Theaters gewissermaßen live aufgezeichnet wird und dann genauso ungeschnitten am Freitagabend über den Sender gehen wird.

Nur der Start, der kann da nochmal abgebrochen werden, und so gibt es gleich zwei Fehlstarts, einmal weil Weidermann zu früh ins Begrüßungsklatschen redet, der zweite wegen eines technischen Problems. Was Biller zu dem Ausruf verleitet: „Ich kann keines der Bücher mehr gut finden. Ich bin schon so geladen!“ Und was ihn das Angebot machen lässt, die sowjetische Nationalhymne zu singen; ein paar leidlich gute Zeilen gibt er tatsächlich zum Besten.

Beim dritten Mal klappt es, und natürlich beginnt Weidermann als Gastgeber die Sendung mit einem kleinen Nachruf auf den just zu dieser Premiere in der Nacht zuvor verstorbenen Journalisten, Buchautor und Kritiker Hellmuth Karasek; auf diesen „großen Bücherkämpfer“ (so Weidermann), der in den 13 Jahren des ersten „Literarischen Quartetts“ von 1988 bis 2001 stets an der Seite von Marcel Reich-Ranicki und Sigrid Löffler gesessen und dieser Sendung ihren unverwechselbaren Ausdruck und ihre einzigartige Stimmung mitgegeben hatte.

Klar, dass da an diesem Mittwoch noch einmal viel die Rede von den Vorgängern ist. In einem nur für das Premierenpublikum geführten Dialog zwischen Weidermann und Westermann vor der eigentlichen Live-Sendung erinnert Westermann daran, dass Weidermann sich nach den zahlreichen Interviews, die er hatte führen müssen, einen neuen Vornamen gab, „Groß“ , und einen neuen Nachnamen, „Schuh“. Und Weidermann betont: „Wir bemühen uns, den Geist der Männer und Frauen dieses ersten ,Literarischen Quartetts’ in die Gegenwart zu übertragen.“ Maxim Biller meint schließlich noch sagen zu müssen, und zwar schon live, dass Karaseks Tod zu diesem Zeitpunkt „sein letzter Gag“ gewesen sei, „weil er diese Sendung nicht mehr sehen wollte“.

Doch dann ist gut, dann geht’s los, genau wie damals, nur kürzer, eine Dreiviertelstunde lang: vier Romane, Chigozie Obiomas „Der dunkle Fluss“, Ilija Trojanows „Macht und Widerstand“, Karl Ove Knausgårds „Träumen“ und Péter Gárdos’ „Fieber am Morgen“, vier Kritiker und Kritikerinnen (Juli Zeh ist erste Gastkritikerin), viele Meinungen – und sonst nichts: keine Einspieler, kein Bücher-in-die-Kamera-halten etc.

Von „Drahtesel“ bis „milchig-weißes Sekret“

Reden über Bücher und Literatur – schön zu verfolgen ist, wie die Vier sich Mühe geben, Kante zu zeigen, auszuteilen. Ja, wie sie der von Biller gleich zu Beginn so gescholtenen „Hölle der deutschen Literaturkritik“ immer mal wieder entfleuchen wollen, ohne zumindest ansatzweise Literaturkritisches vermissen zu lassen. Also geißelt Westermann sofort die schlechte Übersetzung des Obioma-Romans, dessen viele ungelenken Sprachbilder von „Drahtesel“ bis „milchig-weißes Sekret“; also dekretiert Biller, dass Ilija Trojanow „kein Schriftsteller“ sei und die Lektüre von dessen Roman an die „Folter in einem Staatssicherheitsknast“ erinnere (die Biller freilich nur vom Hörensagen kennen kann).

Und also vergleicht Westermann Knausgårds Roman „Träumen“ mit „breitgetretenem Quark, der breiter getreten wird“ und echauffiert sich über die vielen Teebeutel und die vielen Zigaretten, die hier ohne Unterlass in Kannen getaucht und geraucht werden. Es ist halt oberster Fernsehauftrag, zu unterhalten, nicht abzuwägen. So wie sich das im Berliner Ensemble darstellt, machen Biller (der Provokateur), Westermann (die passionierte Leserin mit dem gesunden Menschenverstand, die laut Biller zu sehr „aufs Detail schaut, nie aufs große Ganze“, schau an, schau an) und Weidermann (der Ausgleichende, aber auch mal hart Urteilende) ihre Sache ordentlich bis gut. Schön ist, wie Juli Zeh Weidermann einmal besänftigend aufs Knie klopft, schön ist ihr leuchtend grünes Outfit (gerade im Vergleich zum leuchtenden Blau von Weidermanns Anzug und dem bösen Schwarz von Billers Jacket), schön ist, wie der kritische Miserabilismus hier keine Chance bekommt.

Und schön ist schließlich, wie Weidermann am Ende die Bewertungen der Bücher in Form von Fußballergebnissen auf den Punkt bringt: 1:3, 2:2, 3:1, 2:2. Ist halt 2015, nicht 1988. So wie der Fußball ja immer wichtiger wird, vergrößert sich mit diesem Quartett vielleicht auch wieder der Resonanzraum für Literatur.

Das Comeback des "Literarischen Quartetts" wird ausgestrahlt am Freitag, ZDF, 23 Uhr

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