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Gemeinsam mit Sebastian Behmann schuf der Künstler Olafur Eliasson im dänischen Vejle das „Fjordenhus“.
© Anders Sune Berg

Der Künstler Olafur Eliasson baut: Licht und Stein

Olafur Eliasson schenkt der dänischen Hafenstadt Vejle ein architektonisches Wahrzeichen.

Wie eine Renaissance-Wunderkammer, vollgestopft mit Bildern, Modellen, Artefakten, Materialproben mutet das Studio des dänischen Künstlers Olafur Eliasson auf dem Pfefferberg in Berlin an. In der 1907 erbauten Flaschenabfüllerei, einem viergeschossigen Backsteinbau nach Art eines florentinischen Palazzos, arbeiten 120 Mitarbeiter, Künstler, Architekten, Handwerker und Medienspezialisten, erforschen geometrische Objekte, Farb- und Lichteffekte, produzieren die Kunstwerke und erarbeiten Baupläne, Ausstellungen, Medienpräsenz und Bücher.

Wenig überraschend, dass es den Universalkünstler auch reizt, sich mit Architektur zu beschäftigen, da er sich mit geometrischen Strukturen und deren Erscheinung auseinandersetzt und häufig im Kunst am Bau-Bereich unterwegs ist. Zur Planung und Abwicklung von Bauaufgaben hatte Eliasson 2014 gemeinsam mit seinem langjährigen Architektenpartner Sebastian Behmann eine eigene Firma gegründet, Studio Other Spaces, die den Part des klassischen Architekturbüros übernahm. Nun ist der erste Bau aus dieser Konstellation entstanden, und es ist ein bemerkenswertes Baukunstwerk geworden.

Die dänische Küste unterliegt einem Strukturwandel

Die dänische Hafenstadt Vejle an der Ostküste Jütlands ist Sitz des Investmentunternehmens Kirk Kapital, einer Familienstiftung des LEGO-Imperiums, das in Immobilien investiert, zum Beispiel am Hafen von Vejle. Der Auftrag für Eliasson, für Kirk Kapital ein Verwaltungsgebäude zu errichten, kam über persönliche Kontakte zum Bauherrn zustande. Wie in vielen Küstenstädten ist das Hafenareal einem radikalen Wandel unterworfen und wird in ein privilegiertes Wohngebiet konvertiert. Landaufschüttungen schufen Platz für ein neues Stadtquartier, Wohnungsbau, eine Marina, ein Freibad und einen Kanu-Club. Eliassons „Baugrundstück“ liegt im Wasser, im Hafenbecken im Vejle Fjord.

Der Neubau erhielt den Namen "Fjordenhus" und wurde zum städtebaulichen Fanal. Die Großform entstand aus geometrischen Überschneidungen von vier Zylindern und 29 von oben und unten hineingesteckten kleineren, leicht konischen Zylindern. Dadurch ergeben sich parabelförmige Ausschnitte als haushohe Fensteröffnungen. Eliasson und Behmann korrigieren das idealgeometrische System hier und da für räumliche Optimierungen, um Aus- und Einblicke zu erweitern oder technische Funktionen besser unterbringen zu können.

Das "Fjordenhus" hat keine geraden Wände

Entstanden ist eine geometrische Großskulptur, die dennoch architektonische Assoziationen weckt, von Wasserburg über Donjon und venezianischem Palazzo bis zum Hafensilo. Es ist kein hermetisch wirkendes Haus, das sich im unteren Bereich in Pfeiler auflöst. Über einen schmalen Steg schlendern Spaziergänger ins offene Erdgeschoss und schauen den Kajakfahrern des benachbarten Klubs zu, die in den Türmen herumpaddeln. Die drei Obergeschosse beherbergen ein Casino, fließende Räume für Büros und durch eindrucksvolle, gewölbte Glastüren abgeteilte Besprechungsräume und Chefbüros. Bis auf die Stühle hat Eliasson die gesamte Inneneinrichtung entworfen. Sein Stil ist zurückhaltend, fast bescheiden, doch spürt man, dass beim Bau Budgetgrenzen eine untergeordnete Rolle gespielt haben.

Die gerundeten Formen und Parabeln der Fassade und Innenwände wurden in sorgfältiger Handwerksarbeit gemauert. Keine leichte Arbeit für die Handwerker, sind doch im ganzen Haus keinerlei gerade Wände anzutreffen. Allein von den unglasierten dänischen Kohlebrandziegeln wurden 15 verschiedene Farbtöne ausgewählt und in gemischter Sortierung verbaut. Zwischengestreut auf vorher genau festgelegte Positionen kamen Sonderziegel mit farbig glasierten Längsseiten in verschiedenen Farben hinzu, im wassernahen Bereich mehr grüne Töne, zum Himmel hin mehr blaue.

Wer davon weiß, kann an einer Stelle im Erdgeschoss auf halber Höhe einen einzelnen, schwarzglänzend spiegelnden Stein sehen. Er wurde bei einem Besuch während der Bauzeit von Königin Margarethe II. gesetzt. Hier und da bleibt das Auge an „Webfehlern“ hängen. Mal sind einzelne Steine senkrecht eingesetzt, mal sind es größere rechteckige oder quadratische Formate, hier und da sogar kreisrunde Ziegelplatten. Auch diese das perfekte Erscheinungsbild störenden Unkorrektheiten sind akribisch geplant. Die farbigen Sonderziegel, die Wasserspeier, die Rund- und Quadratformate sind in der traditionsreichen Ziegelmanufaktur Glindow bei Berlin gebrannt worden, die sich auf Sonderanfertigungen spezialisiert hat und hauptsächlich Denkmalpflegeprojekte beliefert.

Stimmung zwischen Stadt und Hafen

Schwer zu sagen, was mehr beeindruckt: das Raumerlebnis mit den Ausblicken Richtung Stadt und Hafen oder die atmosphärisch wunderbar gestimmten Räume, deren Materialität und Inneneinrichtung Gediegenheit und künstlerische Subtilität ausstrahlen. Zur Wirkung kommen nur wenige Naturfarben und das Licht, das natürliche wie das durch den Lichtkünstler modulierte. Denn selbstverständlich fanden einige Kunstwerke Eliassons im Haus ihren Platz: „Der Innere Himmel“, eine lamellierte Sonnenkugel im Lichtdom des Obergeschosses, die von oben durch einen der Sonne folgenden Heliostat-Spiegel belichtet wird, oder „Fjordwirbel“, eine wie eine Windhose von der Decke herabwachsende, spiegelbesetzte Metallspirale. Hinzu kommt ein Unterwasserlicht, das geheimnisvoll heraufleuchtet.

Im Endergebnis entstand ein Gesamtkunstwerk. Die künstlerische Grundidee wurzelt im archetypischen Denken. Der Bau besitzt eine Dekorfreude, die auf Ornament verzichtet und das pure Material sprechen lässt. Das Fjordenhus ist ein Einzelfall, eine elitäre Bauaufgabe jenseits ökonomischen Renditedenkens, mag mancher kritisieren. Doch in einer Zeit, wo neue Wohngebiete und Büroquartiere als charakterlose Bauklotzansammlungen wuchern und die Stadtbaukunst zugrunde geht, müssen derlei Glanzlichter der Baukunst mit Wahrzeichenqualitäten höchst willkommen sein.

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