Lego-Fan baut Berlin nach: Die ganze Stadt ein Kinderspiel
Karneval der Kulturen gibt es auch in klein und eckig, in einem Schaufenster in Friedenau. Der Besitzer ist nämlich Lego-Fan und baut den Berliner Alltag mit bunten Bauklötzen nach.
Die Bretter, die die Welt bedeuten, haben kleine graue Noppen. Zwar ist die Bühne, die sich auf ihnen eröffnet, recht klein, vereint aber auf engem Raum doch alles, wonach die Kunst seit jeher strebt: nach Spiegelbildern der Realität und Traumbildern der Fantasie, nach Wille und Wunsch, Vision und Wirklichkeit.
Das Miniatur-Welttheater findet sich in der Hedwigstraße in Friedenau, im Schaufenster des Weinladens „Les Caves“. Dessen Betreiber ist Lego-Fan, die Kinder sind aus dem Alter raus, gibt er der Passantin bereitwillig Auskunft, also kreiert er seine Lego-Installationen ohne die Kids. Er baut aktuelle Events, den Talk of the Town, kurz: Berlin. In diesen Tagen steht der Karneval der Kulturen auf dem Programm, was sonst. Mit U-Bahnhof Südstern, Zuschauer- und Jurytribüne, wilden Maskentänzern, marschierenden Trommlern, Ordnungshütern, RBB-Bus, Bürgerbüro- und Karibikwagen samt Affen, Papageien und an der Wagenseite sich ringelnder Schlange.
Wer hat Angst vor Rot, Gelb, Blau? Stadt als Bühne, mit den Mitteln des Lego-Realismus: Zum Volksentscheid über das Flughafengelände gab’s die Tempelhofer Freiheit. In XXS, aber alles drauf: Radfahrer, Kiteskater, Picknickwiesen, Rosinenbomber, you name it. Während der Berlinale fanden auch im Weinladenfenster die Filmfestspiele statt, mit Dieter Kosslick als Legomännchen auf rotem Teppich, blondem Star (Cate Blanchett?, Nicole Kidman?) vor den Autogrammjägern, Knut Elstermanns Radio-Eins-Lounge, ZDF-Satellitenschüssel und einem Tablet als Leinwand des Berlinale-Palasts.
Ganz Berlin wird ein Kinderspiel
Im knallbunten Improtheater lauern auch Gefahren. Vor den Verführungskräften der Illusion wird gewarnt: „Diese Wagen gibt es natürlich nicht wirklich“, steht unter dem Karneval geschrieben. Zum anderen will mitten in der sichtbaren Welt das Unsichtbare bedacht sein. „Liebe Kinder, liebe Eltern, gerne bauen wir auch weiter neue ,Lego-Welten‘“, verspricht ein handgeschriebenes Schild. „Bitte achtet aber auf die Scheibe – bitte nicht mit dem Fahrradhelm gegen die Scheibe schlagen“. Auch im Gratistheater in der Hedwigstraße ist die vierte Wand eine empfindliche Angelegenheit. Kunst kommt von Bauklotz? Immer schön vorsichtig. Und ganz Berlin wird ein Kinderspiel.
Im Sommer, verrät der Legobauer zum Schluss, geht es dann an den Strand.