Gallery Weekend in Berlin: Lasst uns den Galeristen danken!
Wer sich in Berlins Galerien umschaut, der sieht zahllose Idealisten am Werk. Sie lassen sich auf ungesicherte künstlerische Positionen ein, die noch kein Museum nobilitiert hat, und stellen Werke zur Debatte. Sie laden ein zum Streit über Kunst, der immer auch ein Streit über die Wirklichkeit ist. Ein Kommentar zum Gallery Weekend.
In New York setzt mancher Galerist mehr um als alle Berliner Kunsthändler zusammen. Das sind die big player, auf puren Gewinn konzentrierte Unternehmen, die Kunst wie eine industrielle Ware behandeln. Und in Berlin? Können die Galerien von jenen 300 Millionen nur träumen, die etwa ein David Zwirner an seinen drei Standorten in den USA und London jedes Jahr einnehmen soll.
Vielleicht träumen sie aber auch andere Träume. Wer sich in Berlin umschaut, der sieht zahllose Idealisten am Werk. Sie spüren neue Orte auf und ziehen ein paar Jahre später wieder um, weil die Mieten steigen – die Galerie hat die Gegend ja schließlich aufgewertet. Sie lassen sich auf ungesicherte künstlerische Positionen ein, die noch kein Museum nobilitiert hat, und stellen Werke zur Debatte. Sie laden ein zum Streit über Kunst, der immer auch ein Streit über die Wirklichkeit ist.
Sammler, Kritiker und Galeriebesucher reden leidenschaftlich mit, gewinnen Einsichten, werden für (nicht nur) ästhetische Fragen sensibilisiert. Mitunter sehen sie einen künftigen Stern aufgehen. Weltweit etablierte Künstler wie Olafur Eliasson, Jorinde Voigt oder Anselm Reyle wurden von Berliner Galeristen entdeckt und gefördert. Was ihnen blühen kann, wenn sie nach zäher Aufbauarbeit endlich Werke verkaufen, wissen viele aus eigener Erfahrung: Dann werben die big player die Künstler für den hungrigen Markt ab.
Gekauft werden darf auch
Berlins Galeristen nehmen trotzdem keinen Eintritt. Täglich außer sonntags ermöglichen sie einen kostenlosen Zugang zur Kunst. Jeder kann kommen, gucken, Fragen stellen – nicht nur am Gallery Weekend, das als Privatinitiative einiger Galerien zur Standortsicherung begann und zur Institution geworden ist. Inzwischen bleiben hunderte Galerien in der Stadt an diesem Wochenende offen, für Sammler aus aller Welt, aber auch für Berliner Besucher. Nicht alle Mitarbeiter in den Galerien mögen zugänglich wirken.
Meist findet sich aber doch ein Enthusiast, der mehr über die Sinnlichkeit von Kunst vermitteln kann als mancher Museumsführer. Die man im Übrigen bezahlen muss, genau wie den Eintritt ins Museum. Galerien dagegen sind gratis und niederschwellig, sie bieten frische, betörende, auch befremdliche Kunst, Wahrheit und Magie, Poesie und Provokation. Galerien sind Ort des Staunens: Man ist nahe an der Avantgarde, vielleicht findet sie sich schon morgen im Museum wieder. Wie fing es denn einst an mit Andy Warhol? Oder mit der Zero-Kunst, die jetzt im Gropius-Bau gefeiert wird?
Gekauft werden darf in den Galerien natürlich auch. Aber niemand wedelt hier mit der Preisliste. Das Geschäft ist diskret, vielleicht sorgt gerade dies für eines der großen Missverständnisse im deutschen Kunsthandel: dass Galerien generell Erfolgsmodelle sind. Anfang 2014 mussten sie eine Erhöhung der Mehrwertsteuer für Kunst auf 19 Prozent verkraften, obwohl dies im internationalen Handel einen erheblichen Nachteil bedeutet. Und viele kämpfen mit den steigenden Mieten in den Großstädten. Das Berliner Institut für Strategieentwicklung hat Deutschlands Galeristen nach ihren Umsätzen befragt, nur acht Prozent verdienen über eine Million Euro im Jahr. In Berlin machen rund 20 von 400 Galerien die Hälfte des Umsatzes, bilanzierte Hergen Wöbken, der Geschäftsführer des Instituts. Dabei seien die Galerien „das größte Ausstellungshaus der Hauptstadt“. Es ist an der Zeit, den Galeristen für dieses Engagement zu danken.
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