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Tonangeber. Kirill Petrenko und Andrea Zietzschmann führen künftig die Berliner Philharmoniker.
© Kai Bienert/Promo

Zukunft der Berliner Philharmoniker: Kunst kommt von Arbeit

Ein neues Führungsduo für die Berliner Philharmoniker: Kirill Petrenko und Andrea Zietzschmann unterzeichnen ihre Verträge.

Doch, ein paar Fragen beantwortet er schon, nachdem er im Foyer der Philharmonie seinen Vertrag unterzeichnet hat. Kirill Petrenko, der nächste Chefdirigent der Berliner Philharmoniker, wirkt jenseits seines Pults scheu. Er nutzt die Gelegenheit auch zu einer Klarstellung: Es bleibt dabei – keine Interviews. „Ich will nicht viel über meine Arbeit sprechen, ich will arbeiten“, erklärt der Maestro lächelnd. Klar, dass auch die Frage, auf was er sich denn am meisten bei den Philharmonikern freue, ihn nicht aus der Deckung locken kann, „auf die Konzerte“.

Die werden aber zunächst rar bleiben. Nur ein Programm dirigiert Petrenko in dieser Saison und in den nächsten beiden Spielzeiten mindestens eines, dazu kommen Auftritte auf Tourneen. Es wird also eine lange Zeit der Vorfreude sein bis zum offiziellen Amtsantritt im Herbst 2019. Und selbst dann nehmen die Philharmoniker Rücksicht auf die Verpflichtungen Petrenkos an der Bayerischen Staatsoper, die bis 2021 reichen.

Ein Vertrag ohne fixe Laufzeiten für den neuen Chefdirigenten

Doch man weiß, was man am Nachfolger von Simon Rattle hat und schmiedet für ihn eine neue Vertragskonstruktion. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller nennt sie einen unbefristeten Vertrag. Orchestervorstand Ulrich Knörzer erklärt, dass man aus den Erfahrungen mit Abbado und Rattle lernen und keine fixen Laufzeiten mehr vereinbaren wolle. „Das nimmt unnötigen Stress von allen Beteiligten“, meint Knörzer. Sieben Jahre sind das vereinbarte Minimum, alles Weitere werde dann die gemeinsame Entwicklung zeigen.

Die wird auch von der neuen Intendantin der Stiftung Berliner Philharmoniker abhängen. Andrea Zietzschmann folgt zur nächsten Saison auf Martin Hoffmann. Ihr erster Auftritt an der Seite von Petrenko macht schon deutlich, auf welcher Ebene sie künftig vor allem gefordert sein wird. Denn der künftige Chefdirigent lobt die menschlichen Fähigkeiten der Kulturmanagerin als Voraussetzung dafür, um in der Philharmonie ganz der Kunst leben zu können. Auch, dass das neue Führungsduo einer Generation zugehört – er ist 44, sie 46 Jahre alt –, schätzt Petrenko. Zu ihren Plänen wollen sich die beiden noch nicht äußern. Schmunzelnd räumt Petrenko ein, sich mit Rattle in München getroffen und dabei eine Menge Tipps von seinem Vorgänger erhalten zu haben. „Aber darüber haben wir einander Geheimhaltung geschworen.“

Geduldig lauscht er den Fragen, die er eigentlich nicht beantworten will, und gewinnt mit seinem zurückhaltenden Charme auch jene, die dringend auf seine Auskünfte hoffen. Ob sein Amt als Philharmoniker-Chef auch das Ende seiner Arbeit als Operndirigent bedeute, will man wissen. Hier lässt Petrenko ein erstaunlich klares „Nein“ hören. Es gebe ja die Philharmoniker-Aufritte in Baden-Baden – und auch darüber hinaus werde er nicht ganz ohne Oper leben können. „Da ist mein Herz fest verankert.“ Angesagtes Fremdgehen also, wenn auch zartschmelzend formuliert, auf dass nicht der Argwohn des künftigen Partners geweckt wird, der stets auf Exklusivität pocht.

„Ich muss machen, was mir auf dem Herzen brennt.“

Fortsetzen will Petrenko die von Rattle geförderte Education-Arbeit der Philharmoniker, obwohl er sich ausdrücklich vorbehält, hier künftig eigene Akzente zu setzen. Auch einen Auftritt beim alle zwei Jahre stattfindenden Open-Air auf dem Kulturforum hat der kommende Chef schon ausgemacht. Berührungsängste mit dem Publikum will er sich nicht nachsagen lassen. Überhaupt gibt sein Auftritt keinerlei Hinweise darauf, dass die Philharmonie wieder zum Elfenbeinturm werden könnte. Arbeit, das ist das beherrschende Wort. Arbeit, vor allem auch an sich. „Ich werde Wege finden, die zu diesem Orchester passen“, sagt Petrenko. Leicht wird er es sich dabei sicher nicht machen. Und auch nicht das gesamte Repertoire selbst dirigieren: „Ich muss machen, was mir auf dem Herzen brennt.“

Was das genau sein wird, dazu will sich Petrenko erst im Frühjahr 2019 wieder äußern. Die Enttäuschung darüber kontert er mit der Feststellung, dass er sich noch immer im Schockzustand befinde, der ihn nach der Wahl der Philharmoniker 2015 überfallen habe. Und er erzählt diese Geschichte: Als er die weltweit begehrte Offerte fast schon hat ablehnen wollen, sei ihm Hans von Bülow in den Sinn gekommen. Wie Petrenko selbst wirkte der erste Chefdirigent in der Geschichte der Berliner Philharmoniker auch in Meiningen und München. Doch es ist nicht diese biografische Koinzidenz allein, die Bülow zum verpflichtenden Vorbild macht. Es ist auch die Einsicht, dass Kunst von Arbeit kommt.

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