Ausstellung in Berlin: Kraftvolle Rückkehr der Künstlerinnen
Sie malten, fotografierten - und wurden vertrieben, vergessen. Künstlerinnen wie Lotte Laserstein, im Deutschland des frühen 20. Jahrhunderts. Eine Schau im Verborgenen Museum erinnert an sie.
Kurzes schwarzes Haar, rote Lippen und ein herausfordernder Blick direkt in die Augen des Betrachters. Die junge Frau, die dort liegt, ihren Kopf in die Hand gestützt, würde auch heute gut in die Straßen von Berlin passen. In die Boutiquen von Mitte oder die Cafés von Kreuzberg. Dabei ist es fast 90 Jahre her, dass Lotte Laserstein „Liegendes Mädchen auf Blau“ malte. Das Porträt zeugt von einer Zeit der Freiheit in Berlin, zum ersten Mal auch für Frauen. Und Lotte Laserstein nutzte die neuen Möglichkeiten, die sich ihr boten.
Als eine der ersten Frauen schließt sie 1927 ein Studium an der Berliner Akademie der Künste ab, nimmt an zahlreichen Ausstellungen teil, beweist außerordentliches Talent als Porträtmalerin. Dass „Liegendes Mädchen auf Blau“ so modern wirkt, liegt nicht nur am Modell, sondern auch an Lasersteins klarer Bildkomposition und den kraftvollen Farben, die sie verwendet. Doch ihre aussichtsreiche Karriere wird jäh beendet: Als sogenannte Dreivierteljüdin ist es ihr ab 1933 nicht mehr möglich, in Berlin auszustellen. Sie geht nach Schweden und hält sich dort mit Auftragsarbeiten über Wasser. 1993 stirbt sie, ihr Werk ist damals in Vergessenheit geraten.
Zwei Stillleben verdeutlichen die Spannbreite künstlerischen Schaffens
Ähnlich erging es vielen der Künstlerinnen, deren Werke das Verborgene Museum in der Ausstellung „Künstlerinnen im Dialog“ zeigt. Die zum dritten Mal stattfindende Schau gibt einen Überblick über die bisherige Arbeit des Vereins, der an die Vergessenen erinnern will. Quer durch alle Genres und Techniken hindurch demonstriert die Schau, wie produktiv und vielseitig die um 1900 geborene Generation Europäischer Künstlerinnen war. Da ist die poetische Stadtbetrachtung der ungarischen Fotografin Eva Besnyö, die Berlin wegen der aufkommenden antisemitischen Verfolgung verlassen muss. Die verträumte Gouache-Landschaftsmalerei an der Grenze zum Abstrakten von Kate Diehn-Bitt, die in Nazideutschland ein „Mal- und Zeichenverbot“ erhält. Oder Augusta von Zitzewitz’ verschmitztes Aquarell eines lachenden Babys, mit rosa Wangen und blauen Augen – auch ihre Kunst wird 1933 als „entartet“ eingestuft.
Im Mittelpunkt der Ausstellung stehen zwei Stillleben aus den Zwanzigern: das expressionistische „Stillleben mit japanischer Puppe“ von Martel Schwichtenberg und das konstruktivistische „Stillleben mit Tassen“ der Niederländerin Lou Loeber. Während Loeber, beeinflusst von De-Stijl-Künstlern wie Piet Mondrian, mit Primärfarben und geometrischen Formen arbeitet, schafft Schwichtenberg in ihrem Bild eine harmonische Komposition aus rot bedruckten Stoffen, leuchtend gelben Blumen und der Puppe. Der Kontrast der beiden Werke zeigt die große Spannweite des künstlerischen Schaffens von Frauen im frühen 20. Jahrhundert.
Seit 1986 arbeitet das Verborgene Museum daran, Arbeiten dieser zu Unrecht nicht mehr bekannten Künstlerinnen zurück in den Kanon zu holen. Auch Lotte Lasersteins Wiederentdeckung hängt maßgeblich mit der Retrospektive zusammen, die der Verein ihr 2003 widmete – inzwischen sind ihre Arbeiten im Frankfurter Städel Museum, im Jüdischen Museum und in der Neuen Nationalgalerie zu sehen oder in deren Beständen.
„Künstlerinnen im Dialog“ ist eine ermutigende, erhellende Ausstellung, die zeigt, dass es immer schon große Künstlerinnen gegeben hat. Aber der Gang durch das Verborgene Museum ernüchtert auch, führt er doch vor Augen, wie Diskriminierung und ein repressives Regime kreatives Schaffen zerstören können – und es noch immer tun. Obwohl viele der Werke bald ihren 100. Geburtstag feiern, büßt die Botschaft dieser Schau an Aktualität nichts ein.
Verborgenes Museum, bis 6. August, Do/Fr 15–19 Uhr, Sa/So 12–16 Uhr
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