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Heilig. Gerti Deutschs Fotografie „Begräbnis, Bregenzerwald“ entstand nach dem Krieg, ca. 1950.
© Fotohof Archiv, Getty Images

Ausstellung im Verborgenen Museum: Mit der Kamera ins Exil

Leben, fotografieren, flüchten im Zweiten Weltkrieg und danach: Das Verborgene Museum in Berlin entdeckt die fast vergessenen Fotografinnen Gerti Deutsch und Jeanne Mandello.

„Ich würde Hitler anrufen. Ich würde ihn darum bitten, diese Schule zu bombardieren. Hitler würde lieb zu mir sein und meine Schule bombardieren. Dann würde ich ihm 6 Schilling geben für dieses Bombardement.“ Dieses Statement findet sich in einem Fotoessay von Gerti Deutsch, der unter dem Titel „Eine Kindersicht auf den Krieg“ im Mai 1940 im Londoner Magazin „Picture Post“ erschien. Das Magazin war liberal, antifaschistisch, populistisch. Von Anfang an wandte es sich gegen die Verfolgung der Juden in Nazi-Deutschland. Hier war die junge Fotografin richtig.

In jener Mai-Ausgabe ist eine Aufnahme von ihr abgedruckt, auf der die Mädchen Elizabeth Ann Goldfinger, Lily Oxley, Milly Ross und Priscilla Lock zu sehen sind. Sie kritzeln Bilder für eine „Wartime Exhibition“. Nun ist das Bild im Verborgenen Museum zu sehen, das die Künstlerin erstmals vorstellt. Als Gerti Deutsch die evakuierten „Kindertransport-Kinder“ fotografierte, durfte jedes Kind ein Spielzeug mitbringen bzw. einen „persönlichen Gegenstand“. Sie selbst war 1936 als Jüdin aus ihrer Heimatstadt Wien nach London emigriert. 1908 als Tochter einer begüterten Seilerfamilie geboren, sprach sie mehrere Sprachen. Zu ihren Freunden zählten Anna Mahler, die Tochter des Komponisten, Oskar Kokoschka, und Ernst Gombrich.

Kräftig. „Arbeiter“ von 1945 gehört zu den wenigen erhaltenen Werken von Jeanne Mandello.
Kräftig. „Arbeiter“ von 1945 gehört zu den wenigen erhaltenen Werken von Jeanne Mandello.
© Isabel Mandello de Bauer

Vor ihrer Emigration hatte Deutsch an der „Graphischen Lehr- und Versuchsanstalt“ studiert. Die junge Fotografin schaute sich wenig später nach anderen Standorten wie Paris und Brüssel um, da sie wusste, dass Frauen in Österreich beruflich nicht ernst genommen würden. Im März 1936 ging sie auf Erkundungsbesuch nach London, wo sie im neuen „Austrian Institute“ ihre Bilder präsentieren durfte: schneebedeckte, sonnige Landschaften, Menschen der Region, an Seeufer geschmiegte Dörfer. Die Aufnahmen haben nichts Süßlich-Dekoratives, sie sind vom Einfluss der Neuen Sachlichkeit geprägt. Spätestens ab 1935 signierte die Fotografin ihre Porträts mit „Gerti Deutsch, Wien“, nach ihrer Ankunft in London wurde daraus „Gerti Deutsch of Vienna“.

Ende 1947 kehrte Deutsch nach Wien zurück, das in Ruinen lag und von Armut gezeichnet war. In den folgenden zwanzig Jahren bereiste sie ganz Europa sowie Japan und belieferte Magazine wie „Holiday, Go!“ und „Nova“ mit Reiseberichten. Außerdem nahm sie Aufträge an für Frauenzeitschriften wie „Queen“ oder „Harper's“. Das Verborgene Museum zeigt außerdem ihre Aufnahmen von den Salzburger Festspielen.

Auch Jeanne Mandellos Leben war von Flucht und Migration überschattet

Gerti Deutsch ist in dem kleinen Charlottenburger Museum die Fotografin Jeanne Mandello an die Seite gestellt. Mit 19 Jahren ging sie 1926 aus ihrer Heimatstadt Frankfurt nach Berlin, um an der Photographischen Lehranstalt des Lette-Vereins zu studieren. Während eines Praktikums beim Leica-Pionier Paul Wolff lernte sie den Fotojournalismus kennen. Als Jüdin emigrierte sie im Januar 1934 nach Paris und konnte zunächst als Modefotografin reüssieren, beauftragt von renommierten Modehäusern wie Balenciaga, Mainboucher und Chanel. Der Überfall der Nationalsozialisten auf Frankreich beendete ihre Karriere abrupt. Mach dem Einmarsch der Deutschen in Paris 1940 wurde sie zunächst in Gurs interniert. Anschließend konnte sie mit ihrem Mann Arno Grünebaum nach Uruguay zu fliehen. In Südamerika gelang ihr der Neuanfang: Mit einer geliehenen Rolleiflex fertigte Mandello Künstlerportraits und fotografierte für Tourismus-Publikationen.

Jeanne Mandellos Leben ist ebenso wie das von Gerti Deutsch von Flucht und Emigration überschattet. Mandellos Werk ist zudem nahezu vollständig vernichtet. Das Verborgene Museum holt die wenigen ihrer eindrucksvollen Fotografien, die erhalten blieben, wieder ans Licht und bewahrt damit gleich zwei Künstlerinnen vor dem Vergessen.

Verborgenes Museum, Schlüterstr. 70, bis zum 5. März, Do/Fr 15 – 19 Uhr, Sa/So 12 – 16 Uhr

Martina Jammers

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