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"Komposition mit Rot, Schwarz, Gelb, Blau und Grau" (1921).
© Gementemuseum Den Haag

Piet Mondrian im Martin-Gropius-Bau: Klare Kante

Berühmt ist Piet Mondrian für Gemälde, die aus rechten Winkeln und den drei Primärfarben bestehen. Eine Ausstellung im Gropius-Bau folgt seinem Weg in die Abstraktion.

Mondrian? Das ist doch der Maler, dessen Bilder aus rechten Winkeln und den drei Primärfarben bestehen. Nicht einmal Bilder, denn sie bilden nichts ab – Kompositionen sind es, und ja, genau so hat er sie bezeichnet. Und so hängen sie im letzten Raum der Ausstellung „Piet Mondrian. Die Linie“ im Berliner Martin-Gropius-Bau.

Allein dieser finale Raum zeigt die Kompositionen, sie stellen den Endpunkt dar der künstlerischen Entwicklung, die der 1872 geborene Niederländer Piet Mondriaan – der später, als er in Paris lebte, das zweite „a“ im Namen wegließ – nahm, von seinen Anfängen in einem erdschweren Realismus über mystisch verrätselte Bilder in glühenden Farben bis eben zu den klaren Kompositionen. Die sind, was sie sind: nämlich Bild-Objekte, durchdachte Verteilungen von Linien und Farben auf der Fläche.

Der rote Faden dieser Entwicklung, so der Kurator und Mondrian-Spezialist Hans Janssen, ist eben die Linie. Das will die Ausstellung zeigen, deren rund 50 Werke zum ganz überwiegenden Teil aus dem Gemeentemuseum in Den Haag stammen. Noch keine Mondrian-Ausstellung zuvor hat sich derart auf diesen Aspekt konzentriert und dabei dem Frühwerk derart viel Raum gegeben. In Berlin ist es übrigens die erste Mondrian-Ausstellung seit derjenigen, mit der 1968 die Neue Nationalgalerie eröffnet worden war.

Boogie-Woogie am Broadway

Jetzt im Gropius-Bau werden die „mittleren“ Jahre zwischen etwa 1908 und dem Ende des Ersten Weltkriegs am ausführlichsten gezeigt, und das liegt nicht nur an der Schwierigkeit, aus der Reihe der späten Kompositionen – die mittlerweile astronomische Preise erzielen, wenn sie denn überhaupt auf den Markt kommen – Leihgaben zu erlangen. Die Berliner Nationalgalerie besitzt gerade einmal eine kleinere Arbeit der späten Jahre und hat sie hergegeben, andere Museen haben sich zugeknöpft gezeigt. So fehlt beispielsweise aus New York das großartige „Broadway Boogie-Woogie“ von 1942/44, als Mondrian sein Exil in der Stadt am Hudson gefunden und sich in der dortigen Kunst- und Musikszene heimisch gemacht hatte.

Am Anfang stehen Landschaftsdarstellungen der holländischen Heimat, durchsetzt mit einzeln stehenden Bäumen, mit Windmühlen, Kanälen und Gewässern. Mondrian sucht das „Wesen“ der Dinge auszudrücken und befindet sich damit im Einklang mit den dominierenden Strömungen um 1900. Die Gegenwartsbetonung der Impressionisten war vorbei, nun ging es um die Essenz der Natur überhaupt. Mit der philosophischen Richtung der „Theosophie“ hatten seinerzeit die meisten Künstler Berührung, zumal solche mit religiösen Hintergrund wie der streng calvinistisch erzogene Mondrian.

Ob man in den farbkräftigen Gemälden von symbolistisch bedeutungsschweren Bäumen und Kirchtürmen von Anfang an eine Dominanz der Linie erkennen kann, mag dahingestellt bleiben. Es scheint doch eher die Auseinandersetzung mit dem Kubismus zu sein, in Paris, wohin Mondrian 1912 übersiedelt, die der Linie den Vorrang gibt. Der Weg zur Abstraktion, dem allmählichen Abgehen von der Wiedergabe hin zur Aufdeckung der Struktur, ist bei Mondrian minutiös nachzuvollziehen. In der knappen Auswahl der Berliner Ausstellung erscheint sie allerdings abrupter als in der überreichen Sammlung des Gemeentemuseums, die sich Mondrians wichtigstem Gönner, dem Amsterdamer Immobilienmakler Salomon Slijper, verdankt.

Unterwegs zur Durchgeistigung

So ist im Martin-Gropius-Bau ein scharfer Bruch zu erleben. Die Kompositionen der zwanziger Jahre mit ihrem schwarzen, strikt rechtwinkligen Liniengeflecht und ihren einzelnen, in den Primärfarben Rot, Blau und Gelb gehaltenen Feldern auf zumeist rein weißem Hintergrund haben mit dem vorangehenden Werk scheinbar nichts zu tun. 1917 zählte Mondrian zu den Mitbegründern der De-Stijl-Bewegung, die mit der gleichnamigen Zeitschrift in ganz Europa als Vorreiter einer streng rationalen Abstraktion beachtet wurde. De Stijl suchte – wie so viele Reformbewegungen dieser Zeit – die Durchgeistigung und Durchgestaltung des ganzen Lebens, nicht zuletzt in der Architektur. Dieser umfassende Ansatz, vertreten auch von den Architekten J.J.P. Oud und dem Maler-Architekten-Theoretiker Theo van Doesburg, bleibt in der Berliner Ausstellung außen vor und fehlt so als vermittelndes Glied zwischen Mondrians Früh- und Hauptwerk.

In Paris schuf sich Mondrian mit seiner kleinen, verwinkelten und alles andere als repräsentativen Atelierwohnung beim Bahnhof Montparnasse ein Refugium, das er ganz nach seinen künstlerischen Prinzipien gestalten konnte, eine Art dreidimensionales Kunstwerk mit exakt ausgerichteten, spärlichen Möbeln und wenigen Farbakzenten. Nicht einmal das Grün einer Pflanze ertrug der Maler damals, er ersetzte sie durch eine künstliche Blume in Weiß.

Mondrian, zeitlebens tadellos als Herr gekleidet, empfing zahlreiche Kunstkenner in dieser winzigen Wohnung, deren zwei Räume, beheizt von einem in der Zimmermitte stehenden eisernen Kanonenofen, auch noch durch eine fünfstufige Treppe voneinander abgesetzt waren. Die kongenial strengen Fotografien, die André Kertesz 1926 im Atelier anfertigte, unter anderem von Brillen und Pfeife des Malers, zählen zu den Ikonen dieser Epoche.

Jazz als Überlebensmittel

Die Ausstellung schließt mit der „Komposition mit Linien und Farbe III“ von 1937 – dem Jahr, in dem auch Mondrian mit zwei Bildern aus dem Besitz des Landesmuseums Hannover auf der NS-Ausstellung „Entartete Kunst“ verhöhnt wurde. Es ist eines der letzten Bilder der Pariser Zeit. Im folgenden Jahr emigriert Mondrian nach London, von wo er 1940 nach New York weiterzieht. Er starb 1944. Dort, wie schon in Europa, begeistert sich der höchst musisch veranlagte und auch in seinen theoretischen Schriften stets auf die Harmonie der Musik Bezug nehmende Maler für neuesten Jazz.

Man müsste den letzten Raum der wohltuend kompakten Ausstellung mit Musik der Zeit erleben, etwa der der von Mondrian gern besuchten Revuen mit Josephine Baker – und feststellen können, dass „Harmonie“ und „Gleichgewicht“, diese beiden Grundkategorien Mondrians, auf ganz verschiedenen Wegen erlangt werden können.

Martin-Gropius-Bau, bis 6. Dezember. Katalog 25 €. Mi–Mo 10–19 Uhr, Di geschlossen.

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