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Rihanna vor dem Bild, das auf dem "Anti"-Cover zu sehen ist.
© Universal

Neues Album von Rihanna: Königin der Wundertüte

Rihanna macht sich locker: Ihr achtes Album „Anti“ ist ein munteres Stil-Sammelsurium mit einigen schicken Balladen-Heulern.

Wer wichtig ist, wird kopiert, zitiert und parodiert. Je häufiger das geschieht, desto relevanter ist eine Musikerin oder ein Musiker. Das Gute an diesem uralten Popkultur-Phänomen: Das Zitiertwerden lässt sich kaum steuern, es passiert einfach. Es spiegelt keine Marketingbemühungen, sondern ehrliche Begeisterung. Kürzlich konnte man das etwa bei Adeles „Hello“ beobachten, das von Chören bis hin zu Metalbands inzwischen millionenfach gecovert wurde.

Auch Drake löste einen solchen Buzz aus, als plötzlich in den sozialen Netzwerken Parodien auf seinen ulkigen Tanzstil im „Hotline Bling“-Video auftauchten. Obendrein produzierte die Soul-Queen Erykah Badu ein ganzes Hommage-Mixtape um diesen Song herum.

Ein solcher Sprung aus dem inneren Zirkel in andere Genres und Sphären macht popkulturelle Größe aus. In Vollendung ist das Michael Jackson mit seinem Moonwalk geglückt – weltweit bekannt und unsterblich. Ganz so weit ist Rihanna noch nicht, doch nach ihrem 2012 veröffentlichten letzten Album „Unapologetic“ hat sich auch bei ihr der Funkenflug in eine weitere Umlauflaufbahn deutlich verstärkt. Ihre Hits waren plötzlich nicht mehr nur bei Millionen von Fans beliebt, sondern wurden auch in ganz anderen Kontexten wie etwa den europäischen Art-House-Filmen „Bande de Filles“ und „Mediterranea“ zitiert. Die „New York Times“ schickte die Indie-Filmemacherin und Autorin Miranda July zu einer Audienz bei Rihanna und druckte dann deren halb verliebte Hommage.

Nach und nach war das Bild der übersexualisierten R’n’B-Sängerin, die nicht von ihrem prügelnden Freund wegkommt, ersetzt worden von dem einer weltweit angesehenen Pop-Autorität. Klar, dass die deutsche Fußballnationalmannschaft sie gern zur WM-Feier in Rio einlud und sie mit dem Pokal posieren ließ – inklusive Synchronküsschen von Podolski und Schweinsteiger.

Ob sie dieser Status nervös gemacht hat? Dafür ist die 27-Jährige, die bereits als Teenager von Jay Z unter Vertrag genommen worden war und allein aus ihrer Heimat Barbados in die USA zog, eigentlich zu tough. Schließlich hat sie rund 54 Millionen Alben und über 200 Millionen Digitaltracks verkauft. Doch irgendwas muss diesmal gehakt haben. Denn statt wie bisher im Jahresrhythmus Alben zu veröffentlichten, folgten auf „Unapologetic“ erstmals zwei Jahre Stille, bevor 2015 zu einer Art Dauerwarteschleife wurde.

"Anti" war schon 2015 erwartet worden

Es gab hier mal eine Single mit Paul McCartney und Kanye West („FourFiveSeconds“) und dort mal eine Hymne („American Oxygen“) oder ein Schocker-Video („Bitch Better Have My Money“), doch keine Spur von Rihannas achtem Studioalbum. Im Oktober dann die Präsentation des Artworks und des Albumtitels „Anti“. Aber weiter kein Termin, nichts. Solche Hängepartien ist man von anderen Künstlern gewohnt, nicht von Rihanna. Sie begann schon fast zu nerven, als sie auch noch die virtuelle „ANTIdiaRyExperience“ mit Vorabschnipseln herausbrachte.

Diesen Montag war dann endlich klar, dass sie die Platte in Kürze rausrücken würde: Auf Twitter postete sie ein Bild von sich mit Kopfhörern und Krone, darunter der Kommentar „listening to ANTI“. Am Mittwoch folgte die Single „Work“, bei der er kanadische Rap-Star Drake als Gast zu hören ist. Die beiden kollaborieren schon zum dritten Mal und offenbar ist es zur langweiligen Routine geworden, so monoton leiert Rihanna die gleich zu Beginn vorgestellte Hookline herunter: fünfmal hintereinander singt sie das Wort „work“ über einen dezenten Zischel-Beat und einem hüpfenden Synthiebass-Motiv. Im letzten Drittel kommt Drake dazu, feuert die schuftende Lady ein an und verteilt Komplimente („If you had a twin/ I would still choose you“).

Entschleunigung statt Hochleistungsgeballer

Das zurückgenommene Stück ist eine gute Einstimmung auf „Anti“, das Rihanna in der Nacht auf den Donnerstag umsonst auf dem Streamingportal Tidal veröffentlichte. Die 13 Songs – die drei Singles aus dem letzten Jahr zählen nicht dazu – wirken ebenfalls wie ein Entschleunigungsprogramm zum gegenwärtigen Hochleistungspop, dem EDM-Geballer, das auch „Unapologetic“ dominiert hatte. Jetzt also die Antithese mit „Anti“, das im Übrigen Rihannas erstes Album ist, dessen Cover nicht sie selbst zeigt. Stattdessen hat sie sich für ein Bild des Künstlers Roy Nachum entschieden, auf dem ein halbnacktes Kind zu sehen ist. Es hält einen Ballon, seine Augen sind von einer Krone verdeckt. Gedichtzeilen in Brailleschrift ziehen sich über das schwarz-weiß-rote Motiv. Laut Nachum symbolisiert die Krone Macht und Erfolg, die blind machen für die wahren Werte des Lebens.

Dementsprechend steht „Anti“, an dem keiner der derzeit angesagten Produzenten beteiligt war, für eine Besinnung Rihannas. Was sich weniger in den Texten niederschlägt, die sich wie eh und je um Liebe und Selbstbehauptung drehen, sondern in der von Lust am Spielerischen und am Ausprobieren geprägten Musik. Rihanna besinnt sich auf ihre künstlerische Freiheit, ist eben nicht von „Workworkwork“-Ehrgeiz getrieben, sondern probiert munter herum. Sie springt durch die Stile, singt mal Autotune-verzerrt, dann wieder wie eine Soul-Diva.

Los geht es mit dem kaum dreiminütigen „Consideration“ auf dem Rihanna begleitet von Gastsängerin SZA beklagt, dass sie keinen Seelenfrieden finden kann. Dieses Gefühl wird vom rastlos umherschweifenden Bass über einem verzerrt-schepperigen Beat passend illustriert. Es folgt die skizzenhafte Nummer „James Joint“, die mit ihrem Mundharmonika-Orgel-Finale wie eine Stevie Wonder-Hommage wirkt.

Nur kurz zeigt Rihanna Interesse für modernen R'n'B

Rihanna setzt auf langsame und mittlere Tempi, die Songs sind reduziert produziert und nicken nur gelegentlich in die Richtung zeitgenössischer Trends wie den schnarrenden Trap-Snaredrums. Das von DJ Mustard produzierte „Needed Me“ zeigt mit zerhackten, rückwärts laufenden Vocalsampels, hypnotisch flackernden Synthies und einem knurrenden Sythiebass, dass Rihanna durchaus noch Interesse an modernem R’n’B hat. Allerdings verliert sie es dann auch gleich wieder und covert lieber Tame Impalas Song „New Persons, Same Old Mistakes“, ohne ihn groß zu verändern.

Sie überrascht mit einer klassischen Soul-Ballade

Das Stück befindet sich in der wundertütenhaften zweiten Hälfte von „Anti“, in der vor allem die klassische Soulballade „Love On The Brain“ überrascht. Wie sich Rihanna hier in leidenschaftlich-raue Höhen schraubt, ist großartig: „You love when I fall apart/So you can put me together/And throw me against the wall“, klagt sie. Und hängt mit „Higher“ gleich noch eine betrunken im Dreivierteltakt weitereiernde Fortsetzung dran. Mit einer an Pink erinnernden, kurz vor dem Kippen stehenden Stimme verkörpert sie eine von Whisky umnebelte Frau, die verzweifelt ihren Liebhaber anruft. Das ist ziemlich irre und hat man so noch nicht von ihr gehört. Zur Beruhigung gibt’s als Abschluss noch eine schöne Klavier-Kontrabass-Ballade – Gruß an die Kolleginnen Adele und Alicia Keys. Oder ist es eine Drohung? Achtung, als nächstes wildere ich in euren Gefilden? Könnte spannend werden.

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