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Der australische Musiker Kevin Parker ist Tame Impala.
© Matt Sav/ Caroline

Neues Album von Tame Impala: Sagt meiner Mutter, es tut mir leid

Textlicher und musikalischer Aufbruch in die Zukunft: Tame Impalas Psychedelic-Pop-Album „Currents“ ist unverschämt eingängig.

Man kann niemandem wünschen, dass Kevin Parker mit ihm Schluss machen will. Denn wahrscheinlich würde er dann einen Song schreiben wie „Eventually“, in dem er verletzende Zeilen wie „Wish I could turn you back into a stranger“ singt. Trotzdem würde es schwerfallen, ihm böse zu sein, weil alles so verdammt ehrlich klingt. Zudem würde er den Song derart fingerschnippsig und kopfnickig komponieren, so zugespitzt arrangieren, dass man auch noch auf den Trennungssong tanzen will.

„Eventually“ ist eines der stärksten Stücke des ohnehin starken dritten Tame-Impala-Albums „Currents“, das am Freitag erscheint. Das Gehirn und Herz von Tame Impala ist der 29-jährige Australier Kevin Parker, der 2010 mit „Innerspeaker“ das erste Album seines Projektes herausbrachte. Wie der zwei Jahre später veröffentlichte Nachfolger "Lonerism" war es stark von 60s-Psychedelic beeinflusst.

Beatles mit Dance-Beat

Auf „Currents“ hat Kevin Parker alle 13 Songs geschrieben, eingespielt und produziert. Er beherrscht alle Instrumente, verliert sich aber nicht in angeberischer Virtuosität. Da er sich nicht an die üblichen Rock-Band-Abläufe halten muss, kann er überall aufnehmen. „Let It Happen“, ein weiterer herausragender Track, entstand etwa in Hotelzimmern zwischen den USA, der Türkei und Ungarn, immer in Schnipseln. Auf einer Zugfahrt nach Toulouse hat er dann den kompletten Mittelteil des fast achtminütigen Stücks umgebaut oder eher gehäckselt.

In diesem Teil schickt Parker knapp ein Dutzend verschiedene Synthies nacheinander über einen Achtziger-Drumbeat, während die Zeile „If I never come back / tell my mother I’m sorry“ die folgende Odyssee ankündigt. Eine unverschämt eingängige Melodie setzt ein, die noch viel unverschämter so lang geloopt wird, bis sie nicht auf den Rhythmus passt, dann von einem anachronistischen Beat-Synthesizer-Gespann abgeholt wird und nach einem unangekündigten House-artigen Drop wieder zurück in die Struktur findet. Nur um dann von Vocoder-Gesang überlagert zu werden, der ähnlich wie bei französischen Electro-Acts wie Kavinsky oder Daft Punk klingt. Wären die Lyrics nicht kompletter Nonsense: Parker hat die Füllwörter aus einer Demoversion einfach dringelassen, statt sie durch „wirkliche“ Lyrics auszutauschen. Am Ende steht eine Art Dance-Version des Beatles-Bewusstseinsstroms aus „A Day In The Life“. Parkers Stimme erinnert sogar an John Lennon.

Parker feiert das Alleinsein

Versteckte Kevin Parker seinen Gesang auf dem Vorgänger „Lonerism“ noch hinter dichten Hall- und Reverbflächen, traut er sich auf „Currents“ das erste Mal, seiner Stimme die Führungsrolle zu geben. Erstmals lässt er unironisierte Emotionalität zu, seine Texte sind verständlich und nachvollziehbar. In dem Stück „The Less I Know The Better“ funktionieren sogar Kitsch-Zeilen wie „It’s not now or never/ just don’t make me wait forever“, weil der honigdicke Funk-Bass die raunende Zeile mit der nötigen Lockerheit erdet. Die fantastische Midtempo-Ballade „Yes I’m Changing“ kündigt sich mit langen Synth-Wolken an, die aus dem Wham!-Repertoire stammen könnten, unterbrochen durch glockenhellen Plings, die direkt aus LL Cool J’s „I Need Love“ herübergeweht zu sein scheinen. Zu viel könnte man denken, wenn es nicht so schwierig wäre, die Schultern stillzuhalten. „Life is changing, can’t you see, there’s no future left for you and me“, singt Parker im Falsett und serviert schon wieder eine dieser sauer-süßen Zeilen, denn „There is another future waiting there for you“.

Dieser zukunftszugewandte Ton zieht sich durch „Currents“, dessen Titel schon ein Mitspülen, ein Fließen suggeriert. Auf „Lonerism“ feierte Parker noch das Alleinsein, das Außenseitertum. Wenn es einmal um Zwischenmenschlichkeit ging, dann war sie von Unsicherheit geprägt. Hinzu kam ein defätistischer, resignativer Ton.

Dramaturgische Ausrichtung auf den Drop

Die Frage nach dem „Wo bin ich?“ und dem „Wo will ich hin?“ scheint für Kevin Parker auf dem neuen Album beantwortet. Die Stücke „Eventually“, „Past Life“ und „Disciples“ schließen souverän mit Vergangenem ab, in „Yes I’m changing“ wird Veränderung als etwas Unvermeidliches akzeptiert – im positiven Sinne. Und in „Let It Happen“ und „The Less I Know The Better“ blickt das lyrische Ich sogar erwartungsvoll in die Zukunft.

Wie schon auf dem Vorgänger-Album fehlt auf „Currents“ ein herausstechender Hit. Die Lieder stehen gleichberechtigt nebeneinander, ob es das 1:48 Minuten kurze „Disciples“ ist oder die episch lange Album-Ouvertüre „Let It Happen“ – beide sind bereits als Singles erschienen. Neben dem ebenfalls vorveröffentlichten „Eventually“ ist „Cause I’m A Man“ die vierte Single – eines der schwächeren Stücke, das weder die eingängige, aber kluge Poppigkeit der anderen Songs erreicht noch etwas zum Albumkonzept beiträgt.

Die große Stärke des Albums ist Kevin Parkers Songwriting: Er denkt wie ein House-Produzent, produziert aber wie ein Popmusiker. „Let It Happen“, „Past Life“ und „Eventually“ arbeiten nicht mit Refrain-Vers-Strukturen, sondern sind dramaturgisch auf den Drop ausgerichtet wie bei elektronischer Musik. Parker macht Midtempo-Balladen tanzbar und experimentiert in Arrangements ohne den Popmusik-Hörer aus den Augen zu verlieren. Bei „The Moment“, „Yes I’m Changing“ und „The Less I Know The Better“ sind die Verse so eingängig, wie es anderen Popmusikern nicht mal im Refrain gelingt. Die Prioritäten sind klar: Erst einmal muss es catchy sein, alles andere kommt danach. Es überrascht nicht, dass Kevin Parkers großes Vorbild Michael Jackson ist.

„Currents“ zeigt, dass Kevin Parker weiß, wie man die Vergangenheit selbstsicher hinter sich lässt, sich die besten Teile rausschneiden und für die Zukunft mitnimmt. Textlich wie musikalisch. Parker lädt Gitarren von 1967, Beats von 1985 und Synthesizer vom 90s-R&B-Sampler in seinen Laptop, mischt alles gut durch, loopt und schneidet sich die Masse zurecht und erschafft dabei eine neue akustische Welt. Mit „Currents“ hat er die Retro-Psychedelic-Schublade erweitert.

„Currents“ erscheint am 17. Juli bei Caroline. Am 13. September spielt Tame Impala beim Lollapalooza-Festival auf dem Flughafen Tempelhof

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