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Vladimir Jurowski, 45, tritt sein Amt als RSB-Chefdirigent mit Beginn der Saison 2017/18 an.
© Matthias Creutziger/RSB

Rundfunk-Sinfonieorchster Berlin: Komm nach innen, Freund!

Das RSB mit seinem künftigen Chefdirigenten Vladimir Jurowski und der Cellistin Alisa Weilerstein in der Berliner Philharmonie.

Manchmal legt ihr Vibrato eine unterschwellige Nervosität an den Tag, dass man fast beschämt ist vor so viel Einblick in Herzensdinge. Aber wer das Risiko scheut, kommt darin um, und Alisa Weilerstein gehört nicht zu jenen Solisten, die nur brillieren wollen. Die 35-jährige amerikanische Cellistin liebt das Rhapsodische. Bei Dvoráks Cellokonzert h-Moll wechselt sie vom ungestümen Beginn ihres Parts im Nu zum innigen Zwiegespräch mit den Holzbläsern oder dem Konzertmeister des Rundfunk-Sinfonieorchesters, lässt den meist in hoher Lage angesiedelten Schmerz in Traumgesänge umschlagen oder wieder in blanken Seelenaufruhr. Das RSB unter seinem designierten Chefdirigenten Vladimir Jurowski ist wach und wendig genug, um Weilerstein nahe zu sein – auf Augenhöhe.

Eigentlich hatte Jurowski, der wie bei seinen letzten RSB-Gastauftritten vor dem Amtsantritt im Herbst hochkonzentriert zur Sache geht, ein sommerlich beschwingtes Programm mit spätromantischen Werken angekündigt. Josef Suks süffiges „Fantastisches Scherzo“ op.25 löst das auch ein, vor allem das ohrwurm-verdächtige Walzerthema der Celli. Aber es wird dann eher ein Abend der Introspektion in der Philharmonie, mit Weilersteins Zugabe im heimlichen Zentrum, der Sarabande aus Bachs C-Dur-Cellosuite. Hauchfeine Töne, der Stille entrungen, ein bestürzend intimer Moment.

Jurowski sorgt für aparte Simmungsumschwünge und musikalischen Flow

Auch Brahms’ 2. Sinfonie, in der das RSB deutlich homogener musiziert als bei Dvorák und Suk, mit entschlackterem Tutti-Klang, lebt ganz von der Hingabe und dem Grundton der Melancholie. Jurowski verführt das Orchester zu aparten, feingliedrigen Stimmungsumschwüngen, setzt auf Mezzoforte und mitunter fast zu weiche Konturen. Bei aller Eleganz und Coolness seiner Stabführung vermeidet der 45-jährige russische Maestro jede Effekthascherei, betont nicht die Kontraste, sondern den Flow, bei eher raschen Tempi.

Das RSB betört mit Momenten der Anmut wie beim Ländler mit Oboe und Cello-Pizzicati im dritten Satz oder mit kurzen Ekstasen zu Beginn des Schlusssatzes. Auch hier verwischt der ein oder andere Einsatz – egal. Es ist nur die Behutsamkeit, mit der das RSB Brahms auf Händen trägt. Erneut ein vielversprechender Abend mit dem „Neuen“ am Pult.

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