25 Jahre Classic Open Air: Klassik oben ohne
Classic Open Air auf dem Gendarmenmarkt feiert sein 25-jähriges Bestehen. Es ist der lachende Vagabund unter den Sommerfestivals.
Ein Besuch bei „Classic Open Air“ ist wie eine Kremserfahrt. Ein populäres Vergnügen unter freiem Himmel, bei dem jeder dabei sein kann, der aufspringt. So ruckelt und zuckelt die Gesellschaft durch die Welt der Töne, und zwar – anders als der Name des Gendarmenmarkt-Festivals suggeriert – nicht nur durch die der ernsten Musik, sondern querfeldein, mitten durch den Gemüsegarten.
Zu Beginn, vor 25 Jahren, gab es mal dramaturgisch anspruchsvoll gebaute Programme, die zum Beispiel „Schillers Wort in Verdis Opern“ hießen oder komplett Richard Wagners Musikdramen gewidmet waren. Und es wurden die ganz großen Klassikstars aufgeboten: 1992, beim allerersten „Classic Open Air“ überhaupt, legte José Carreras die Latte gleich ganz hoch, vor allem, was die Bereitschaft großzügiger Zugaben betraf. Es folgten mehrere Konzerte mit der unverwüstlichen Gute-Laune-Diva Montserrat Caballé, außerdem Demonstrationen prachtvoller tenoraler Muskelspielerei durch die Herren José Cura und Ramón Vargas.
Die Ränge lassen sich eben doch besser mit Schmusesängern und Konsenspop füllen
Doch schnell fand Festivaldirektor Gerhard Kämpfe heraus, dass die 7500 Plastikstühle, die er allsommerlich auf Berlins schönster Piazza aufstellen lässt, sich einerseits leichter mithilfe von Schmusesängern wie Chris de Burgh füllen lassen, mit Konsenspop von den Söhnen Mannheims oder Katie Melua. Und dass seine Stammgäste andererseits überhaupt nicht auf monostilistischen Programmen bestehen.
Also ist auch die Künstlerliste beim Auftakt zur Vierteljahrhundertfeier an diesem Freitag wüst zusammengewürfelt: Musical-Legende Ute Lemper wird dabei sein, Jazztrompeter Till Brönner, Chansonnier Klaus Hoffmann, das Filmorchester Babelsberg, Mr. de Burgh, dazu diverse Klassikinterpreten. Ganz nach dem Kremserfahrer-Motto: Hab mein’ Wagen vollgeladen...
Der Clochard der Klassik
Da staunt der Purist, und der Fachmann wundert sich. Aber nur, wenn er allein auf heutige Livemusik-Gewohnheiten schaut, auf die strenge Trennung von U und E, auf das Dogma des ganzen Werks. Dabei war es noch zu Zeiten von Paganini, Franz Liszt und Brahms üblich, einzelne Sinfonie-Sätze aufzuführen, Arien einzustreuen und allerlei Virtuosenfeuerwerk abzubrennen. Früher war eben doch nicht alles besser.
Die Macher von „Classic Open Air“ machen sich ohnehin nicht abhängig von der Meinung anderer – solange der Platz voll ist. Und so wird ihr Festival wohl auch die nächsten 25 Jahre munter weiterleben. Als Clochard der Klassik, als lachender Vagabund: Musik oben ohne Dach über dem Kopf, aber trotzdem gut drauf.