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Kalkulierter Punkrockirrsinn. Chilly Gonzales, hier am Piano.
© Cyril Zingaro/dpa

Porträt über Chilly Gonzales im Panorama: Klassik im Morgenmantel

Vom rappenden Elektromusiker zum Klavierkünstler: Popstar Chilly Gonzales hat eine vielseitige Entwicklung durchgemacht. Der Film „Shut Up And Play The Piano“ im Panorama versucht, sie einzufangen.

Wer den kanadischen Popmusiker Chilly Gonzales noch aus seiner Zeit in Berlin kennt, wo er sich bevorzugt in Underground-Clubs bewegte, dürfte sich bei den ersten Bildern von Philipp Jedickes Filmporträt verwundert die Augen reiben. Es geht kurz zurück in die Jugend von Gonzales, der 1972 als Jason Charles Beck in Montreal geboren wurde, die Kamera streift durchs Wohnzimmer und verweilt auf einem Foto, das Gonzales’ Vater mit Bill Clinton und George Bush zeigt. Später heißt es, der Vater sei Kanadas größter und erfolgreichster Immobilienspekulant gewesen, und Chilly Gonzales sagt irgendwann , dass es im Haushalt der Becks, die ungarisch-jüdischer Abstammung sind und in den Vierzigern vor den Nazis nach Kanada flüchteten, nur eine Religion gegeben habe: das Geld.

Es gäbe da sicher viel zu erzählen, was für ein Stoff! Doch konzentriert sich Jedicke – verständlicherweise – im Verlauf seines Filmes auf die Entwicklung, die Chilly Gonzales vom rappenden Elektromusiker und Puppetmasters-Mastermind zum Richtung Jazz tendierenden Klavierkünstler gemacht hat, beginnend mit der Übersiedlung nach Berlin Ende der Neunziger. Damals gab es in Mitte eine große kanadische Kolonie mit Musikern und Musikerinnen wie PeachesFeist, Raz Ohara oder Mocky. Und Gonzales ernannte sich hier auf einer bizarren, von seinem damaligen Label organisierten Pressekonferenz in einem rosa Anzug zum Präsidenten des Berliner Untergrunds.

Man erfährt viel vom Künstler - wenig vom Mensch dahinter

Jedicke hat viel schönes und krudes Archivmaterial zusammengetragen und Weggefährtinnen wie eben Peaches und Feist interviewt. Seltsamerweise lässt er vor allem die Schriftstellerin Sibylle Berg ein Gespräch mit Gonzales führen, und überdies hat er ein paar Szenen selbst inszeniert, in denen es um die künstlerische Selbstermächtigung seines Heldens geht.

Vermutlich soll das alles die Vielseitigkeit von Gonzales dokumentierten, gerade seinen kalkulierten Punkrock-Irrsinn, nervt aber mitunter. Nur wenig erfährt man dagegen von Chilly Gonzales’ Beweggründen, sich auf seine von seinem Großvater geförderte klassische Musikausbildung zu besinnen, auf das Klavier zu konzentrieren und Alben wie „Solo Piano“ oder „Chambers“ einzuspielen. Er spielt mal mit Daft Punk, mal mit einem Streicherquartett oder den Wiener Philharmonikern – im Morgenmantel und mit Pantoffeln – und ist immer wieder gern der Spaß- und Krawallmacher, der sich im klassischen Musiksaal vom Publikum wie auf einem Rockkonzert auf den Händen durch die Reihen tragen lässt. 

Immerhin schön ehrlich ist es, als Chilly Gonzales gesteht, dass er noch einmal neu habe anfangen, Noten lernen müssen, ihm nur zu gut sein Amateurstatus bewusst geworden sei. Jarvis Cocker sagt, als Künstler gehe es darum, sich selbst, sein Ego auszudrücken, Gonzales würde das eben extrem expressiv tun. Den artistischen Facettenreichtum von Chilly Gonzales zeigt Jedickes Film ganz gut. Was für ein Mensch sich dahinter verbirgt, lässt sich aber nur erahnen. Am Ende zählt für ihn wirklich nur, wie es der aus einem seiner Songs entnommene Titel dieses Films verspricht: Maul halten und Piano spielen.

19.2., 12 Uhr (CineStar 7), 20.2./.25.2., jeweils 15 Uhr (Colosseum)

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