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Monumentale Männer: John Goodman, Matt Damon, George Clooney, Bob Balaban, Bill Murray (von links)
© Fox

Filmkritik: "The Monuments Men": Kein Denkmal gebaut

Ein Schatzsuche-Roadmovie quer durch Nazi-Europa -was für eine Story! Wenn "The Monuments Men" von George Clooney heute bei der Berlinale seine internationale Premiere feiert, werden alle erst gespannt, dann gelangweilt sein. Denn zuletzt ist nur eines am Film wirklich monumental: die Besetzung.

Was für ein Stoff! Man könnte einen Kriegsfilm draus machen, ein Roadmovie quer durch Europa, eine Schatzsucher-Saga, ein Buddy-Movie, einen Kunstkrimi, ein Erbauungsstück, ein Gedenkstunde, am besten alles zugleich. Wer Robert M. Edsels Buch über die wahre Story der Monuments Men liest, jener Taskforce aus Kunsthistorikern, Museumsleuten, Restauratoren und Architekten, die in den Wirren des Zweiten Weltkriegs tausende Kunstwerke vor den Bomben und den Raubzügen der Nazis retteten, wünscht sich die Kombi von Quentin Tarantino, den Coen-Brüdern und, sagen wir, Guido Knopp, für die Regie. Für einen wilden, tragikomischen, geschichtssatten Historienschinken.

Aber nun hat George Clooney Regie geführt, er spielt auch die Hauptrolle, Frank Stokes – frei nach dem echten Monuments Man George Stout –,  und erteilt erstmal eine Lektion. Steht am Pult vor Präsident Roosevelt, doziert mit Zeigestock und Dia-Schau. Damit ist der Ton vorgegeben, der pädagogisch wertvolle Sound des Films "The Monuments Men", der sich fein säuberlich in Geschichtsbuchkapitel gliedert, mit Einführung in die Thematik, quasi durchnummerierter Vorstellung des alliierten Personals (sieben auf einen Streich, plus ein Gefreiter als Dolmetscher, der dem heute 87-jährigen Monuments-Offizier und Berlinale-Gast Harry Ettlinger nachempfunden ist) und zahlreichen Reisestationen. Es geht Richtung Südwesten. Von Paris (Jeu de Paume) über Belgien (Genter Altar, Michelangelos Madonna in Brügge) und Deutschland (die Bergwerke von Siegen, Merkers, Heilbronn mit Kunstschätzen, Goldbarren und einer Tonne voller KZ-Opfer-Goldzähne) bis nach Altaussee in Österreich. 

Sentenzen zum Mitschreiben finden sich reichlich. Sätze wie „Kunst gehört der Menschheit“ oder „Man kann sie töten, ihre Häuser niederbrennen, aber wenn man ihre Kultur zerstört, ist es, als ob sie nie existiert hätten“. Fazit: Kunst ist es wert, dass Menschen ihr Leben dafür lassen.

Was man Clooney zugute halten muss: Er hat eine monumentale Besetzung aufgefahren

Im Regiestuhl hat Clooney sich ja eigentlich längst bewiesen und sich in „Confessions of a Dangerous Mind“, „Good Night, and Good Luck“ oder „The Ides of March“ mit der Frage der Integrität befasst, der Unredlichkeit in Showbusiness, Journalismus und Politik. Gewiss geht die monumentale Besetzung der „Monuments Men“ auf sein Konto. Wer sonst würde sie alle bekommen: Matt Damon als James Granger (der dem späteren Chef des New Yorker Metropolitan Museum nachempfunden ist), Bill Murray, John Goodman, Bob Balaban, Hugh Bonneville (der Butler aus „Downton Abbey“) und den charmanten Jean Dujardin aus „The Artist“.

Aber diesmal hegt Clooney derart redliche Absichten, dass er das Regie-Handwerk darüber vergessen zu haben scheint. Zum Beispiel die Parallelmontage zum Showdown in Altaussee. Die Russen rücken an, die Michelangelo-Madonna muss aus dem Bergwerk vor ihrer Trophäen-Brigade gerettet werden, ein Wettlauf gegen die Zeit, immer schneller, immer dramatischer das Hin und Her  – und nichts. Schwupps, fährt die Madonna im Armee-Laster davon. Keine Ahnung, wer die tonnenschwere Skulptur hineingewuchtet hat.

Eigentlich ist es verrückt. Sieben hoch gebildete Herren, Akademiker und Kunstexperten, die gewöhnlich mit feinem Pinsel Renaissancegemälde untersuchen, Ausstellungen kuratieren oder Hochhausstatik berechnen, werden über Nacht in Uniformen gesteckt, landen in der Normandie und müssen in ganz Europa nach Kunstwerken fahnden (in Wahrheit hatten sie Hunderte Helfer). Walter (John Goodman) plumpst beim militärischen Schnelltraining wie ein Sandsack von der Kletterwand, mit einer Waffe weiß eh keiner umzugehen, und James kommt im Salzbergwerk versehentlich auf eine Mine zu stehen. Keine Bewegung, aber was dann? Matt Damon, notgedrungen zur Statue erstarrt: Der Film zieht daraus weder wirkliche Spannung noch Witz. Ein eindrückliches Bild für die innige Freundschaft der Kunstsoldaten destilliert er schon gar nicht daraus.

Raubkunst, Beutekunst, "Führermuseum" - Zum Schluss wirbelt der Film alles durcheinander

Oder die Pariser Romanze. Cate Blanchett spielt Claire, Kuratorin des Jeu de Paume, eine großartige Figur (die im wirklichen Leben Rose Valland hieß).  Die NS-Besatzer haben sie dem kunstversessenen Hermann Göring als Assistentin zugeteilt, nachts rettet sie als Widerstandskämpferin ganze Güterwaggons voll Kunst. Matt Damon traut sich nicht mal, mit ihr zu flirten. Hey, das ist Cate Blanchett!

So bleibt „Monuments Men“ braves Bildungsfernsehen, eine Moritat, die das im Zuge des Gurlitt-Skandals vielfach zitierte Washingtoner Abkommen von 1998 durchbuchstabiert. Seht her, diese Jungs haben die Kunst ihren Eigentümern fair und zügig zurückerstattet, kaum dass der Krieg zu Ende war! Einerseits die unentwegt beschworene Wertschätzung des europäischen Kulturerbes, andererseits lässt der Film gerade hier Genauigkeit vermissen: Raubkunst, Beutekunst, die vor den Bomben gesicherten Museumsbestände, der Eigenklau der Nazis für das „Führermuseum“ in Linz – alles geht durcheinander.

Das Ungeheuerliche jener mörderischen Zeit, die Unmöglichkeit, Menschenleben gegen Kunst aufzurechnen, die Notwendigkeit und Paradoxie des Unternehmens „Monuments Men“: Nur einen Moment lang bekommt man eine Ahnung von all dem. Matt Damon bringt ein Gemälde in die Wohnung von Pariser Juden zurück. Hängt es an die leere Wand, der Nagel ist noch da, die Eigentümer sind deportiert, ermordet. Eine stille Szene, eine sinnlose Geste. Es ist die einzig mögliche, um die Opfer des Holocaust ins Recht zu setzen.

9.2. 9.30 Uhr (Zoo Palast 1), 15 und 18 Uhr (Friedrichstadt-Palast), 22.30 Uhr (International). Ab 20.2. im Kino

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