Die Kunst hinter "The Monuments Men": Männer, die auf Bilder starren
Der Kunstkrimi „The Monuments Men“ von George Clooney wird heiß erwartet. Nicht nur der Film entstand zu großen Teilen in Babelsberg - auch die nachgemalte Beutekunst kommt von hier. Wie Clooney einst an die Tür von Maler Michael Lenz klopfte.
Um das Jahr 1420 herum klopfte jemand an die Tür von Jan van Eyck, Kunstmaler aus Brügge in Flandern. Ob er Interesse hätte, einen Flügelaltar zu malen? Van Eyck nickte. Der Auftraggeber, ein Kaufmann aus Gent, trug den Namen Jodocus Vijd.
Um das Jahr 2012 herum klopfte jemand an die Tür von Michael Lenz, Kunstmaler aus Potsdam in Brandenburg. Ob er Interesse hätte, van Eycks Flügelaltar zu malen? Lenz nickte. Der Auftraggeber, ein Regisseur aus Hollywood, trug den Namen George Clooney.
Was in den sechs Jahrhunderten dazwischen geschah, zeigt ausschnittweise George Clooneys Weltkriegsdrama „Monuments Men“, das am Samstag Premiere auf der Berlinale feiert. Der Genter Flügelaltar ist dort einer von vielen Nazi-Raubkunstschätzen, auf deren Spuren im ausgehenden Zweiten Weltkrieg eine kunstsinnige Sondereinheit der US-Armee durch Frankreich und Deutschland reist. Alle paar Minuten wird im Film ein Klassiker durchs Bild geschleppt: hier ein Vermeer, dort ein Rembrandt, hier ein Raffael, dort ein da Vinci – und immer wieder einzelne Tafeln des zwölfteiligen Genter Altars, dessen zentrales Bildmotiv bereits in der Eröffnungssequenz leinwandfüllend zu sehen ist.
Natürlich sind es keine Originalkunstwerke, die beim Dreh in den Babelsberger Studios verwendet wurden, sondern Reproduktionen. Angefertigt hat sie der Potsdamer Kunstmaler Michael Lenz, der seinem Metier seit 1985 nachgeht, damals noch als Assistent bei den Defa-Bühnenbildmalern. Später studierte Lenz in Dresden Kunst und machte sich als freier Maler selbstständig. Einer seiner wichtigsten Auftraggeber ist seit Jahren das Filmstudio Babelsberg – wann immer in den dort gedrehten Filmen Kunst an der Wand hängt, hat sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Michael Lenz gemalt.
Für „Monuments Men“ arbeitete Lenz hauptsächlich mit fotografischen Reproduktionen der Kunstwerke. Seine Aufgabe war es, die Druckvorlagen malerisch so zu überarbeiten, dass sie im Film „wie richtig speckige Ölgemälde aussehen“, so Lenz. Der Genter Altar war eine besondere Herausforderung – nicht nur, weil seine äußeren Tafeln beidseitig bemalt sind, sondern vor allem wegen seines hohen Alters, das man ihm im Film ansehen sollte. Mit Nadeln kratzte Lenz feine Risse in den Farbauftrag, um die sogenannte „Krakelüre“ zu imitieren, die bei alten Bildern als dünnes Muster die Leinwand überzieht.
Der Weg der Bilder: die geraubten Altartafeln von van Eyck
Es war nur einer von vielen Tricks, um optisch das bewegte Leben widerzuspiegeln, das van Eycks Altartafeln hinter sich haben. Nach ihrer Fertigstellung im 15. Jahrhundert waren sie als Gabe ihres Stifters Jodocus Vijd in der Genter Sankt-Bavo-Kathedrale aufgestellt worden. Die beginnende Reformation und den begleitenden Bildersturm, die ein gutes Jahrhundert später Flandern erfassten, überstand der Altar in einem Versteck im Kirchturm. Ruppiger sprang das 18. Jahrhundert mit ihnen um: Erst wurden aus Züchtigkeitsgründen die beiden Bildtafeln entfernt, die Adam und Eva nackt zeigen, dann eroberten die Franzosen Flandern und ließen den Mittelteil des Altars als Kriegsbeute mitgehen. Die Seitenflügel entgingen diesem Schicksal nur, weil man sie vor dem Ansturm der Franzosen gerade noch hatte verstecken können.
Als nach Napoleons Niederlage in Waterloo der Mittelaltar an Flandern zurückgegeben wurde, waren in der Zwischenzeit leider die Seitentafeln an einen englischen Kunsthändler verkauft worden. Der veräußerte sie schnell an einen prominenten Käufer weiter: Friedrich Wilhelm III. von Preußen erwarb den Kunstschatz 1821 für 400 000 Gulden. In Berlin trennte man die Vorder- von den Rückseiten der Altartafeln, um beides nebeneinander im Alten Museum ausstellen zu können.
Dort blieben die Bilder bis zum Ersten Weltkrieg. Nach der deutschen Niederlage wurde das Kaiserreich im Vertrag von Versailles verpflichtet, die Altartafeln als Reparationsleistung an Belgien zurückzugeben, wo man die auseinandergesägten Bildhälften wieder zusammenfügte und sie gemeinsam mit dem aus Frankreich heimgekehrten Mittelteil und den in Gent zwischengelagerten Adam-und-Eva-Tafeln wieder in der Sankt-Bavo-Kathedrale aufstellte.
Von dort wurden 1934 in einem spektakulären Kunstraub zwei Tafeln entführt. Die weniger wertvolle, „Johannes der Täufer“, gab der Räuber bald zurück – nur um für die andere, „Die gerechten Richter“, ein Lösegeld von einer Million belgischer Francs zu fordern, damals eine astronomische Summe. Die Kirche konnte nicht zahlen, das Bild blieb verschollen. Es wurde durch eine zeitgenössische Reproduktion ersetzt, die bis heute Teil des Altars ist.
Die nachgemalten Bilder für "The Monuments Men" dürften nun in Hollywood hängen
Was weiter geschah, wird in „Monuments Men“ erzählt. Wenige Jahre nach dem Kunstraub, 1940, überrennt Hitler Belgien. Kurz bevor die Wehrmacht Gent erreicht, wird der Altar demontiert und auf Lastwagen verfrachtet, um die Tafeln in Sicherheit zu bringen, in den Vatikan. Sie kommen jedoch nur bis zur französischen Grenze, weil Italien inzwischen aufseiten Deutschlands in den Krieg eingetreten ist. Die Lastwagen ändern die Route und steuern das südwestfranzösische Schloss Pau an, wo der Altar versteckt wird. Es dauert jedoch nicht lange, bis die Nazis ihn hier entdecken. Auf Befehl Hitlers, der die Zwangsrückgabe der Seitentafeln im Zuge des Versailler Vertrags als Erniedrigung empfand, wird der wichtigste Kunstschatz Belgiens komplett in deutschen Besitz überführt – sprich: gestohlen.
Die Nazis bringen den geraubten Altar zunächst nach Bayern, wo er auf Schloss Neuschwanstein zwischengelagert wird, bevor man ihn 1944 ins österreichische Salzkammergut weitertransportiert. Dort entdecken ihn im April 1945 die „Monuments Men“ – anderthalb Kilometer unter der Erde, versteckt in einem Salzbergwerk, zusammen mit 6570 weiteren Gemälden.
Jan van Ecks Altar kehrt nach dem Krieg zurück nach Gent, wo er seitdem wieder in der Sankt-Bavo-Kathedrale zu sehen ist.
Michael Lenz’ Altarbilder hingegen wurden nach dem Ende der Dreharbeiten in einen Container gepackt und nach Los Angeles verschickt. Dort dürften sie jetzt die Wände von Produzentenwohnungen in Hollywood zieren.