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Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq hat am Montag in Köln seinen Roman „Unterwerfung“ vorgestellt. Es war sein erster öffentlicher Auftritt seit den Anschlägen in Paris.
© Reuters

Michel Houellebecq in Köln: Je suis Houellebecq

Es war sein erster, mit Spannung erwarteter Auftritt seit den Anschlägen vom 7. Januar in Paris: Der französische Schriftsteller Michel Houellebecq las am Montagabend beim Literaturfestival lit.COLOGNE aus seinem Roman „Unterwerfung“.

Kommt er oder kommt er nicht? Das war zuletzt gar nicht mehr die Frage. Nur: Wenn er kommt, was sagt er zu den Terroranschlägen von Paris? Das wollten wohl die meisten der 600 Besucher bei Michel Houellebecqs erstem und einzigem Auftritt mit seinem neuen Buch am Montagabend im „Depot1“ erfahren. Schließlich war der Schriftsteller gleich nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“ abgetaucht, was die Medien nicht davon abhielt, über seine Haltung zu spekulieren.

Nachdem Houellebecqs neuer Roman „Unterwerfung“ an genau jenem Schreckensmittwoch in Frankreich erschienen war, an dem zwei islamistische Terroristen fünf Karikaturisten und sechs Mitarbeiter des Satiremagazins ermordet hatten, an jenem Mittwoch auch, an dem er auf dem Titel zu sehen war, haftet ihm des Etikett eines Vorzeigekritikers mit hellseherischen Fähigkeiten an. Denn „Unterwerfung“ erzählt in einigen Passagen von einem 2022 in den Straßen von Paris tobenden Bürgerkrieg zwischen radikalen Muslimen und radikalen Nationalisten, bis ausgerechnet ein gemäßigter Moslem namens Mohammed Ben Abbes von der imaginären Brüderschaft der Muslime als neu gewählter Präsident für Ruhe und Ordnung sorgt.

Schürt "Unterwerfung" Islamfeindlichkeit?

Die Pointe der Zukunftsvision – ausgerechnet die Islamisierung unter der Trikolore führt zu Frieden und Wohlstand – führte schon vor dem Attentat, ja schon vor Erscheinen des Buches für Empörung. Sowohl unter Journalisten wie Politikern machte der Verdacht die Runde, „Unterwerfung“ schüre Rechtspopulismus, Islamfeindlichkeit und Fremdenangst. Premierminister Manuel Valls deklamierte öffentlich: „Mein Frankreich ist nicht das Frankreich von Houellebecq!“ Der Autor wies alle Unterstellungen von sich und pochte in einem Fernsehinterview mit Canal Plus am Tag nach dem Blutbad, das tagelang zurückgehalten wurde, auf seine Rechte als Künstler: „Es gibt keine Grenzen bei der Freiheit, sich auszudrücken, null Grenze sogar.“ Und weiter: „Da könnten wir Schriftsteller ja gleich auswandern. Die Leute müssen verstehen: Fiktion ist Fiktion.“

Dieser Argumentation folgte er auch, als er nun gefragt wurde, ob er eigentlich je ernsthaft damit gerechnet habe, dass seine Dystopie auf sehr viel schrecklichere Weise Wirklichkeit werden könnte, als er sich jemals habe ausmalen wollen. Da saß er nun auf Einladung der lit.COLOGNE, eingerahmt von Katrin Saur, der leicht überforderten Übersetzerin, die immer die Hälfte vergaß, und Nils Minkmar, dem Moderator. Er nahm erst im Parka Platz, um dann zu merken, dass es womöglich so doch zu heiß werden könnte, und wollte zuerst eine Erklärung loswerden, um sich in Interviews nicht endlos wiederholen zu müssen.

Michel Houellebecq: Ein Roman ist klüger als sein Autor

Was er aber sagte, war längst nicht so überraschend wie sein Buch: Ein guter Roman ist immer klüger als der Autor, der darüber spricht, zumal wenn er sich so notorisch müde und traurig gibt, wie es Houellebecq gerne tut. Eine Haltung, in der sich Geistesgegenwart und Verweigerung vereinen. Es gab, sagte er, in Frankreich viele Demonstrationen im Zusammenhang mit dem Attentat: „Ich sah, dass sich die Franzosen dabei vor allem Meinungsfreiheit wünschten. Die Staatschefs, die nach Paris gekommen waren, hatten zuvor nur einen wenig anschaulichen Eindruck von Frankreich, sie haben einen sehr lebendigen mitgenommen.“ Auf zwei Dinge, erklärte er, komme es ihm besonders an: Erstens handle es sich bei „Unterwerfung“ nicht um einen islamophoben Roman. Zweitens aber habe man natürlich das Recht, einen islamophoben Roman zu schreiben: „Ich hatte mir fast gewünscht, dass das Buch islamophob gewesen sei, dann wäre es einfacher für mich gewesen.“

Er sagte auch: „Man kann auf jeden Fall erwarten, dass der Staat uns schützt.“ Alles habe begonnen mit den dänischen Mohammed-Karikaturen. Er erinnerte sich auch an eine Erklärung von Osama Bin Ladin, in der es hieß, die Menschen im Abendland seien ängstlich wie Mäuse, die im Orient sind es nicht. Ich denke aber nicht, dass man ein Held sein muss, um heldenhaft zu handeln.“ Und er schloss seine déclaration mit einem via Schopenhauer überlieferten Zitat von Voltaire, demzufolge es geraten sei, die Zeit so leicht wie möglich zu verbringen, wenn einem nur noch drei Tage Zeit zu leben blieben. Überhaupt legte er Wert darauf, dass sein Buch weniger aus der Beobachtung als aus entlegenen literarischen Einflüssen entstanden sei. Das gilt insbesondere für den Décadent Joris-Karl Huysmans, als dessen literaturwissenschaftlicher Exeget und Nachfolger der Erzähler François auftritt – bei aller Popularität, die der später zum Katholizismus konvertierte Autor von „Gegen den Strich“ heute noch genießt. Houellebecq sieht „Unterwerfung“ als eine „Abfolge von Enthüllungen“, die vor seinen gleichgültigen Augen stattfinden und die ihm Gestalt von drei Personen begegnen: einem Rechtsintellektuellen aus der identitären Bewegung, einem Geheimdienstler und einem zum Islam konvertierten Präsidenten der Sorbonne.

Michel Houellebecq braucht eine Notzigarette

Die französische Gesellschaft steckt für ihn in einem erschreckenden Zwiespalt: Einerseits akzeptiere sie den rechten Front National mehr und mehr, andererseits stehe sie noch immer einem linken Präsidenten gegenüber. Die demokratischen Parteien freilich, glaubte er, hätten sich ihrer Inhalte und Überzeugungen längst entledigt. Houellebecq beschrieb, und da wurde es Zeit für eine Notzigarette, wie der Front National konsequent alle rechten Triebe für sich vereinnahmt habe: das Sichwenden gegen die Emigration, die Angst um die innere Sicherheit und das Ressentiment gegen Europa. Wenn man ihm das alles als Sympathie für den Front National auslegen wolle: „Je m’en fous – ich habe einen Roman geschrieben.“

Das Überraschendste war vielleicht, dass er am Ende Vorschläge zu einer neuen direkten Demokratie in acht Punkten machen wollte. Es gehe ihm um die Abschaffung des Parlaments. Gesetze und Referenden sollten direkt eingebracht werden, die Vertreter von Legislative und Judikative direkt gewählt und die Zahl der Ministerien und deren Budget festgeschrieben. So etwa stellte er es sich vor, blieb dann aber doch sehr im Ungefähren. Er hätte sich besser vorbereiten sollen, sagte er entschuldigend. Die Zigarette war verraucht, gut 90 Minuten inklusive Lesung des Schauspielers Robert Dölle waren verbraucht, das Publikum zog wenig erregt von dannen.

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