Bücher über Ingeborg Bachmann: In der Nähe so fern
Wer war Ingeborg Bachmann? Die Bücher von Ina Hartwig und Helmut Böttiger liefern neue Erkenntnisse über das Leben und Werk der Schriftstellerin.
Gerade ist bei der Berlinale wieder ein Bio-Pic über Romy Schneider gelaufen, und nicht das schlechteste die „3 Tage in Quiberon“. Merkwürdigerweise aber ist Ingeborg Bachmann bislang noch nie zur Filmfigur geworden.
Beide Österreicherinnen waren schon zu Lebzeiten Ikonen. Sind ausgebrochen aus der austro-teutonischen Nachkriegswelt, nach Paris oder Rom, sie waren fragil und elegisch, zugleich voll energischer Lust am Leben und Lieben, wirkungs- und selbstbewusst, aber auch verletzlich. Waren Jägerinnen und Getriebene, alkohol- und tablettensüchtig, fast manisch rauchend und in der Nacht oft in den Armen von Männern, die ihnen bei Tag kaum mehr auf Augenhöhe begegnen konnten. Sie starben in ihren Vierzigern, berühmt und im Tod einsam (1973, 1982). Jedes Mal gab es Gerüchte, ob der Wein und die vielen Beruhigungsmittel und bei der Bachmann in Rom dazu noch das Feuer der Zigarette im Schlafzimmer als alleinige Ursachen im Spiel waren.
Beide hatten neben vielen bekannten und anonymen Liebhabern so etwas wie ihren herzzerreißend „schönen Mann“. Romys Alain Delon wird man künstlerisch und biografisch gewiss nicht direkt mit dem Holocaust-Überlebenden Paul Celan vergleichen können, dem Dichter der „Todesfuge“. Aber Romy und Ingeborg, aus Wien und aus Klagenfurt, kamen aus Elternhäusern, in denen mit den Nazis paktiert worden war, und auch dieser Welt entflohen sie.
Deutung der lange unbekannten Beziehung Celan-Bachmann
Wer Geheimnisse, aber keine zu dickleibigen Deutungen mag, kann auf unterschiedlich spannende Weise zumindest der Frage nachgehen „Wer war Ingeborg Bachmann?“. Unter diesem Titel, mit dem Zusatz „Eine Biographie in Bruchstücken“, hat Ina Hartwig eine Annäherung an manche Dunkelstellen oder gar Zwielichtzonen versucht (S. Fischer Verlag, 320 Seiten, 22 €). Und mit „Wir sagen uns Dunkles. Die Liebesgeschichte zwischen Ingeborg Bachmann und Paul Celan“ führt Helmut Böttiger noch tiefer ein ins Schicksal eines mehrfach zusammenfindenen und sich doch verlierenden Dichterpaars (DVA, 269 Seiten, 22 €).
Beide Bücher, von zwei klugen Literaturkritiker*innen geschrieben, bringen Gewinn. Böttiger liefert die bisher profundeste Deutung der lange unbekannten Beziehung Celan-Bachmann. Es ist die Frucht genauer Lektüre der oft wechselseitig aufeinander bezogenen lyrischen Motive und des 2008 zuerst erschienen Briefwechsels zwischen zwei sich in der intimen Nähe so Fernen – diesen „Fremden“ und (nicht) nur „Geträumten“.
„Eindruck einer pasolinihaften Seite Ingeborg Bachmanns“
Ina Hartwig, inzwischen respektable Kulturdezernentin in Frankfurt, geht eher sprung- und, wie angekündigt, bruchstückhaft Bachmanns Spuren nach. Wie eine Reporterin befragt sie auch Zeitzeugen, bis hin zu Henry Kissinger, der eine wohl halbplatonische Beziehung zur Bachmann hatte. Über die Verbindung mit Celan hinaus geraten hier vor allem die zwei anderen Lebens-Männer der Bachmann ins Visier: der Komponist Hans Werner Henze und natürlich Max Frisch, der Ingeborgs Herz endgültig brach (beide sind kaum Schatten bei Böttiger). Frischs Ex-Frau Marianne erzählt dabei von Bachmanns Trinkfestigkeit und ihrem kärntnerisch-bauermädchenhaften Zupacken. Fragwürdiger bei Hartwig ist freilich ein eher spekulatives „Orgien“-Kapitel und der „Eindruck einer pasolinihaften Seite Ingeborg Bachmanns“. Dagegen analysiert Ina Hartwig sehr gut das Strategische in Bachmanns erotischer und literarischer Karriere. Auch habe sie schon bei ihren frühen Gedicht-Lesungen ein „Nebeneinander von Elegie und Nüchternheit, Pathos und Monotonie äußerst geschickt für sich als Markenzeichen erfunden“. Doch: Wie klingt das heute?
Man höre jetzt Ingeborg Bachmann „Erklär mir Liebe. Gedichte 1948 bis 1957“ (1 CD, Hörverlag, 14,95 €). Diese 72 Minuten Rundfunklesungen der Autorin, etwa aus „Die gestundete Zeit“ und der „Anrufung des Großen Bären“, wirken jetzt befremdlich. Weil voll larmoyanter Eintönigkeit und provinziell dialektal gefärbt (alle harten Anlaute weich gesprochen, „die Doten“, „die Dauben“). Ein Dokument der Zeit. Aber Bachmanns Texte rufen heute nach lebendigeren Stimmen.
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