„3 Tage in Quiberon“ im Berlinale-Wettbewerb: Marie Bäumer lässt ihre Romy Schneider strahlen
Sein Thema ist das letzte große Interview mit Romy Schneider im März 1981. Emily Atefs Biopic „3 Tage in Quiberon“ ist der zweite deutsche Beitrag im Wettbewerb der Berlinale.
Es gibt wohl kaum einen anderen Film, in dem die alles tragende, alles ertragende Hauptdarstellerin so oft und so aus Lebenslust lacht – obwohl der Grundton durchaus elegisch ist. Wenn Marie Bäumer in diesem Schauspielerinnenbiopic „3 Tage in Quiberon“ ihre Romy Schneider wie selbstvergessen strahlen lässt, mädchenhaft, überzwerch, koboldgleich im Bett, auf dem Boden oder durch einen Raum tollend und tanzend, dann steckt in dem Lächeln auch immer ein Schmerz. Im vollen Lachen ein lautloser Schrei.
Die in Berlin geborene 45-jährige iranisch-französische Regisseurin Emily Atef spielt in „3 Tage in Quiberon“, dem zweiten Wettbewerbsbeitrag aus Deutschland, in zweifacher Weise mit dem Tod. Zwar handelt der Film allein von jenen drei Tagen im März 1981, an denen der junge „Stern“-Reporter Michael Jürgs zusammen mit dem Starfotografen Robert Lebeck die in einem bretonischen Kurhotel auf Diät und Alkoholentzug gesetzte Romy Schneider für ein Interview aufgesucht hatte. Aber ohne das direkt anklingen zu lassen oder darauf im Nachspann eigens hinzuweisen: Der von Romy Schneider im Film, im Interview immer wieder als ihr Lebensglück beschworene Sohn David, den sie durch ihre Filmarbeit, ihre privaten Affären und zu häufige Abwesenheit zu verlieren fürchtet, der 14-jährige David ist ein Vierteljahr nach den Tagen in Quiberon durch einen Unfall, aufgespießt am Lanzenzaun des Großelternhauses, gestorben. Und ein Jahr später war auch Romy Schneider, der österreichisch-deutsche Weltstar aus Frankreich, tot.
Dieses Wissen spielt unvermeidbar mit im Kopf des Zuschauers. Zumal Emily Atef das quasi-dokumentarische Nachspiel der realen Begebenheiten in Quiberon durch die historisierenden, oft wie spontan aus der Hand gedrehten Schwarz-Weiß-Bilder aus Thomas W. Kiennasts Kamera betont. Vor allem gleicht Marie Bäumer im Aussehen ganz stark ihrem filmischen Vorbild, und viele Einstellungen sind eine bewusste Reprise (und Hommage): angelehnt an Robert Lebecks legendäre Fotos.
Tanz mit einem Fischer-Poet
Am schönsten dabei, das ist schon einer der frühen Höhepunkte: ein nächtlicher Ausbruch aus dem Kurhaus, man landet in einer noch offenen Hafenkneipe, dort fließt der Champagner, Reste einer Dorfparty, ein paar Jungs bitten Romy um ein Autogramm, da begegnet ihr ein bärtiger, struppig narbiger alter Mann, sie trinken zusammen. Der Alte ist ein Fischer-Poet (der wunderbare Denis Lavant), er bezaubert mit einigen tatsächlich tollen Versen und tanzt mit Romy. Das hat Lebeck festgehalten, und Atefs Nachbild hält mit.
Romy kannte Lebeck, vertraute ihm freundschaftlich, deshalb war sie zu dem „Stern“-Interview bereit. Trotz psychischer, familiärer, finanzieller Probleme und ihrer sonstigen Phobie vor der deutschen Presse, die ihr lang genug den Weggang nach Frankreich und die radikale Absage ans alte, jungmädchenhafte „Sissi“-Rollenbild verübelt hatte.
Robert Gwisdek als junger Reporter Jürgs spielt nun selbst mit diesen Klischees. Als zunächst spitzes, schmales Kotzbröckchen provoziert er, nennt das Weggehen nach Frankreich ein „Abhauen“, insinuiert „Skandale“. Doch Schneider kontert überraschend, fast entwaffnend, stellt sich vor: „Ich bin 42, eine unglückliche Frau und heiße Romy Schneider.“ Ihre Freundin Hilde aus Wiener Kinderzeiten (gespielt von Birgit Minichmayr) versucht sie dabei vergeblich abzuhalten, sich dem Hamburger Reporter und damit aller Welt derart riskant zu offenbaren. Aber Romy bleibt tollkühn. Das zeigt Marie Bäumer exzellent, trunken und hellsichtig, taumelnd zwischen Schwermut und Leichtsinn. Allein, man hat wegen der ikonischen Inszenierung das Urbild zugleich vor Augen, sie wirkt spröder, vielleicht ein wenig nördlich-vernünftiger, hat nicht den träumerisch weichen und dennoch durchdringenden Blick und natürlich nicht das gebrochene Wiener Timbre.
Neben ihr freilich ein wenig kurios wirkt der massige Charly Hübner, dieser großartige, aber hier als charismatischer Fotograf völlig antitypisch besetzte Akteur. Lebeck war für Romy „le beau“, ihre Beziehung erotisch und keusch. Hier ist sie, am Rande der Komik, nur kumpelhaft keusch.
20.2., 12 Uhr (Friedrichstadt-Palast) u. 21 Uhr (Haus der Berliner Festspiele), 21.2., 21.30 Uhr (Filmkunst 66), 25.2., 12.45 Uhr (Berlinale Palast)