Carlo Chatrian und die Drehbuchautoren: Immer Zoff um die Berlinale
Die Berlinale hat kaum einen desgnierten Kosslick-Nachfolger, schon soll er Fehler gemacht haben. Kann sich der Neue gleich an die Unwillkommenskultur der Berliner Kulturszene gewöhnen. Eine Glosse.
Da fängt einer neu an, steht noch lange nicht ante portas, und was macht der Berliner? Er meckert. Vorhang ist noch nicht auf und nein, schon falsch. Wo kämen wir hin, wenn der designierte Berlinale-Direktor Carlo Chatrian nicht gleich mit einem mahnenden Zeigefinger konfrontiert würde, auch wenn er erst 2020 am roten Teppich debütiert?
Diesmal ist es nicht der Berliner an sich, sondern der Verband Deutscher Drehbuchautoren mit Sitz in der Hauptstadt, der dem künftigen künstlerischen Leiter seinen „ersten groben Fehler“ bescheinigt. Hat der Nachfolger von Dieter Kosslick doch im Telefoninterview mit dem „Hollywood Reporter“ davon gesprochen, auch im deutschen Film „neue Stimmen“ finden zu wollen, und dabei die Drehbuchautoren nicht eigens erwähnt. Schlimm: Der Mann spricht nur von Regisseuren, all die anderen Talente erwähnt er nicht mal! Replik des Verbands, mit Verweis auf die „systematische Vernachlässigung“ des Erzählens im deutschen Kino: „Auch Autoren sind Filmemacher.“ Bitte, warum sollte der Autorenfilmfan Chatrian das anders sehen? Seine Wortwahl mag unglücklich sein, aber ein grober Fehler?
Die Unwillkommenskultur der Berliner Kulturszene ist spätestens mit dem Chris-Dercon-Debakel an der Volksbühne sprichwörtlich geworden. Dabei ist der Berliner vom Naturell her ja gleichzeitig ein neugieriges Wesen. Meckert zwar gern, geht aber trotzdem schnell mal gucken, wenn’s was Neues gibt. Das passt eigentlich gut zu Chatrian. Im Interview sagt er nämlich auch, dass er das Publikum gern überrascht. Da will er sich treu bleiben – und die Zuschauer bei der Filmauswahl doch immer im Auge haben. Und nein, er hat nicht vor, gleich alles zu ändern.
Liebe Berlinalierinnen und Berlinalier, wir müssen zusammenhalten. Dieter K., Carlo C., die Drehbuchautorinnen und Drehbuchautoren, einfach alle. Denn es dräut tatsächlich Gefahr, nur aus anderer Richtung. Der scharfe Wind weht aus Bayern – das hat ja ebenfalls Tradition, zwischen Isar und Spree. Markus Söder will das an diesem Donnerstag startende Münchner Filmfest zur Nummer Eins in Deutschland hochtunen, mit viel Geld und neuem Festivalprofil, ebenfalls ab 2020. „Die goldene Weißwurst“ anstelle des Goldenen Bären: Die Kollegen von der „Süddeutschen“ assistieren dem Ministerpräsidenten des Freistaats mit cleveren Merchandising-Tipps.
Von Bayern lernen, heißt mitmachen lernen. Nicht, dass Chatrian am Ende sein Überraschungsprogramm abfeuert, während George Clooney die Münchner beglückt – und in den dortigen Festivalkinos Kreuze neben der Leinwand baumeln.