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Pianist Igor Levit.
© Barbora Prekopova/dpa

Igor Levit und das DSO: Im Strudel

Der Pianist Igor Levit gibt sein Debüt in der Philharmonie. Zusammen mit dem DSO unter der Leitung von Osmo Vänskä lässt er den Saal vor Spannung vibrieren.

Das muss man erst mal bringen: Sein Philharmonie-Debüt geben und als Zugabe eine Art Flohwalzer spielen, eine kleine Spaßnummer aus Schostakowitschs Puppentänzen für Klavierschüler. Igor Levit verleiht diesem simplen Waltz-Scherzo allerdings eine Innigkeit und Intimität, die den ausverkauften Saal vor Spannung vibrieren lässt und auch das ins hingetupfte Pianissimo hineinklingelnde Handy kurzerhand integriert – eine Geste genügt.

Der in Deutschland aufgewachsene russische Pianist, Jahrgang 1987, nach Recital im Kammermusiksaal und Orchesterdebüt im Konzerthaus bereits ein Begriff in Berlin, hatte das Publikum gemeinsam mit dem Deutschen Symphonie-Orchester unter Osmo Vänskä schon zuvor in Bann geschlagen, mit Schostakowitschs Konzert für Klavier und Trompete von 1933. Ein wildes Potpourri, ein frecher Stilmix der Zwischenkriegsjahre, frühe Großstadtmoderne mit Seitenblicken auf Beethoven, Mahler, Debussy, auch Strawinsky – dessen „Sacre“ nach der Pause auf dem Programm steht. Levit nimmt die Sache bei aller Exzentrik durchaus ernst, verwandelt schon das „Appassionata“-Zitat in eine bewegende Beethoven-Hommage, versenkt sich, schmeichelt, schwelgt, deliriert, horcht ersterbenden Tönen nach und verleiht den hohen Lagen im Finalsatz eine hölzerne Härte, dass man meint, der Flügel sei ein Xylofon.

Voller Körpereinsatz

Ein Alchimist auch der Lautstärken, der die ganze Bandbreite der Dynamik mit einem einzigen Pinselstrich aufträgt. Das DSO lässt sich anstecken von diesem seelischen, dem unbedingten Ausdruckswillen geschuldeten Beben, bis hin zum Wahnsinnstempo am schier unspielbar virtuosen Ende, das die ganze Musikgeschichte im Strudel zermalmt. Schon Nino Rotas eingangs vom DSO mit ähnlich innerer Spannung vorgetragenes Streicher-Concerto (1964/65) mündete in einen Kehraus, wenn auch in moderaterem Geschwindgalopp.

Schließlich „Sacre“. Das irre hohe Fagott, die schneidende Klarinette, die Kriechtöne der Bassklarinette, die hysterisch flatternde Oboe – toller Anfang mit aggressiv herausgemeißelten Einzelstimmen. Plötzlich wird klar: Die Unterwerfung unter all die Stampfrhythmen und Gewaltrituale geschieht aus freiem Willen. Strawinskys Kultwerk als Versuch über den Masochismus? Was dann folgt, ist leider nur der vertraute, wuchtig-forcierte „Sacre“-Sound. Entfesselung nach Noten, von Osmo Vänskä am Pult mit hohem Körpereinsatz dirigiert.

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