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Julia Stoschek, Sammlerin von "zeitbasierter Kunst"
© Peter Rigaud

Julia Stoschek im Interview: „Ich liebe das bewegte Bild“

Jubiläum in Düsseldorf, ernste Pläne für ein festes Ausstellungshaus Berlin – ein Gespräch mit der privaten Sammlerin Julia Stoschek über Videokunst.

Vor zehn Jahren eröffnete die damals noch ziemlich unbekannte Sammlerin Julia Stoschek ihre private Ausstellungshalle in Düsseldorf. Inzwischen zählt sie nicht nur zu den wichtigsten Protagonistinnen im deutschen Kunstbetrieb, sondern ist mit weiteren Berliner Räumen auch als einzige Privatsammlung in zwei Städten vertreten. In Berlin sind bis Ende November ausgewählte Arbeiten zu sehen, in Düsseldorf eröffnet am 10. Juni die Schau „Generation Loss“.

Frau Stoschek, Sie lassen Ihre Jubiläumsausstellung in Düsseldorf vom Videokünstler Ed Atkins kuratieren. Warum?

Julia Stoschek: Wir sind vor zehn Jahren angetreten, ein Haus nicht nur für die Sammlung, sondern vor allem für die Künstler zu schaffen. Dass nun ein Künstler die Ausstellung kuratiert, war ein Wunsch von mir. Der Perspektivwechsel ist mir sehr wichtig. Was wäre die Alternative? Eine Ausstellung mit meinen zwanzig Lieblingsarbeiten, das wollte ich nicht, und für eine Retrospektive ist die Sammlung definitiv noch zu jung.

Glauben Sie, dass Sie Ihr nächstes Jubiläum noch in Düsseldorf feiern?

Das weiß ich noch nicht. Hätte man mich vor zehn Jahren gefragt, ob ich 2017 auch in Berlin ausstelle, hätte ich das nicht gewusst. Nur so viel ist gewiss: Wir wollen hier dauerhaft einen Standort etablieren.

Wovon ist das abhängig?

Wir haben diese Räume für fünf Jahre gemietet und bleiben gern länger, wenn es geht. Zugleich kann ich mir einen Neubau vorstellen – ein Ausstellungshaus für Medienkunst nach meinen Ideen. Unser Stammsitz in Düsseldorf wurde 1907 erbaut und ist denkmalgeschützt, jeder Eingriff ein Kompromiss. Ein Ausstellungshaus mit optimalen Voraussetzungen neu zu konzipieren, das wäre toll.

Welcher Standort schwebt Ihnen vor?

Idealerweise müsste der Neubau in zentraler Lage sein. In Berlin-Mitte wird das schwierig. Für die Berliner Räumlichkeiten gab es gewisse Voraussetzungen: Neben der zentralen Lage sollte es kein historisches und auch kein historisierendes Gebäude sein. Die Sammlung befindet sich aktuell in einem Bau von 1969. Eine etwas spröde, raue DDR-Architektur, die ich sehr liebe, mit Marmorboden, hohen Decken und einem holzvertäfelten Kinosaal. Das hat Charme.

In Berlin treten Sie lauter auf als in Düsseldorf. Das Haus versteckt sich nicht, sondern steht direkt an einer Hauptstraße und trägt Ihren Namen als großes Logo. Muss man sich in Berlin exponieren?

Das Gebäude in Düsseldorf ist, obwohl es in zweiter Reihe steht, sehr auffällig und von Weitem durchaus sichtbar. In Berlin haben wir eine ganz andere Situation vorgefunden, und der Schriftzug schmiegt sich ganz organisch an die Struktur der Architektur an. Die Fassade bietet insgesamt andere Möglichkeiten der Gestaltung. Die Leipziger Straße ist nicht sehr homogen und von der Kunst auch noch nicht besetzt. Da muss man anders auf sich hinweisen.

Gebrandet ist auch Ihre Sammlung durch den Fokus auf Videokunst. Sie sind nach der Münchner Pionierin Ingvild Goetz die Einzige mit diesem Schwerpunkt geblieben.

In Europa sind wir die einzige ausschließlich auf Videokunst spezialisierte Sammlung. Das beruht auf meiner großen Liebe zum Bewegtbild und war nicht strategisch gedacht, sondern hat sich entwickelt. Ich bin nicht mit dem Kunstbetrieb aufgewachsen, aber diese Kunstform hat mich immer fasziniert.

Welche Veränderungen beobachten Sie in der Videokunst?

Sie ist unser populärstes Medium geworden. Wir sind von zirkulierenden Bildern umgeben, mit deren Wirkung wir uns täglich auseinandersetzen. Insofern ist Medienkunst der aktuellste künstlerische Ausdruck. Wir haben dem Medium vielleicht ein bisschen mit auf den Weg geholfen. Ich freue mich immer, wenn heute in Ausstellungen eine Arbeit gut installiert ist. Das war vor zehn Jahren nicht so. Oft gab es schöne Räume, aber drinnen war es muffig, stockdunkel und man saß gebeugt vor dem Monitor. Das hat sich geändert. Dem Medium eine adäquate Plattform zu geben, das war auch unsere Anfangsidee.

Installationsansicht der neuen Ausstellung in Düsseldorf mit "Projektion X" von Imi Knoebel (1972) und Klaus vom Bruchs "Das Alliiertenband" (1982)
Installationsansicht der neuen Ausstellung in Düsseldorf mit "Projektion X" von Imi Knoebel (1972) und Klaus vom Bruchs "Das Alliiertenband" (1982)
© Simon Vogel

Die Künstler nutzen inzwischen alle Gattungen, Spezialisierung ist obsolet. Schlägt sich das auch in Ihrer Sammlung nieder?

Sie umfasst Malerei, Installation und Fotografie. Deswegen sprechen wir von zeitbasierter Kunst, um den Begriff auszuweiten. Die Videokunst bildet eine lebensnahe Dynamik wie keine andere Kunstform ab. Wenn man sich ihre Anfänge anschaut, dann war sie zunächst nicht limitiert und ist immer noch eines der demokratischsten Medien, weil sie ein größeres Publikum erreichen wollte.

Sind historische Arbeiten wichtig, um der Sammlung eine Basis zu geben, oder verbindet Sie damit auch etwas?

Beides. Ich bin ein Fan von Hannah Wilke, ich bin fasziniert von Vito Acconci oder Bruce Nauman, aber diese Künstler fungieren auch als Vorbilder für jüngere Künstler. Bezüge herzustellen zwischen den Generationen, finde ich spannend. Das Konzept verfolgt auch Ed Atkins in unserer Jubiläumsausstellung. Deshalb heißt die Ausstellung „Generation Loss“. Es geht nicht nur um Datenverlust, der bei jeder Kopie eintritt, sondern auch um die Veränderung beim Übergang von einer Generation auf die nächste.

Erwerben Sie auch Werke, die Sie nicht ansprechen, aber wichtig für die Geschichte des Mediums sind?

Nein, beim Anschauen ist immer ein Bild im Kopf geblieben, war ich begeistert oder verwirrt. Namedropping ist bei uns nicht relevant. Natürlich möchten wir die zeitliche Dimension von den sechziger Jahren bis heute abbilden, und das insbesondere mit Hauptwerken. Wenn die Masterpieces nicht mehr zu bekommen sind, verzichte ich lieber. Meine Sammlung soll nicht hundert Arbeiten von hundert Künstlern enthalten, sondern das Werk anhand mehrerer Beispiele oder ganzer Rauminstallationen einsichtig machen. Deshalb haben wir keine Arbeiten etwa von Jeff Wall, Matthew Barney oder Stan Douglas.

Sie helfen auch bei der Realisierung von Werken. Was haben Sie davon?

Viele Arbeiten sind in der Produktion aufwendig, und für die Künstler ist ihre Finanzierung nicht einfach. Das ist eigentlich Aufgabe der Galerie, aber manchmal ist dies nicht möglich. Dann springen wir ein, und eine Edition der jeweiligen Produktion geht in die Sammlung. Ansonsten gibt es kaum Auftragsarbeiten. Olafur Eliasson hatte ich um eine ortsspezifische Arbeit zur Eröffnung unseres Düsseldorfer Hauses gebeten. Aber auf die Arbeit selbst nehme ich keinen Einfluss.

Was treibt Sie an, nun an zwei Standorten Ihre Kunst zu zeigen: Altruismus oder auch eine gewisse Eitelkeit?

Für mich ist wichtig, die Kunst einem größtmöglichen Publikum zugänglich zu machen. In Berlin sind die Besucherzahlen höher, und es gibt keinen internationalen Kurator und Künstler, der auf der Durchreise nicht auch bei uns vorbeikommt. Hier leben viele Künstler der Sammlung. Düsseldorf wiederum hat ein gewachsenes Bürgertum, das seit Jahrhunderten mit der Kunst lebt, im Rheinland gibt es sehr viel Vorwissen auch über Medienkunst. Früher bin ich für drei Tage die Woche nach Berlin geflogen, jetzt gibt es diese Nähe dauerhaft. Aber irgendwann werde ich die Sammlung an einen Ort bringen müssen. Der Kraftaufwand ist enorm und auf Dauer zu nicht zu schaffen.

Interview: Nicola Kuhn & Christiane Meixner

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