Klaas Heufer-Umlauf & Mark Tavassol: Hühnersuppe mit Herbert: Das Debüt von Gloria
Experiment unter Freunden: Der Fernsehmoderator Klaas Heufer-Umlauf und Mark Tavassol von Wir sind Helden haben sich zum Pop-Duo Gloria zusammengetan und ein Album aufgenommen.
Es war als Demütigung geplant, als endgültige Blamage des Klaas Heufer-Umlauf. Langzeit-Fernsehkollege Joko Winterscheidt hatte ihn gezwungen, bei Rock am Ring als Mutprobe abends auf die Hauptbühne zu steigen und Robbie Williams’ Schnulzbombe „Angels“ anzustimmen – vor 80 000 Rockfans, die gerade auf Kiss warteten! So funktioniert das System Joko und Klaas: sich gegenseitig in unerträgliche Situationen bringen und dann schadenfreudig gaffen, wie der andere untergeht. Einzig: Klaas Heufer-Umlauf ging nicht unter. Nach ersten, heftigen Buhwellen kippte die Stimmung, der ungebetene Gast wurde gefeiert. Ein Betriebsunfall für dieses Fernsehformat.
Damals wusste keiner, dass der Berliner Klaas Heufer-Umlauf, Moderator, Scherzkeks vom Dienst und Lichtgestalt der jungen Unterhaltungsgarde, auch noch passabel singen kann. Seit sechs Jahren macht er Musik, zusammen mit Mark Tavassol, dem Bassisten der langzeitpausierenden Wir sind Helden. Begonnen hat es als Experiment unter Freunden. An den Wochenenden fuhr Heufer-Umlauf mit dem Zug nach Hamburg, wo Tavassol ein Studio betreibt. Tagsüber saßen sie dort vor Laptops, MP3-Rekordern und zwei Mikros, nachts lag der Moderator auf Tavassols Couch. Nun haben sie sich entschieden, das Material unter dem Namen „Gloria“ zu veröffentlichen.
Wer das selbst betitelte Album zum ersten Mal hört, kann sich schwer vorstellen, dass hier derselbe Mensch am Werk war wie der Tunichtgut, der sich im Fernsehen bis zur Unbeweglichkeit eingipsen lässt, der stundenlang auf Bierkastentürmen ausharrt, freiwillig Brechmittel trinkt, im Winter nackt am Badesee friert und trotz dieser Albernheiten als Hoffnungsträger seiner Branche gilt, ja sogar als Gottschalk-Nachfolger bei „Wetten dass..?“ gehandelt wurde. Auf „Gloria“ finden sich keine Blödeleien und keine Gags. Nicht mal ein hidden track mit Peniswitzen drauf.
„Lustige Musik braucht kein Mensch“, sagt Heufer-Umlauf beim Treffen im Hinterzimmer eines Friedrichshainer Agenturbüros. „Genauso wenig übrigens wie melancholische Late-Night-Shows.“ Sein Vollbart ist arg buschig und aus der Form geraten, so könnte er bei bei der Folk-Popband Mumford & Sons mitspielen. Mark Tavassol neben ihm sagt, dass das gemeinsame Songschreiben harte Arbeit war, dass auf ein „Deine Idee ist Mist“ oft ein „Nee, deine Idee ist Mist“ folgte, bis sie sich irgendwann in den Armen lagen. Eine „leicht naive Herangehensweise“ attestiert der Musikprofi dem Quereinsteiger, weil der eben manchmal partout nicht einsehen wollte, dass dieser oder jener Tonartwechsel unmöglich sei. Manchmal war er am Ende doch möglich. Zum Einspielen haben sie sich befreundete Musiker ins Studio geladen, die schon bei Boy, Wir sind Helden oder Kid Kopphausen ausgeholfen haben.
In den Liedern von Gloria regiert die Schwermut
Ein beachtliches Popalbum ist es geworden, mit zehn ausgereiften, durchweg melodiegetragenen Stücken, in denen die Schwermut regiert und nur zwischendurch kurz mal Zuversicht aufblitzt. „Gloria“ ist eine stilsichere Gratwanderung: seufzen, ohne in Depression zu verfallen.
Die Texte strotzen vor Unsicherheiten, Ungewissheiten, auch Unerreichbarkeiten. Die einzelnen Songs greifen dabei derart gut ineinander, dass sich der Hörer leicht wundern kann, warum die Platte jetzt schon wieder zu Ende ist. Waren das wirklich zehn Lieder?
Was allerdings sicher auch daran liegt, dass „Gloria“ tatsächlich recht kurz geraten ist. Mindestens 40 Minuten waren im Plattenvertrag vereinbart. Die haben sie knapp verfehlt. Das Album erscheint auf Herbert Grönemeyers Label Grönland Records, der Meister selbst hat ihnen bei Hühnersuppe in einem längeren Gespräch unterbreitet, dass er ziemlich angetan sei von diesem Projekt. In manchen Momenten erinnert Heufer-Umlaufs leicht gepresste Stimme an die Grönemeyers. Doch nein, das sei ganz sicher keine Reminiszenz, sagt Heufer-Umlauf. Dazu wäre er, selbst wenn er es wollte, technisch gar nicht in der Lage.
Zu den Höhepunkten des Albums gehört das hymnische, rasch süchtigmachende „Regen“. „Wenn man die Augen zumacht, klingt der Regen wie Applaus“, heißt es darin immer wieder. Das Stück ist ein Cover der norddeutschen Indie- Popband Enno Bunger, die seit mittlerweile sieben Jahren Famoses abliefert, aber ungerechterweise von der Öffentlichkeit praktisch nicht beachtet wird. Das ist eben der immense Vorteil, wenn der Musiker einer bekannten Band und ein noch viel prominenterer Fernsehmensch gemeinsam Musik machen: Sie brauchen nicht fürchten, gar nicht gehört zu werden. Einen Schuss haben sie frei, sagt Tavassol.
„Element of Crime“-Hörern wird das Album vermutlich besser gefallen als dem typischen „Circus Halligalli“-Konsumenten. Und wahrscheinlich werden sich Teenies eher das zeitgleich erscheinende dritte Casper-Album kaufen. In dem Friedrichshainer Hinterzimmerbüro machen die beiden aber nicht den Eindruck, als könne das zählen. Sondern vielmehr die Frage, ob ihr Experiment respektiert wird. Das sei sehr anders als damals bei Rock am Ring, sagt Heufer-Umlauf. „Selbst wenn ich das total vergeigt hätte, wäre ich irgendwie aus der Nummer wieder rausgekommen – weil man es dann ja doch nicht so ernst meint.“ Wenn nun jedoch der „Schutzwall aus Ironie und Quatsch“ wegfalle, werde es ernst. Klaas Heufer-Umlauf, der Eingipser, der Brechmitteltrinker, wirkt ziemlich aufgeregt.
„Gloria“ erscheint am 27.9. bei Grönland Records. Konzert: 8.12. Lido Berlin.
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