Kampf der Unterhaltungskonzerne: Hollywood triumphiert bei den Golden Globes – die Zukunft gehört anderen
Sony, Universal und Co. setzen sich bei den Globes gegen die Streamingproduzenten durch. Aufhalten lässt sich der Wandel nicht. Ein Kommentar.
Unter der Hand gelten in Hollywood die Globes Globes als die bessere Party im Vergleich mit der prestigeträchtigeren Oscar-Verleihung Anfang Februar, dem Höhepunkt der jährlichen Award-Saison in der US-Filmbranche. Das Staraufgebot ist ähnlich prominent, aber die Etikette ungezwungener, die Laudatoren sind unterhaltsamer und politischer, überhaupt sitzt die Zunge bei vielen locker.
Und dass sich der Verband der Auslandspresse, der die Globes veranstaltet, zum inzwischen fünften Mal den Briten Ricky Gervais als Moderator leistet, der auch am Sonntagabend wieder die Anwesenden im Beverly Hilton paritätisch beleidigte - die Zensoren des Senders NBC mussten seine Ansagen stellenweise wie einen Gangsta-Rapper “bleepen” –, ist ein weiterer Beleg dafür, dass Generalproben oft eben doch unterhaltsamer sind als die Galapremieren.
Die Verleihung 2020 könnte in der Branche aber auch eine Zäsur markieren. Schon im kommenden Jahr wird sich zeigen, ob die traditionellen Filmstudios und Fernsehsender noch den Herausforderungen der digitalen Vertriebsära gewachsen sind.
Die Globes sind dafür ein besonders guter Indikator, weil die internationale Presse - ein eingeschworener kleiner Kreis, dem immer wieder auch eine sehr selektive Wahrnehmung vorgehalten wird - nicht nur die besten Filme, sondern auch die besten Serien auszeichnet.
Die Ära der Blockbuster-Serien scheint vorbei zu sein
Die Unterhaltungsbranche bekommt hier 2020 mit den Streamingdiensten Peacock des Kabelnetzbetreibers Comcast und dem Warner-Ableger HBO Max weiteren Zuwachs. Mit dem Ende von “Game of Thrones” dürfte zumindest die Ära der Blockbuster-Serien vorbei sein. Der Markt wird parzellierter und härter umkämpft.
Dass die 77. Golden Globes für Netflix dennoch enttäuschend ausfielen, hat selbst Brancheninsider überrascht. “The Irishman”, “The Marriage Story” und “The Two Popes” verloren in den Hauptkategorien gegen das Weltkriegsdrama “1917” von Bond-Regisseur Sam Mendes (bestes Drama und beste Regie, ab 16. Januar in den Kinos) “Joker” (bester Hauptdarsteller Joaquin Phoenix) und “Once Upon a Time in Hollywood" (bester Nebendarsteller Brad Pitt und bestes Drehbuch).
Auch bei den Serien dominierte die Netflix-Konferenz, hier räumte allein HBO vier Preisen für das Mediendynastiedrama “Succession” und die Miniserie “Chernobyl” ab. Dass der neue Comedystar Phoebe Waller-Bridge für ihre Serie “Fleabag” doppelt ausgezeichnet wurde, überraschte nach ihrem Erfolg bei den Emmys niemanden mehr. Und auch Hulu hat sich mit zwei Preisen für die Comedyshow “Ramy” und das Krimidrama “The Act” wohl endgültig im Feld der großen Player etabliert.
Es wäre jedoch voreilig, jetzt schon durchzuatmen. Auch wenn die alten Akteure Sony, Universal und HBO noch einmal die Gewinner des Abends waren, dürfte sich die Unterhaltungslandschaft in den kommenden Jahren drastisch verändern. Viel wird davon abhängen, wie erfolgreich die traditionellen Medienkonzerne Disney und Warner mit ihren neuen Streamingplattformen sein werden. Für die Oscars hingegen dürften die diesjährigen Preise, wie schon im vergangenen Jahr, durchaus Empfehlungscharakter haben.
Der Kriegsfilm “1917” mit seiner Quasi-Echtzeithandlung, mehr technische Tour-de-Force-Ritt als ein wirklich überzeugendes Drama an der Westfront, stieß erst in der Spätphase der Oscar-Kampagnen in den Favoritenkreis – meist ein gutes Zeichen. Und Tarantino reitet mit “Once upon a Time in Hollywood” seit der Premiere in Cannes ohnehin auf einer Welle der Euphorie. Da die Branche Filme über sich selbst liebt, sind auch hier bei den Oscars Dubletten zu erwarten.
Bleibt die Frage, ob zumindest die Netflix-Produktion “The Marriage Story” die hohen Erwartungen erfüllen kann. Bei den Globes gewann nur Laura Dern als beste Nebendarstellerin - trotz sechs Nominierungen für Noah Baumbachs Scheidungsfilm, den meisten in diesem Jahr.
Dass ein Elefant im Raum weitgehend ignoriert wurde, überraschte ausgerechnet am Vorabend des Prozesses gegen den Produzenten Harvey Weinstein in New York allerdings doch. Ricky Gervais, dem die Befindlichkeiten der Branche sonst herzlich egal sind, sparte sich seinen Weinstein-Seitenhieb bis ganz zum Schluss auf; der implizite Vorwurf der Mitwisserschaft kam bei einigen im Publikum gar nicht gut an. Gervais' andere Spitze in Richtung Hollywood zielte auf den Mangel an Frauen in der diesjährigen Regie-Kategorie ab (null!), trotz einiger viel versprechender Kandidatinnen wie Greta Gerwig und Lulu Wang. Vielleicht ist die Zeit für Witze aber auch einfach vorbei, es sollten langsam Taten folgen.
Ein Zeichen haben die Golden Globes immerhin gesetzt: Mit der Komikerin Awkwafina wurde erstmals eine asiatisch-amerikanische Darstellerin für eine Hauptrolle (in Lulu Wangs Familiendrama “The Farewell”) ausgezeichnet. Folgt die Academy in vier Wochen diesem Signal, wäre das ein Oscar-Novum.