Kunstmesse Arco Madrid: Hoch hinaus
Vasen von Ai Weiwei und Lichtkunst von Olafur Eliasson: Die Arco in Madrid setzt ganz auf Zeitgenössisches - und als Schwerpunkt auf Kunst aus Lateinamerika.
Hoher Besuch, streng gesichertes Messegelände: Das Königspaar eröffnet die Madrider Kunstmesse Arco. Das tun Felipe und Letizia schon seit Kronprinz-Zeiten des hochgewachsenen Monarchen. Es ist ein Zeichen der persönlichen Vorliebe, aber natürlich auch ein Signal an den Kunstmarkt, dass diese Messe für Spanien wichtig ist. Sehr wichtig sogar: Denn mit zuletzt 90 000 Besuchern steht die Arco jedenfalls in dieser Hinsicht an der Spitze aller Kunstmessen weltweit, und diesen Rang mithilfe der öffentlichen Aufmerksamkeit zu verteidigen, ist den königlichen Besuch allemal wert.
Die andere, messemäßig noch wichtigere Besonderheit der Arco ist die enge Verbindung zu Lateinamerika. Die Tradition der Gastländer wird in diesem Jahr mit Argentinien fortgesetzt. Die Leiterin der Kunstfakultät einer der großen Universitäten von Buenos Aires, Inés Katzenstein, hat zwölf Galerien aus der argentinischen Hauptstadt für das Sonderprogramm der Messe ausgewählt. Zugleich gibt es Präsentationen einzelner Künstler aus dem lateinamerikanischen Land im Programm „Plattform Argentinien“, das die Bedeutung der Madrider Messe „als Ort der Entdeckung und Vermittlung von Künstlern festigt“.
Nach Jahren der Abwesenheit ist die Galerie Hauser & Wirth zurück
Messe-Lyrik, was man halt so sagt. Arco-Direktor Carlos Urroz, weiß seinen Betrieb gut zu verkaufen. Die immerhin 21 deutschen Galerien – der größte ausländische Beitrag jenseits der wie stets mit über 60 Galerien aufwartenden Gastgeberlandes – umschmeichelt Urroz mit den Worten, gerade die deutschen Galerien seien seit jeher hervorragende Vermittler lateinamerikanischer Kunst. Das mag durchaus so sein. Der Subtext von Urroz’ Worten verrät, dass es eben der europäische und nicht der lateinamerikanische Markt ist, der die Umsätze dieser Messe bringt, so löblich das besondere Engagement der Arco für den traditionell eng an die iberische Halbinsel gebundenen Kontinent jenseits des Atlantiks ist.
Einen der renommiertesten Künstler Argentiniens hat denn auch nicht eine der heimischen Galerien mitgebracht, sondern ihn präsentiert das nach Jahren der Abwesenheit zurückgekehrte Kunstmarkt-Imperium Hauser & Wirth: Guillermo Kuitka. Die Großgalerie hat ein breitformatiges Gemälde in geometrischer Abstraktion im Angebot, das mit 500 000 Dollar deutlich macht, wer wo mit wem die großen Umsätze macht.
Kunst aus Südamerika ist stark vertreten
Geometrische Abstraktion ist auf dieser Messe erstaunlich reichhaltig zu sehen. Miguel Marcos (Barcelona) hat die ganze Außenwand seiner Koje wandmalerisch von David Tremlett gestalten lassen. Elba Benítez (Madrid) zeigt eine Arbeit von Fernanda Fragateiro „After Lygia Clark“, aber wo ist die brasilianische Altmeisterin selbst? Immerhin bei Dan Galeria aus São Paulo, wo sich eine ansehnliche Galerieszene entwickelt haben soll, wofür die Präsenz von bemerkenswerten 13 brasilianischen Galerien auf der Arco spräche. 13 Galerien sind es übrigens auch aus Portugal, wo die Arco 2016 erstmals einen Messeableger gepflanzt hat – ein Zeichen dafür, dass der portugiesischsprachige Nachbarmarkt und schon gar der ungleich größere in Brasilien intensiver Zuwendung bedürfen.
Historische Vorbilder sind bei manchen Künstlern erkennbar: so bei Leon Tovar (New York) eine kojenwandfüllende Arbeit, betitelt „Wandbild Erinnerung und Nachdenken“ des 82-jährigen Kolumbianers Jorge Riveros. Maisterravalbuena aus Madrid hat mit Antonio Ballester Moreno einen jener Künstler im Angebot, die auf den Spuren der legendären Gruppe „abstraction création“ wandeln. Die Messe ist jung, was die gezeigte Kunst angeht. In Madrid wurden noch selten die gesicherten Werte der Kunstgeschichte gehandelt, hier dominiert zeitgenössische Kunst für aufgeschlossene Sammler. Und wer arrivierte Namen im Portfolio hat, zeigt nach Möglichkeit deren neueste Arbeiten. So etwa Lelong aus Paris, wo gleich zehn Arbeiten von David Hockney angeboten werden, der gerade in London eine Retrospektive der Superlative feiert: 28 000 Euro für eine Foto-Zeichnung-Collage sind da eher eine Einladung zum Kauf als ein Ehrfurcht gebietendes Hindernis. Zwei rote Punkte leuchten schon am Vorbesichtigungstag.
Ai Weiweis Vasen sind 2000 Jahre alt
Die überlebensgroße Figur von Stefan Balkenhol in bemalter Bronze als Dreier-Auflagenobjekt, die die Galería Senda (Barcelona) blickfangmäßig vor der Koje platziert hat, ist bei 175 000 Euro zumindest reserviert. Blickfang und Augenschmerz zugleich ist Olafur Eliassons Installation mit stechend weiß-grün leuchtenden Lampen, die Elvira González (Madrid) in ihrer Koje gleich am Halleneingang platziert hat: 225 000 Euro werden erwartet. Bei Kewenig (Berlin / Palma de Mallorca) ist eine typische Erinnerungsarbeit von Christian Boltanski zu sehen, mit Berliner Bezug: „Réserve – Hamburger Straße“ von 1995 für 120 000 Euro.
Mit solchen internationalen Stars kann man nicht fehlgehen, sagt sich auch Lisson (London) und zeigt einen makellosen Hohlspiegel von Anish Kapoor (525 000 Pfund) und zwei übermalte, um die 2000 Jahre alte Han-zeitliche Vasen von Ai Weiwei (200 000 Euro). Den deutschen Veteranen Georg Baselitz gibt es bei Bo Bjerggaard, dem diesmal einzigen dänischen Teilnehmer, für 325 000 respektive 390 000 Euro, Markus Lüpertz bei Lelong für 220 000 Euro. Mayoral aus Barcelona zeigt, wie zuvor schon auf der hauseigenen Wanderausstellung zuletzt in London, Arbeiten von Alexander Calder rund um ein schönes Mobile, für das ein siebenstelliger Betrag geraunt wird. Siebenstellige Summen sind in Madrid selten, aber es gibt sie, so bei Leandro Navarro (Madrid) für ein kleines Gemälde von Dalí (1,4 Mio. Euro), oder bei Guillermo de Osma (Madrid), der eine regelrechte Werkschau des in Uruguay geborenen Kosmopoliten Joaquín Torres-García mit einem geometrisch-abstrakten Gemälde für 1,8 Millionen Euro krönt.
Spielerischen Umgang mit den Meistern beweist Marlon de Azambuja: Er übermalt Seiten aus Fotobüchern von Bernd und Hilla Becher in tiefem Schwarz und ritzt dann jene feinen Strukturen ein, die die Industrieobjekte des Fotopaares im Original besitzen; zu sehen bei Marilia Razuk aus São Paulo und mit 13 000 Dollar für die neunteilige Arbeit deutlich preisgünstiger als Becher-Originale. Davon gibt es auf der Arco übrigens keine. Dafür aber bei der Grande Dame der spanischen Galerieszene, Helga de Alvear, eine große Arbeit von Candida Höfer (52 000 Euro) und eine von Axel Hütte. Christopher Grimes aus Santa Monica pflegt die Berliner Fotokünstlerin Veronika Kellndorfer und hat eine neue, zehnteilige Arbeit mit Motiven von Bauten der brasilianischen Architektin Lina Bo Bardi arrangiert (je Motiv 7000 Euro).
Nicht alles, was auf der Arco zu sehen ist, kann man gut verpackt mitnehmen: Barro Arte Contemporáneo (Buenos Aires) hat den Künstler Mondongo eine Holzhütte als Koje aufbauen lassen, in der drei Kinder seltsame Objekte vorführen. Müssen sie während der ganzen Messezeit schauspielern? La Mar de Sueños aus dem spanischen Huelva zeigt gar kein Objekt. Die Koje heißt „Salón Leibniz“ und versammelt an jedem Messetag eine gesellige Runde von Galeriemitarbeitern und -freunden zum Mittagsmahl in spießbürgerlichem Ambiente. Wohl bekomm’s! Was als Wunsch und Motto der gesamten Arco gelten möge. Nach dem eröffnenden Königspaar strömen wie jedes Jahr die Heerscharen des enorm wiss- und schaubegierigen spanischen Publikums in die beiden großen Hallen, die die Arco bespielt, und die ungeachtet leicht reduzierter Teilnehmerzahl von diesmal 200 Galerien eine Herausforderung an Kondition und Schuhwerk bilden.
Arco, Madrid, Messegelände, bis 26.2., www.arco.ifema.es