Arco Madrid: Spaniens Kunstmesse blüht auf: Ganz Gegenwart
35 Jahre Arco Madrid: Viele deutsche Galerien feiern das Jubiläum der Kunstmesse
Was 1982 in überschaubarem Rahmen begann, ist längst zur weltweit besucherstärksten Kunstmesse gewachsen: die Arco in Madrid. In diesem Winter findet sie zum 35. Mal statt, kein sehr rundes Jubiläum, aber eines, das die Madrider Messegesellschaft feiert. Denn für eine Verkaufsmesse kann es immer nur um die Resonanz des Augenblicks gehen. Rückblicke sind hübsch, und manch altgedienter Messeteilnehmer mag nostalgische Anwandlungen empfinden – doch was zählt, ist das Hier und Heute. So hat sich die Arco schon vor Jahren eine Reihe von Auszeichnungen für Sammler, private wie institutionelle, zugelegt, um diese umworbene Spezies weiter an sich zu binden. Dass diesmal der Museumsverbund von Katar mit ausgewählt wurde, zeigt die Richtung. Kommentar überflüssig.
Messe-Direktor Carlos Urroz hat die Messe strikt auf Qualität verpflichtet
Dabei ist es nicht der Mittlere Osten, sondern die spanischsprachige Welt, die die Arco seit jeher pflegt. Nirgendwo sonst treten so viele Galerien aus Lateinamerika auf wie in Madrid. Unter 230 Teilnehmern insgesamt bildet zunächst Spanien mit 63 Galerien und dann Lateinamerika – gerechnet von Mexiko aus südlich – mit 48 Teilnehmern den größten Block. An dritter Stelle folgen die 25 deutschen Aussteller; mehr als aus dem Nachbarland Frankreich mit 21 Nennungen. Insgesamt ist das spanische Element noch deutlicher, zeigen doch weitere Galerien Künstler mit entsprechender Herkunft. Selbstbewusst merkt Messedirektor Carlos Urroz an, dass die Arco diese Kunstszene schon zu einer Zeit betreut habe, als der europäische Westen und die USA noch den einzigen Maßstab für Gegenwartskunst zu bilden schienen. Urroz hat, seit er 2012 die Leitung übernahm, die Arco strikt auf Qualität verpflichtet und erntet nun die Früchte dieser Politik: Etliche Galerien von internationalem Standing sind in Madrid mit großen Kojen vertreten.
35 Galerien zeigen, was die Kunst maßgeblich geprägt hat oder noch prägen wird
Zudem hat die Arco im Jubiläumsjahr einen interessanten Weg eingeschlagen: 35 Galerien wurden eingeladen, innerhalb einer Enfilade von Extraständen Künstler ihres Portfolios zu zeigen, die die Entwicklung der zeitgenössischen Kunst maßgeblich beeinflusst haben oder dies für die Zukunft versprechen. Maria de Corral, Grande Dame der spanischen Kritiker-Kuratorenschaft, hat die Auswahl geleitet und langjährige Aussteller wie Juana de Aizpuru, Victoria Miro oder aus Berlin Thomas Schulte nominiert. Gewiss lässt sich daraus kein gültiges Profil der Kunst der letzten drei Jahrzehnte gewinnen, aber auffällig ist schon, dass Positionen benannt wurden wie die von Helmut Federle (bei Rosemarie Schwarzwälder), Günther Förg und Imi Knoebel (beide bei Bärbel Grässlin) oder aber Richard Artschwager (bei Sprüth Magers) und Lawrence Weiner (Cristina Guerra). Denn sowohl die Farbfeld- und Shaped-Canvas-Malerei als auch konzeptuelle Entwürfe finden sich diesmal in den beiden riesigen Messerhallen 7 und 9 reich vertreten. Zurückgegangen ist das Angebot an Fotografie, für die Victoria Miro mit Altmeister William Eggleston eine Lanze bricht.
Ein starkes Aufgebot ist diesmal in Sachen Op-Art der sechziger und siebziger Jahre zu sehen, vielleicht eine Verbeugung vor dem Erfolgsrückblick der Messeleitung. Bei NF (Madrid) stellt mit Jordi Teixidor immerhin der aktuelle Preisträger des Premio Nacional de Artes Plásticas drei marktfrische „geformte Leinwände“ aus (je 40 000 Euro). In nächster Nachbarschaft hat Anita Schwartz (Rio de Janeiro) mit Antonio Manuel einen Künstler ähnlicher Richtung und früheren Gestalter des brasilianischen Pavillons der Biennale von Venedig im Angebot. Henrique Faria residiert zwar in „Nueva York“, zeigt aber mit Waldo Balart und Margot Römer zwei lateinamerikanische Farbfeldmaler; ein ähnliches Bild bei DAN Galeria (Sao Paulo) mit Adolfo Estrada und César Paternosto. Die Op-Art pflegt Denise René (Paris) mit Victor Vasarely, Jesús R. Soto oder Pe Lang, dessen motorisiertes Wandbild „Bewegliche Objekte“ auf einer Augentäuschung beruht; oder Adolfo Cayón (Madrid), der ebenfalls den gebürtigen Venezolaner Soto sowie dessen Landsmann Carlos Cruz-Diez zeigt, der wiederum bei Polígrafa Obra Gràfica (Barcelona) mit handlichen Lithografien zum Stückpreis von 6200 Euro zu sehen ist.
Mit Preisen halten sich die Aussteller zurück - das gibt Raum für Verhandlungen
Mit den Preisen halten sich viele Aussteller zurück; man spürt, dass Raum bleiben soll für Verhandlungen. Unbekümmert in dieser Hinsicht zeigt sich der Arco-Veteran Leyendecker (Santa Cruz de Tenerife), der mit den seit der Erstpräsentation 2012 in Venedig Aufsehen erregenden Infrarotaufnahmen des irischen Fotografen Richard Mosse aus dem Bürgerkriegsland Kongo gleich am Vorbesichtigungstag zwei Verkäufe von je 38 000 Euro feiern durfte. In die höheren Regionen der insgesamt mittelpreisigen Arco stoßen Vera Munro (Hamburg) mit Imi Knoebels Objektbild „Grün im Konzert“ für ausbalancierte 100 500 Euro oder Thomas Schulte mit Inigo Manglano-Ovalles wahrhaft raumgreifendem Objekt in Fünfer-Auflage „Black Jack“ für 275 000 Euro vor. Richard Serras zehnteilige Grafikfolge „Reversal“ von 2015 ist bei La Caja Negra (Madrid) mit 180 000 Euro angegeben; oder die Galerie El Museo (Bogotá), die 265 000 Dollar für das achteinhalb Meter lange Riesenbild von Álvaro Barrios „Die Vervielfältigung der Gemälde“ nennt, aber auch aus den 1,15 Millionen Dollar für Nationalheld Fernando Boteros „Mädchen mit Spielzeug“ von 1984 keinen Hehl macht. Wer die ganz dicke Brieftasche mit sich führt, kann sich bei Javier López & Fer Francés (Madrid) eine der drei riesigen Leinwände von Realismus-Altmeister Alex Katz reservieren, etwa das Porträt „Sylvia“ für 2,5 Millionen Euro.
Und die politische Kunst, die in Madrid immer eine Heimstatt hatte? Juan Silió (Santander) hat mit der Sammlung von 34 Zeitungstitelseiten mit der jeweiligen Hauptnachricht vom Tod eines Diktators der Weltgeschichte des Portugiesen Nuno Nunes-Ferreira eine ebenso lakonische wie eindrucksvolle Arbeit an der Außenwand der Koje platziert (10 000 Euro). Rolf Art aus Buenos Aires zeigt zwei heimische Künstler, Marcelo Brodsky mit der Serie übermalter Fotografien von Demonstrationen des Jahres 1968 sowie Graciela Saccos vierteilige Fotoarbeit „Der Steinewerfer“ von 1987. Das weist dann schon eher in den Bereich „Kunst mit Fotografie“, zu dem Marlon de Azambujas Übermalungen von Industriefotos von Bernd und Hilla Becher bei Max Estrella (Madrid) ebenso zählen wie die Vergrößerungen aus dem „Herbarium Amazonas“ von Christoph Keller bei Esther Schipper / Johnen Galerie (Berlin) oder die riesenhaften Postkartenmotive des aktuellen Stuttgarter Staatspreisträgers Elger Esser bei Kewenig.
Dann schauten wir noch bei Barbara Thumm (Berlin) vorbei, die den in Berlin lebenden Peruaner Antonio Paucar und Diango Hernández im Angebot hat, doch das Gespräch endete mit dem Hinzutreten eines „ganz wichtigen Kunden“ – der Handel ist nun einmal der Kern einer Messe. Übrigens steht die Arco unter der „Ehrenpräsidentschaft“ des spanischen Königs Philipp VI. Schon als Kronprinz nahm Kunstfreund Felipe seit vielen Jahren die Eröffnung die Messe vor. Solche Protektion zählt viel in einem Land, das von seinen regionalen Fliehkräften stärker gezerrt wird als je zuvor. Nicht zuletzt die international agierenden Galeristen Spaniens äußern sich besorgt. Sie haben den ganz großen Markt im Blick, den sich Madrid mit der Messe erschlossen hat.
Arco Madrid, Parque Ferial Juan Carlos I, bis 28.2., www.ifema.es/arcomadrid_01
- bbbbbb
- Brandenburg neu entdecken
- Charlottenburg-Wilmersdorf
- Content Management Systeme
- Das wird ein ganz heißes Eisen
- Deutscher Filmpreis
- Die schönsten Radtouren in Berlin und Brandenburg
- Diversity
- Friedrichshain-Kreuzberg
- Lichtenberg
- Nachhaltigkeit
- Neukölln
- Pankow
- Reinickendorf
- Schweden
- Spandau
- Steglitz-Zehlendorf
- Tempelhof-Schöneberg
- VERERBEN & STIFTEN 2022
- Zukunft der Mobilität