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Unkaputtbar. De La Soul wurden 1987 in New Jersey gegründet.
© Robbie Jeffers

De La Soul in Berlin: Hippies aus dem Weltall

Der gute alte Hip-Hop hat Zukunft: De La Soul machen ihr Konzert im Yaam zur Party.

Träumen De La Soul nachts von Blumen, die sie verfolgen? Ganze 27 Jahre ist es jetzt her, dass das Rap-Trio aus Long Island das „D.A.I.S.Y. Age“, das Zeitalter des Gänseblümchens ausgerufen haben und damit zu einer der eigenwilligsten und verehrtesten Gruppen der HipHop-Geschichte wurden, aus deren Werk sich seitdem alle bedienen und Inspiration schöpfen.

Trotz dieser Legendenbildung beginnt ihr Konzert im Yaam unspektakulär. „Wir sind De La Soul und ach, ich weiß auch nicht“, eröffnet Posdnuos die Show. Inzwischen sind die Bärte grau, die Bäuche noch weiter gewachsen. Ja, De La Soul sind heute gesetzte Männer mindestens mittleren Alters. Das verbindet sie mit vielen der anwesenden Fans im verschwitzten und ausverkauften Club. Eine spontane Publikumsumfrage per Applaus und „Yeah“-Rufen ergibt: 75% sind zwischen 30 und 50 Jahre alt. „Wow, habt ihr alle extra einen Babysitter engagiert?“, fragt Dave, der früher Dove hieß.

Die Babysitter mögen zu Hause sitzen, auf der Bühne ist Kindergeburtstag angesagt. Auf ihren Alben bewegen sich De La Soul emotional zwischen versponnenen Tagträumen und leiser Giftigkeit, die immer wieder melancholisch gebrochen wird, auf der Bühne entfernen sie sich von Monologen zu Beziehungsenden und Hip-Hop-Ausverkauf, sondern sind lieber albern und grinsen breit.

Sie sind mehr als nur Rap-Animateure

Hände in die Luft, linke Seite des Publikums im Lautstärke-Wettbewerb mit der rechten Seite, und auf drei springen alle in die Luft. Jedes eigentlich tote Klischee wird bedient, aber trotz der „und jetzt seid laut, wenn ihr Hip-Hop liebt“-Attitüde navigieren De La Soul gekonnt daran vorbei, einfach nur Rap-Animateure zu sein. Vielleicht, weil sie einst halfen, die Klischees überhaupt zu erfinden.

Als De La Soul vor fast 30 Jahren anfingen, war Lautstärke und Wut an beiden Küsten der vorherrschende Stil. Die drei Teenager aus Long Island hingegen sampelten lieber Steely Dan statt James Brown und Freejazz-Sirenen. Auf ihrem Debüt „3 Foot High & Rising“ präsentierten sie sich als Hippies vom Mars. Dank der Produktion von Prince Paul, der dem Langspieler mit kurzen Sketchen und Soundschnipseln Struktur gab, wurde das Album eine Blaupause für den HipHop der Neunziger.

Diese Soundästhetik lässt sich schwer auf die Bühne bringen, weil filigrane Hall- &-Oates-Samples im Mix zwangsläufig untergehen. Deswegen setzt die Band in der Songauswahl eher auf die Hymnen wie „Oooh“, die auch gegrölt funktionieren. So wird selbst aus ihrem Meisterwerk „Stakes Is High“ ein Partykracher statt einer deprimierten Standortbestimmung.

Im August kommt das neue Album

Das ist ein altes Problem von Hip-Hop-Konzerten, das besteht, seit Rapper von Jugendzentren und Straßenecken in Tonstudios gewandert sind. Konzentriertes Rappen kann als Aufnahme die Energie eines Jazzsolos haben, in einer Live-Situation ist es eher eine technische Übung, bei der das Publikum unruhig wird. So wird aus „Trainwreck“ vom neuen Album „And The Anonymous Nobody“ eher eine Geduldsprobe.

Das Album, das im August erscheint, hat die Band über Kickstarter finanziert. Mit den 600 000 Dollar hat sie von den Rhythm Roots All-Stars über 100 Stunden Reggae, Jazz, Funk und Soul einspielen lassen. Aus dem Material sind dann die Beats entstanden, Sampling ohne Sampling quasi. Damit vermeidet die Band Ärger aus der Vergangenheit. Ein Sample der Turtles auf dem ersten Album hat sie nach einem Prozess Geld gekostet. Der juristische Präzedenzfall veränderte die gesamte Branche.

Die Liveband selbst auf die Bühne zu bringen ist aber aus finanziellen Gründen keine Option. Mit ihrer Kickstarter-Kampagne haben De La Soul auch eine Diskussion über Geld und Hip-Hop begonnen, die nichts mit Autos und Champagner zu tun hat. „Wir wissen, dass Berlin Hip-Hop liebt!“ ist keine leere Konzert-Phrase, sondern hart gelernte Erfahrung. In den 2000er Jahren, in denen Nas erklärte, dass Hip-Hop tot sei, waren es vor allem alte Fans in Europa, die die Flamme haben brennen lassen. Heute kann man deswegen mit Glück Jeru the Damaja in Friedrichshain beim Brötchenkaufen erwischen. So besteht das Publikum des Konzerts vor allem aus weißen Nerds mit vergilbten Daisy-Fanshirts.

Die Dürreperiode ist vorbei

Sowohl kommerziell als auch kreativ ist die Dürreperiode längst vorbei, über einen Künstler wie Kendrick Lamar wird mit der gleichen Bewunderung gesprochen wie über Public Enemy vor 30 und James Baldwin vor 50 Jahren. Er ist einer der Erben von De La Soul, die schnell mit ihrem Ruf als „Hippies“ haderten und sich auf ihrem zweiten Album „De La Soul Is Dead“ für tot erklärten. Die Gänseblümchen hatten auf einmal Dornen.

Von dieser Seite der Band ist live wenig zu spüren. „Wir wollen, dass ihr alle Spaß habt und sicher seid“, kündigt Pos zu Beginn des Konzerts an, was wie ein Zugeständnis daran klingt, dass die Welt außerhalb des Musik-Treibhauses gerade größere Probleme als eine fehlende Klimaanlage hat. Ansonsten drehen Dave und Pos lieber gemeinsam Pirouetten. Gerade deutsche Rap-Puristen hätten De La Soul dafür einst Eskapismus vorgeworfen und stattdessen auf die brennenden Slogans von Public Enemy verwiesen.

Diese Diskussionen wirken heute sehr gestrig, De La Soul tun es hingegen nicht. Trotzdem ist die Party irgendwann vorbei, nach knapp siebzig Minuten verabschiedet sich die Band recht abrupt und Maseo eröffnet die Afterparty.

Fabian Wolff

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