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Und jetzt - schon wieder ich? James Franco ist auf der Berlinale omnipräsent.
© Tim Brakemeier/dpa

James Franco auf der Berlinale: Hauptsache Herzenssache

Ganz Berlin ist frankophil: Multi-Star James Franco bezaubert seine Fans in gleich drei Filmen. Der Star des Festivals im Porträt.

Ein Preis sei James Franco an dieser Stelle schon mal ehrenhalber verliehen. Er darf die Heldenmedaille für besonders geduldiges Ertragen nerviger Journalistenfragen mit nach Hause nehmen. James, glauben Sie, dass es einen Himmel gibt? Mister Franco, können Sie uns einen Billardtrick vorführen? Haben Sie schon mal eine existenzielle Krise durchlitten? Hat die Darstellung eines Schwulen Ihr Konzept von Genderidentität und sexueller Determinierung beeinflusst? Sie haben doch mal James Dean gespielt, wie finden Sie eigentlich Marlon Brando? Ist diese Spirale, die Sie im Film zeichnen, ein Symbol der Göttin Isis? James, Sie sind überall gleichzeitig, wie viele Doppelgänger beschäftigen Sie?

Das kommt davon, wenn man mit drei Filmen auf einmal zur Berlinale anreist. Drei Filme heißt drei Pressekonferenzen plus dreimal Gruppeninterviews und was es sonst nicht noch alles gibt an Fragegelegenheiten. Bei der Eröffnungszeremonie versuchte Franco noch, sich mit der unverbindlichen Allzweckantwort „I love Berlin“ aus der Affäre zu ziehen, aber da kannte er Anke Engelke schlecht: „I love Berlin, that’s blabla!“, schnitt ihm die Moderatorin das Wort ab – und warf sich Franco dann so offensiv an den Hals, dass dem armen Kerl am Ende sichtbar Schweißperlen auf der Stirn standen. Ob er Berlin jetzt immer noch so toll findet?

Mehr Spielraum bei Wim Wenders

Die Stadt ist jedenfalls unvermindert „frankophil“, wie es Moderator Anatol Weber bei der Pressekonferenz zu Werner Herzogs „Queen of the Desert“ formulierte. Das Historien-Melodram war der erste jener drei Filme, mit denen Franco dieses Jahr auf dem Festival präsent ist – nicht mitgerechnet die skandalumwitterte Nordkorea-Satire „The Interview“, die letzte Woche unabhängig von der Berlinale, aber zeitgleich ins Kino gekommen ist.

In Herzogs Wüstenschmonzette fällt Franco nicht die dankbarste Rolle seiner Karriere zu. Mit schmerzensreichem Dauerlächeln darf er Nicole Kidman Gesellschaft leisten, bevor er sich der zweiten Filmhälfte per Freitod entzieht. Etwas mehr Spielraum bekommt er in Wim Wenders’ „Every Thing will be Fine“, aber es sind nicht die beiden Filme im Hauptprogramm, denen Francos Stolz gilt, sondern der Panorama-Beitrag „I Am Michael“.

Darin spielt er nicht nur die Hauptrolle, er hat den Film auch produziert – und bezeichnete ihn in einer seiner Interviewrunden als Herzensangelegenheit. Sein Freund und Regiekollege Gus Van Sant, in dessen Homosexuellendrama „Milk“ von 2008 er mitspielte, habe ihn eines Tages auf die Lebensgeschichte des „gewendeten“ Schwulenaktivisten Michael Glatze aufmerksam gemacht. In dessen Biografie witterte Van Sant Filmstoff. Franco kam zu dem gleichen Schluss und nahm das Projekt mit Regisseur Justin Kelly in Angriff.

Das Ergebnis sei „ein Film, der mehr Fragen stellt als Antworten gibt“, sagt Franco. In der Tat erzählt „I Am Michael“ die Lebensgeschichte seines Protagonisten weitgehend interpretationsoffen: Glatze, Gründer des kalifornischen Schwulenmagazins „Young Gay America“, durchlebt kurz nach der Jahrtausendwende eine plötzliche Lebens-, Sinn- und Gesundheitskrise, die ihn den christlichen Glauben entdecken lässt. Versucht er anfangs noch, als Aktivist Berührungspunkte zwischen Kirche und Schwulengemeinde herzustellen, so treibt ihn sein Erweckungserlebnis bald in eine ganz andere Richtung. Er sei, schreibt Glatze zum Entsetzen aller Leser seines einflussreichen Blogs, fortan nicht mehr schwul.

Lebenskrise ereilte auch James Franco

Während ehemalige Lebensgefährten und Mitaktivisten an seiner zunehmend harschen Verdammungsrhetorik gegenüber Schwulen verzweifeln, lässt sich Glatze selbst in einer Bibelschule zum Pastor ausbilden – und lernt dort auch die Frau kennen, die er heiraten wird. Belügt er sich selbst? War er vorher auf dem falschen Weg? In seiner Darstellung verzichtet Franco auf jeden Hinweis in die eine oder andere Richtung, lediglich in der allerletzten Szene deutet sein Mienenspiel Restzweifel an.

Beschossen mit den immer gleichen Fragen nach biografischen Überschneidungen welcher Art auch immer, lässt der 36-jährige Kalifornier zu „I Am Michael“ lediglich durchblicken, dass ihm Lebenskrisen nicht fremd sind. Er selbst sei mit Ende 20 unglücklich mit der Filmindustrie und seiner Rolle darin gewesen, auf eine Art, die unter Schauspielern nicht selten sei. Mit zunehmender Erfahrung entfremde man sich der Arbeit, sehne sich nach mehr Kontrolle über das eigene Wirken. „Das war die Phase, in der ich beschloss, zurück an die Uni zu gehen.“ Franco begann ein Literaturstudium, das er bis zur Promotion verfolgte. Inzwischen unterrichtet er Kreatives Schreiben und arbeitet an der Universität von Los Angeles mit Filmstudenten, nebenbei expandierte er von der Schauspielerei in den Regie- und Produktionsbereich. Dass er als Filmschaffender wie als bildender Künstler, Dichter und Musiker sein Herz heute bevorzugt an kleinere Liebhaberprojekte hängt, hat viel zu seinem Ruf als einem der cooleren Hunde Hollywoods beigetragen.

James Franco als Zuschauer mit Popcorn

Auch als Zuschauer, mit Popcorn-Eimer im Arm, wurde Franco bei der Berlinale gesichtet: bei der Premiere von Anton Corbijns Biopic „Life“. Der Film schildert die Beziehung zwischen dem Hollywoodfotografen Dennis Stock und dessen Lieblingsschauspieler James Dean – den Franco, siehe oben, auch schon mal gespielt hat.

Die allerletzte Pressekonferenzfrage an Franco begann dann am Dienstag eine verzückte Journalistin mit den Worten: „James, bei der Eröffnungsfeier wollte Anke Engelke Sie zu einem Drink einladen ...“ Lächelnd schnitt Franco ihr das Wort ab: „Den haben wir getrunken.“

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