zum Hauptinhalt
Die High-Tech-Vitrinen des Ägyptischen Museums in München gelten als einbruchssicher.
© Trösch Glas AG, Schweiz

Nach Einbruch im Grünen Gewölbe: Hätte besseres Glas den Dresdner Kunstraub verhindert?

Die Einbrecher kamen schneller durch das Hochsicherheitsglas als erwartet. Eine Berliner Tagung fragt nun, wie sich der Schutz für Museen verbessern lässt.

Das alte Sprichwort gilt längst nicht mehr: Glück und Glas, wie leicht bricht das. Glas ersetzt überall Steinwände, Beton und Metallgitter. In der gegenwärtigen Architektur ist es zum beliebtesten Baustoff geworden. Glas kann fast alles. Fast jede und jeder trägt heute eine wahre Wunderscheibe in der Tasche: das gläserne Handydisplay.

Sicher keine Glasexperten waren zwei junge Männer, die in der Nacht zum 9. Oktober 2019 ins Rheinische Landesmuseum in Trier einbrachen. Sie kamen bis in das Kabinett, in dem der Trierer Goldschatz ausgestellt war: 2518 Münzen aus der Römerzeit, achteinhalb Kilo reines Gold von unschätzbarem kulturhistorischem Wert. Mit einem vier Kilo schweren Hammer droschen sie auf die horizontale Panzerglasscheibe über dem Goldberg ein – vergeblich. Als die Polizei eintraf, flohen die Einbrecher ohne Beute.

Geschickter stellten es die Panzerknacker an, die es sieben Wochen später auf die Diamanten im Grünen Gewölbe abgesehen hatten. Sie versuchten gar nicht erst, das Panzerglas eines Fensters an der Fassade des Dresdner Residenzschloss zu zerschlagen. Die Profis sprengten die Scheibe aus dem Rahmen. In der Schatzkammer angelangt, spaltete ein Einbrecher dann mit einer scharfen langstieligen Axt die horizontale Glasscheibe, hinter der die Juwelengarnituren Augusts des Starken lagen. Auf den Bildern der Überwachungskamera sieht man, dass die Axt im Verbundglas hängen blieb wie in der zähen Rinde eines Baums.

Brachial vergrößerten die Einbrecher das Loch im Glas, was sie wertvolle Sekunden kostete. Dann mussten sie feststellen, dass sämtliche Einzelteile der glitzernden Juwelengarnituren mit Angelschnur an der stabilen Unterlage festgenäht waren. Daher fiel ihnen weniger in die Hände als zunächst befürchtet: ein Degen aus der Diamantrosengarnitur, Epauletten, Hutschmuck und Orden, von Hunderten ausgestellter Schmuckstücke. „Elf Objekte und Teile von zwei Objekten sowie eine Gruppe von Rockknöpfen“, heißt es in der Verlustanzeige des Museums. Angesichts des irren Aufwandes, den die mindestens vierköpfige Bande getrieben hat, keine üppige Beute.

Grünes Gewölbe schien einbruchssicher

Das Sicherheitssystem des Museums ließ den Dieben keine Muße, die Vitrinen in aller Ruhe auszuräumen. Dirk Syndram, der langjährige Direktor des Grünen Gewölbes, steht immer noch zu dem 2006 etablierten Konzept. „Ich war der festen Überzeugung, dass es nicht gelingen könnte, hier einzubrechen“, bekennt Syndram in einem Videointerview der „Sächsischen Zeitung“. Das Sicherheitskonzept sei erst vor vier Jahren evaluiert und für lückenlos befunden worden.

Es habe auch schon mal eine Motte in einer Vitrine Alarm ausgelöst, deshalb werde nicht jedes Mal automatisch die Polizei gerufen. Über die Vitrinen mit den Juwelengarnituren sagt Syndram: „Das ist ein Hochsicherheitsglas, bei dem man eigentlich davon ausgegangen ist, dass man eine Viertelstunde mit der Axt drauf einschlagen muss.“ Das Glas hielt nicht, was der Lieferant versprochen hatte.

„Sportlich“ nennt Lothar Herlitze von der Spezialfirma Solingglas die Axtattacke der Einbrecher: „Das ist schon eine technische Leistung.“ Herlitze verweist darauf, dass es in Deutschland eine Industrienorm für die Widerstandsfähigkeit von Glas gibt, die mit Axtschlägen getestet wird. Nach DIN EN 356 hält Sicherheitsglas der höchsten Schutzklasse bis zu 70 Axtschlägen stand. Die Experten unterscheiden zwischen Durchwurfhemmung, Durchbruchhemmung, Durchschusshemmung und Sprengwirkungshemmung. Nun müssen Kriminaltechniker klären, welches Verbundsicherheitsglas im Grünen Gewölbe verbaut wurde. Herlitze zeigt eine sehr dicke Verbundglasscheibe, deren Außenseite aus einer Schicht mundgeblasenen Glases besteht. Extreme Festigkeit lässt sich demnach durchaus mit einer historischen Anmutung des Glases kombinieren.

Der Schutz vor roher Gewalt ist nur eine von vielen Aufgaben, die Verglasungen in Museen erfüllen sollen. Möglichst reflexarm sollen sie sein, sich unsichtbar machen und die Exponate dennoch vor Staub, Feuchtigkeit, Temperaturschwankungen, Schädlingen und Strahlungen schützen. Wie komplex das Thema ist, wurde auf einer Fachtagung in der Technischen Universität Berlin klar, die sich dem „Schutz von Kulturgut durch innovative Verglasungssysteme“ widmete.

Vitrinen werden zu Displays

Der Fachbereich „Technologie für Dünnschicht-Bauelemente“ forscht unter Leitung von Professor Bernd Szyska an Vitrinenscheiben, die künftig zugleich als interaktive Displays dienen können. Eine Schlüsselrolle spielen dabei Mikro-LEDs, die für das bloße Auge unsichtbar in Glasvitrinen implantiert werden. Es soll noch ein paar Jahre dauern, ehe diese neue Technologie marktreif ist. „Schockierend“ fand die Kulturwissenschaftlerin Aenne Chalhoub, was sie bei Interviews in Archiven, Museen und Bibliotheken erfuhr. Die Vitrinen seien im Schnitt 25 Jahre alt, es fehle oft ein simpler UV-Schutz oder eine schonende LED-Beleuchtung.

So schön alte Holzvitrinen seien, aus heutiger Sicht sei Holz für die Lagerung von Kulturgut ungeeignet, sagt Professorin Alexandra Jeberin vom Restaurierungs-Studiengang der HTW Berlin. Vor allem in den Depots fehle es oft an Lagermöglichkeiten, die dem aktuellen Stand der Technik entsprechen. Bei der Mehrzahl der gelagerten Materialien sei unerforscht, wie sie langfristig aufeinander oder auf Klimaschwankungen reagieren.

Ruiniert durch zu viel Licht

Ein drastisches Beispiel für die Schädigung eines Kunstwerks durch unangemessene Präsentation zeigte Georg Josef Dietz vom Berliner Kupferstichkabinett. Schinkels Federzeichnung „Blick auf Rom“ von 1809 auf gelblichem Papier scheint gut erhalten, doch die Rückseite offenbart: Der Papierbogen war früher indigoblau. Ein Übermaß an Tageslicht hat Schinkels Nachtansicht in eine Tageslichtszene verwandelt.

Zwar lässt sich die besonders schädliche UV-Strahlung durch Spezialbeschichtungen ausfiltern, doch auch das sichtbare Licht setzt Kunstwerken zu. Textilien und Arbeiten auf Papier sollen deshalb maximal drei Monate bei 50 Lux Lichtstärke ausgestellt werden. Die Tendenz im Museumsbetrieb geht allerdings hin zu längeren Ausstellungszeiten, zum Verzicht auf Schließtage, zu Megaevents für Besuchermassen. Das alles bedeutet mehr Stress und Verschleiß für die Kulturgüter.

Klar, dass die Sicherheitsmaßnahmen in den Museen nach den jüngsten Einbrüchen auf den Prüfstand müssen. Die Szene ist alarmiert, sofort hat Kulturstaatsministerin Monika Grütters eine nationale Sicherheitskonferenz angekündigt. Doch die größere Gefahr droht Kulturgütern nicht von Einbrecherbanden, sondern von Geld- und Personalmangel im Alltag von Kultureinrichtungen. Dagegen hilft auch kein Panzerglas.

Zur Startseite