Einbruch in das Grüne Gewölbe: Wachleute griffen wegen Brutalität der Täter nicht ein
Das Grüne Gewölbe verteidigt nach dem Juwelendiebstahl in Dresden das Vorgehen des Wachpersonals. Derweil identifiziert die Polizei das Fluchtauto der Täter.
Für die Ermittler steht nach dem Juwelendiebstahl aus dem Grünen Gewölbe im Dresdner Residenzschlosses fest: es war kein „normaler“ Einbruch. „Insgesamt sprechen die Umstände für eine zielgerichtete und vorbereitete Tat“, sagte der Leiter der Sonderkommission „Epaulette“, Kriminalrat Olaf Richter, am Dienstag.
Die Ermittler sind sicher, dass der nahe der Autobahn in einer Tiefgarage in Brand gesetzte Wagen das Fluchtfahrzeug war. Im Wrack wurden Spuren vom Tatort gefunden. Auch das Feuer in einem Stromverteilerkasten in der Nähe des Museums stehe mit dem Einbruch am Montagfrüh in Verbindung. Er sei vorsätzlich angezündet worden, worauf die Straßenbeleuchtung in der Umgebung ausfiel. Zu den Tätern gebe es noch immer keine heiße Spur.
Die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen, Marion Ackermann, äußert sich nach der ersten Besichtigung des Tatorts am Tag nach der Tat: "Wir haben festgestellt, dass zum Glück doch etwas mehr Stücke noch da sind, als wir gedacht haben." Museumsdirektor Dirk Syndram, sagte nach der Besichtigung: "Leer ist die Vitrine nicht. Sie zeigt ein Kampffeld. Wir müssen gucken, wie viele Objekte wir dann bergen und wie wir sie dann auch wieder zum Glanz bringen können."
Ein Teil der Brillantgarnitur sei laut Syndram wohl nicht in die Reichweite der Diebe gekommen. Vor allem kleinere Teile seien nicht entwendet worden.
Zudem sagte der Museumsdirektor, dass die Einbrecher offenkundig Spuren mit Feuerlöschpulver verwischen haben wollen. Davon seien etwa Perlen betroffen.
Grünes Gewölbe verteidigt Sicherheitskonzept
Der kaufmännische Direktor des Grünen Gewölbes, Dirk Burghardt, hat das Vorgehen des Sicherheitspersonals beim Einbruch in das Residenzschloss verteidigt. Einer der beiden Wachleute habe sich dafür entschieden, die 110 zu wählen und nicht den Alarmknopf zu drücken. Dieser signalisiere nur, dass etwas nicht in Ordnung sei. Dank des direkten Drahts zur Polizei habe das Gespräch gleich aufgezeichnet werden können.
Innerhalb „kürzester Zeit“ hat es laut Burghardt drei Alarmierungen gegeben, zudem habe der Täter mit „brachialer Gewalt“ auf die Vitrine eingeschlagen. Angesichts dieser Situation habe sich der Wachmann dafür entschieden, nicht zum Tatort zu gehen, sondern die Polizei am Diensteingang in Empfang zu nehmen. Anders als zunächst bekanntgegeben, sind die Wachleute bewaffnet. Details wurden aber nicht genannt.
Nach Angaben der Generaldirektorin Marion Ackermann betragen die Sicherheitsausgaben für die Staatlichen Kunstsammlungen Dresden acht Millionen Euro im Jahr. Das Sicherheitskonzept sei auf "intensivste Weise" abgestimmt. Es müsse nach dem Einbruch untersucht werden. Zugleich betonte Ackermann: "Unser Hauptziel sollte es sein, die geraubten Werke zurückzubekommen.“
Schatzkammer bleibt vorerst geschlossen
Das Historische Grüne Gewölbe von Dresden wird vorerst geschlossen bleiben. Direktor Dirk Syndram sagte dem Sender "MDR Sachsen" am Dienstag, er rechne damit, dass die Schatzkammer längere Zeit zu bleibe.
Noch am Montag war die Rede davon, dass das Museum möglicherweise schon an diesem Mittwoch wieder öffnen könnte. Das gilt nun jedoch nur für die anderen Museen im Residenzschloss. Bei dem Einbruch am Montagmorgen waren eine Brillantengarnitur und zwei Diamantengarnituren gezielt aus einer Vitrine gestohlen worden. Die Fahndung nach den Tätern blieb zunächst erfolglos.
Syndram bezeichnete die Kollektionen am Montag als "eine Art Weltkulturerbe". Die drei Juwelengarnituren aus dem frühen 18. Jahrhundert umfassen demnach insgesamt 94 Schmuckstücke. Nach wie vor bleibt unklar, welche genauen Teile davon gestohlen wurden. Sie befanden sich wie sieben weitere Schmuckgarnituren in Vitrinen. Laut Syndram gibt es nirgendwo in Europa eine vergleichbare Sammlung.
„In der gesamten Museumswelt herrscht maßloses Entsetzen“
Der Juwelendiebstahl sorgte auch in anderen Museen für einen Schock. „In der gesamten Museumswelt herrscht maßloses Entsetzen“, sagte Alfred Reichenberger vom Landesmuseum für Vorgeschichte in Halle dem MDR-Magazin „Umschau“. Im Landesmuseum Halle lagert unter anderem die berühmte Himmelsscheibe von Nebra. „Der materielle Wert ist geringer als der kulturhistorische Wert und der ist nicht zu beziffern, denn die Dinge sind alle unersetzlich“, fügte Reichenberger hinzu, der auch stellvertretender Landesarchäologe Sachsen-Anhalts ist.
Ähnlich hatte sich am Montag die Generaldirektorin der Staatlichen Kunstsammlungen, zu denen das Grüne Gewölbe gehört, Marion Ackermann, geäußert: Der Materialwert sei „gar nicht so hoch zu bewerten wie der Wert der Vollständigkeit“ der Garnituren. Die Stücke seien von unschätzbarem kunst- und kulturhistorischem Wert, sagte Ackermann.
Kunstexperte Elmar Egner von der Domschatzverwaltung Quedlinburg zeigte sich ebenfalls schockiert über den Diebstahl. Zugleich betonte er wie auch Reichenberger, dass es in Museen keine einhundertprozentige Sicherheit vor Diebstahl geben könne. Wie für die Exponate im Grünen Gewölbe gebe es für die Himmelsscheibe von Nebra auch keine Versicherung in der Heimatausstellung. Lediglich als Leihgabe sei das Exponat versichert. Der Domschatz Quedlinburg sei hingegen auch zu Hause versichert, hieß es.
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Spott in den sozialen Medien
In den sozialen Medien erntet Sachsen neben Mitleid auch Hohn und Spott zum Einbruch in das Grüne Gewölbe. Nutzer mokierten sich unter anderem über die schlechte Qualität des Überwachungsvideos. Die Polizei konterte darauf mit dem Vorschlag: „Dann leisten Sie doch einen konstruktiven Beitrag und unterstützen das Museum, z.B. über den Förderverein, anstatt sich online über schlechte Überwachungskameras zu echauffieren.“
„Panzerglas brauche einen neuen PR-Berater“, hieß es an anderer Stelle. Auch die Historie der Juwelen war ein Thema. Ein Nutzer geißelte sie als „Ausdruck absolutistischer Macht und somit ein Zeichen von Unterdrückung“. Zudem wurden Fotos der legendären Olsenbande gepostet. Die Dänen genossen dank Filmen über spektakuläre Coups vor allem in Ostdeutschland Kultstatus. Ein Foto der „Ocean's Eleven“ um George Clooney - verantwortlich für einen filmischen Super-Einbruch in ein Kasino in Las Vegas - machte ebenso die Runde. (tsp, dpa, AFP, epd)