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Hilmar Thate, 17. April 1931 - 14. September 2016.
© imago/Reiner Zensen

Zum Tod von Hilmar Thate: Harte Typen, zarte Seelen

Er spielte die Widersprüchlichen, die melancholischen Rebellen: Der Schauspieler Hilmar Thate ist in Berlin mit 85 Jahren gestorben. Ein Nachruf.

Die Gegenwart nannte er manchmal „unsere verhetzte Zeit“. Das erste, was einem einfällt bei Hilmar Thate, ist sein verstrubbeltes Haar, seine sonore, raue Stimme. Kantiger Typ, passend zum Namen, Lederjacke in Existentialistenschwarz, dickrandige Brille, Drei- Tage-Bart, aber im Gesicht eines Jungen. „Neulich, als ich noch Kind war“, hieß die 2006 erschienene Autobiografie des Schauspielers, der aus der DDR in den Westen gegangen worden war, weil er 1976 protestiert hatte gegen Biermanns Ausbürgerung, wie damals viele.

Er spielte die Ungehaltenen mit gütigem Blick die melancholischen Rebellen: Thate ist zeitlebens ein in die Welt gefallener Wildfang gewesen, ein Kämpfer und Träumer, Meister des Widerspruchs, des Widersprüchlichen. Einer, der die Zerrissenheit in sich vereinte wie kaum einer sonst, sagte der Regisseur Siegfried Kühn über ihn.

Das zweite, was einem in den Sinn kommt, ist natürlich Angelica Domröse. Die Kollegin, die Vertraute, die Lebensliebe. Seit 40 Jahren sind sie verheiratet, ein großes Berliner Bühnen- und Filmpaar, erst der Tod hat sie jetzt geschieden: Hilmar Thate ist am Mittwoch, den 14. September gestorben, hier in seiner Wahlheimat, im Alter von 85 Jahren.

Mephisto, Richard III, Zadeks Zampano, lauter kräftige, sensible Kerle

Hilmar Thate, der bei Halle geborene Sohn eines Lokomotivschlossers, studierte sein Fach. Er traf Brecht, aber nur kurz, spielte am Gorki-Theater, von 1959 bis 1971 am Berliner Ensemble, dann am Deutschen Theater und im Westen am Schillertheater. Er war Galy Gay in „Mann ist Mann“, Wekwerths Richard III., Mephisto in Alfred Kirchners „Faust“, ein Zampano und Gauner in Zadeks Fallada-Revue „Jeder stirbt für sich allein“.

Er spielte auf der Bühne und vor der Kamera, arbeitete mit Ruth Berghaus, Konrad Wolf, Ingmar Bergman, George Tabori, Volker Schlöndorff, war Heiner Müllers „Titus Andronicus“, der nazihassende zwielichtige Henker in Thomas Braschs „Engel aus Eisen“, der Reporter in Fassbinders „Sehnsucht der Veronika Voss“. Großstadttypen, Kraftkerle, hochsensibel.

Im Fernsehen kannte man Thate als "König von St. Pauli"

Das TV-Publikum lernte ihn 1998 als „König von St. Pauli“ kennen, als Kiezboss unter Regie von Dieter Wedel, auch das eine harte, zarte Figur. Eine seiner eindrücklichsten Rollen sollte dann aber der arbeitslose gewordene DDR-Kombinatsdirektor in Andreas Kleinerts „Wege in die Nacht“ (1999) sein, wieder ein Verbitterter, Verzweifelter - und die Nachwendezeit um ihn herum wurde zum Neo-Noir-Film.

„Immer wieder stehe ich wie der Ochs vorm neuen Tor“, schrieb Hilmar Thate in seiner Autobiografie über die Herausforderung neuer Rollen. Möge die Zeit hinter seinem letzten Tor nicht mehr verhetzt sein.

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