Zum 70. Geburtstag von Haruki Murakami: Grüner Mond über Tokio
Dem Schriftsteller Haruki Murakami ist international geschätzt. Seine Bücher sind weltweit in Millionenauflagen erschienen.
Dafür, dass es immer wieder heißt, Haruki Murakami lebe sehr zurückgezogen, gebe ungern Interviews und mache nichts anderes als schreiben und laufen, war in den letzten Jahren ziemlich viel von dem japanischen Schriftsteller zu hören. Ende 2014 war Murakami in Berlin, um den „Welt“-Literaturpreis persönlich entgegenzunehmen; zwei Jahre später kam er wieder in der Stadt, um ein Konzert des japanischen Dirigenten Seiji Ozawa zu besuchen; und vergangenes Jahr lehnte er es offiziell ab, sich für den alternativen Literaturnobelpreis nominieren zu lassen. Jüngst übergab Murakami, der an diesem Samstag seinen 70. Geburtstag feiert, in Tokio sein Archiv der Waseda-Universität mit der Auflage, dass sie seine Manuskripte, Übersetzungen und eine Auswahl seiner umfangreichen Musiksammlung der Öffentlichkeit zugänglich macht.
Gut vorstellbar, dass dieses Archiv zu einem Pilgerort wird. Haruki Murakami ist ein weltweit geschätzter Schriftsteller, dessen Bücher seit seinen Debütromanen „Wenn der Wind singt“ und „Pinball 1973“ in Millionenauflagen erschienen und in über fünfzig Sprachen übersetzt worden sind. Was sicher mit daran liegt, dass Murakami einerseits so amerikanisch zugänglich wie kein zweiter japanischer Schriftsteller schreibt, dass er Autoren wie Hemingway, Fitzgerald oder Chandler zu seinen Helden und Einflüssen zählt (aber auch Kafka, Dostojewski Somerset Maugham) – und überhaupt die US-Kultur von Burger-Bratereien über Jazz und Bob Dylan bis Steven Spielberg.
Murakami streut immer wieder märchen- und mysteryhafte Elemente ein
Andererseits, bei aller sprachlichen und formalen Konventionalität, siedelt Murakami seine Geschichten häufig in parallelen Welten an. Da kann es passieren, dass sich, wie in seinem Roman „1Q84“, plötzlich ein zweiter grüner Mond am Himmel zeigt. Oder es regnet, wie in „Kafka am Strand“, Fische und Blutegel vom Himmel. Oder es will sich, wie in seinem jüngsten Roman, dem ersten Teil von „Die Ermordung des Commendatore“, zunächst ein Mann ohne Gesicht von dem Erzähler porträtieren lassen. Dort, wo das Gesicht hätte sein sollen, „kreiste nur langsam ein milchiger Nebel“.
Dazu passt, dass Murakami einst seine Berufung zum Schriftsteller als „Epiphanie“ erlebte, nämlich bei einem Baseballspiel, wie er in seinem autobiografischen Buch „Von Beruf Schriftsteller“ schreibt: „Der schöne satte Ton, mit dem der Ball auf den Schläger traf, hallte im ganzen Stadion wider. Es ertönte vereinzelter Applaus. Und just in diesem Moment kam mir völlig zusammenhanglos der Gedanke: Das ist es! Ich werde einen Roman schreiben.“
Haruki Murakami streut in seine realistischen Erzählungen viele märchen- und mysteryhafte Elemente. In seinen Romanen kann man sich wie in verschlungenen, wundersamen Träumen aufs Schönste verlieren und manchmal auch wiederfinden, erfrischt, geläutert. Insofern pocht er in Interviews gern darauf, was für ein langweiliges, regelmäßiges Leben er führe – in seinem Kopf, seiner Vorstellungswelt sehe das anders aus! Da sei ein großes Toben und Tosen . Von außen versucht er deshalb, jegliche Aufregung von sich fernzuhalten. Dass er zum Beispiel seit über einem Jahrzehnt als heißester Anwärter auf den Literaturnobelpreis gilt, ist ihm nicht ganz geheuer. „Ein Literaturpreis kann ein bestimmtes Werk ins Rampenlicht rücken, aber ihm Leben einzuhauchen, vermag er nicht.“
Das mag Koketterie sein. Auf kaum ein Werk passt so ein Satz besser als auf das so lebendige, turbulente und magische von Haruki Murakami.
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