"Am grünen Rand der Welt" mit Carey Mulligan: Geh, wohin dein Herz dich trägt
Eine selbstbewusste Gutsherrin zwischen drei Männern: Thomas Vinterbergs „Am grünen Rand der Welt“ ist vor allem ein Befreiungsschlag für die Schauspielerin Carey Mulligan.
„Ich werde euch alle zum Staunen bringen“ sagt Bathsheba Everdene (Carey Mulligan) zu den Mägden und Landarbeitern, als sie den Gutshof ihres verstorbenen Onkels übernimmt. Bathsheba ist eine junge Frau von zarter Statur und patentem Wesen. Zu Hause zu sitzen wie in einem Jane-Austen-Roman und auf den Mann ihres Lebens zu warten, ist nicht ihr Ding, auch wenn einer Frau im viktorianischen Südengland Mitte des 19. Jahrhunderts kaum andere Karrierechancen offenstehen. Den Heiratsantrag des Schafzüchters Gabriel Oak (Matthias Schoenaerts) hat sie kokett zurückgewiesen. Nicht weil sie ihn nicht mochte, sondern weil sie das Leben noch vor sich hat und keinen Sinn in einer ehelichen Bindung sah.
Mittlerweile haben sich die Standesverhältnisse umgekehrt. Oak hat durch ein Unglück seine kleine Farm verloren und Bathsheba ist durch das Testament ihres Onkels zur Gutsherrin aufgestiegen. Auch wenn eine Verbindung über die Klassengrenzen hinweg nun erst recht unmöglich ist, stellt sie Gabriel ein, der fortan nicht nur über die Schafe wacht, sondern auch über seine Chefin, die sich im männerdominierten Geschäft durchsetzen muss. Der besonnene Schäfer ist allerdings nicht der Einzige, der ein Auge auf Bathsheba geworfen hat. Der deutlich ältere Nachbar William Boldwood (Michael Sheen) bietet ihr eine perfekte Vernunftehe an. Aber auch ihn weist sie ab und verliebt sich in den verwegenen Soldaten Sergeant Troy (Tom Sturridge), der mit schmucker roter Uniformjacke und phallusartiger Säbelkampfkunst ihr Herz erobert.
Eine moderne Frau
Drei Männer und drei Beziehungskonzepte lässt Thomas Hardy in seinem 1874 erschienenen Roman „Am grünen Rand der Welt“ um das Herz einer selbstbewussten Frau ringen. Gefährte, Versorger oder Verführer – diese Qual der Wahl ist auch in Thomas Vinterbergs Verfilmung der entscheidende Reibungspunkt zwischen einer jungen Frau, die ihrer Zeit einige Jahrzehnte voraus ist, und den vorgefertigten Weiblichkeitskonzepten der viktorianischen Gesellschaft.
Vinterberg („Das Fest“) interpretiert Hardys Roman weder als moralisches Lehrstück noch als feministisches Pamphlet. Mit leichter Hand arbeitet er die Widersprüche aller Hauptfiguren differenziert heraus und geht selbstbewusst mit dem englischen Klassiker um, der schon 1967 von John Schlesinger mit Julie Christie in der Hauptrolle verfilmt wurde. Mit prallen Landschaftsaufnahmen im Cinemascope-Format bedient der dänische Regisseur die Schauwerte des Genres und reflektiert zugleich die Bodenständigkeit der Heldin, die auch in emotionalen Wirrnissen nie ihre Bindung zu Land und Hof verliert. Thomas Vinterbergs dramatisches Gespür schimmert in der beherzten Setzung der tragischen Plotwendungen durch, für die Hardys Romane ja bekannt sind.
Abgerundet wird diese gelungene Adaption von einem hervorragenden Ensemble. Carey Mulligan befreit sich hier mit ihrer vielschichtigen Darstellung endgültig von ihrem Sweetheart-Image und Matthias Schoenaerts überzeugt wie schon in „Der Geschmack von Rost und Knochen“ durch seine angenehm ungeschwätzige Präsenz.
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