Wagner und die Bayreuther Festspiele: Ganz Bayreuth ist eine Baustelle
Das Festspielhaus unter Baustellen-Planen, die Villa Wahnfried geschlossen. Auch die Aufarbeitung der NS-Vergangenheit bleibt in Bayreuth vorerst eine Baustelle. Und vor der morgigen "Rheingold"-Premiere wird wild über Frank Castorfs "Ring"-Inszenierung spekuliert.
Willkommen auf der Baustelle! Im Wagner-Jahr erstrahlt Bayreuth nicht etwa in besonderem Glanz, sondern leistet sich den wohl ungewöhnlichsten Beitrag zum 200. Geburtstag des Komponisten. Wenn die Jubiläums-Festspielsaison heute mit dem „Fliegenden Holländer“ eröffnet wird und am Freitag mit dem Start des von Frank Castorf inszenierten „Rings“ ihrem ersten Höhepunkt zustrebt, werden Kanzlerin Merkel und die anderen Wagner-Pilger ein eingerüstetes Festspielhaus betreten. Es bröckelt hinter Fotoplanen, der Grüne Hügel ein Renovierungsprojekt. Für den ersten Bauabschnitt sind 30 Millionen Euro vom Bund, Bayern, der Stadt und der Gesellschaft der Freunde von Bayreuth bereitgestellt. Zehn Jahre soll es dauern – auf dass die Gala-Gäste wissen, 2014 ff. steht das Gerüst bestimmt noch da.
Baustelle Nummer zwei: die Villa Wahnfried. Sie wird grundsaniert, pünktlich zum Jubiläum bleibt das Haus samt Wagner-Museum geschlossen. Ebenso das Markgräfliche Opernhaus – Weltkulturerbe! –, das auch marode ist. Am Freitag wird dann der Grundstein für den Wahnfried-Anbau gelegt, ein wohl eher zünftiger Festakt. Das passt zur schon älteren Ankündigung Frank Castorfs, Wotan & Co. statt um Gold um Erdöl ringen zu lassen. Um Globalisierung soll es gehen, mit Bezug auf Texas und Aserbaidschan. Erste Inszenierungsfotos zeigen ein Motel an der Route 66 sowie eine Mount-Rushmore-Kulisse mit Marx, Lenin, Stalin, Mao und den Stahlgerüsten der industriellen Revolution. Klar, die ganze Welt ist eine Baustelle, aber weißt du, wie das wird? Die Nornenfrage kursiert allerorten, denn„Ring“-Dirigent Kirill Petrenko schweigt vor der Premiere, Castorf sowieso, abgesehen von der Auskunft im „Spiegel“, hinter den Kulissen gehe es zu wie in „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“.
Ein weiteres Inszenierungsfoto zeigt übrigens die Weltzeituhr am Alex samt S-Bahnhof, auch eine Dönerbude ist zu sehen: „Götterdämmerung“ über Berlin, und der Prenzlberg als das neue Wallhall - das gab’s auf dem Hügel noch nie!
Baustelle Nummer vier: die seit Jahren eingeklagte Öffnung Bayreuths, vor allem was die Festspiele in der NS-Zeit betrifft, und die wie ein Goldschatz gehüteten Familienarchive. Wie von Festivalchefin Katharina Wagner versprochen, liegt das Privatarchiv ihres 2010 gestorbenen Vaters Wolfgang mittlerweile im Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Liegt es da wirklich? Drei laufende Aktenmeter, sagt Archivarin Sylvia Krauß und vermutet, da gibt es noch mehr. Vor allem hofft sie auf die mittelfristige Zusammenführung auch der anderen Familienhinterlassenschaften unter staatlichem Dach. Jetzt wird gesichtet und sortiert, bis zehn Jahre nach dem Tod des Festspiele-Prinzipals bleiben die Dokumente aber erstmal unter Verschluss – Personenschutzrechte. Weißt du, wann das wird? Wagnerforscher und NS-Historiker müssen sich weiter gedulden.
Sind die irre in Bayreuth? So fragt eine studentische Ausstellung vor Ort, die den Wagner-Wahnsinn der Stadt in den Blick nehmen will. Eröffnung ist am Freitag – keine schlechte Alternative zum Baustellenrundgang.
Christiane Peitz
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