Fund in Gurlitts Salzburger Haus: Fund und Pfand
Gurlitt, zweiter Teil: Der Erbe des Nazi-Kunstsammlers gibt den Besitz weiterer 60 Werke bekannt, darunter Arbeiten von Monet, Renoir oder Picasso. Sie lagerten in seinem Salzburger Haus.
Die Gurlitt-Geschichte ist längst nicht zu Ende. Wer dachte, nach dem spektakulären Kunstfund im vergangenen Jahr würden nur noch die Niederungen der Provenienzforschung und rechtlichen Auseinandersetzung folgen, erlebt nun einen zweiten Teil. Weitere Werke sind aufgetaucht, darunter Arbeiten von Claude Monet, Auguste Renoir und Pablo Picasso. Noch ist nicht bekannt, ob es sich vornehmlich um Papierarbeiten handelt wie bei der ersten Charge oder veritable Ölgemälde, die entsprechend wertvoller sind.
Vor zwei Jahren war die Staatsanwaltschaft in der Schwabinger Wohnung von Cornelius Gurlitt auf über 1000 Werke gestoßen, von denen knapp 600 unter dem Verdacht stehen, Raubkunst aus der Nazizeit zu sein. Erst eine Veröffentlichung im Magazin „Focus“ hatte Ende 2013 den Fund und seine sonderbaren Umstände publik gemacht. Zunächst war von einem Wert in Höhe von einer Milliarde Euro die Rede gewesen, inzwischen wird die Sammlung auf rund 40 Millionen Euro beziffert.
Diesmal allerdings sind es „nur“ 60 Bilder, aber wieder sind die Erwartungen hoch. Die Ausgangslage ist nun jedoch eine andere. Gurlitt selbst hat die Existenz des Konvoluts öffentlich machen lassen. Es befand sich in seinem Haus in Salzburg, das schon bald nach Bekanntwerden des „Schwabinger Kunstfunds“ in den Brennpunkt rückte: eine äußerlich vernachlässigte Immobilie, wild umwuchert, von der man nicht genau wusste, ob sie überhaupt noch bewohnt wird. Würden sich in dem Sechziger-Jahre-Wohnhaus im Salzburger Nobelstadtteil Aigen weitere Werke befinden, wurde schon bald gemutmaßt? Es lag nahe, dass es andere Depots geben müsste, in denen Gemälde und auch Skulpturen lagern, da die Sammlung des Nazi-Kunsthändlers Hildebrand Gurlitt sehr viel größere Bestände umfasst als jene leicht lagerbaren Papierarbeiten, die der Sohn in den eigenen vier Wänden hortete. Sonderbarerweise geriet das österreichische Domizil, in dem Cornelius Gurlitt jahrelang gelebt hatte, bald schon wieder aus dem Blick.
Die 60 Bilder sollen untersucht werden, um herauzufinden, ob es sich um Raubkunst handelt
Doch gestern nun hat Gurlitt-Sprecher Stephan Holzinger die Vermutungen bestätigt. Wie sich herausgestellt hat, lagerte hinter der von Spinnenwerben verhangenen Eingangstür tatsächlich ein weiterer Schatz. Holzinger teilte offiziell mit, dass am Vortag aus dem Salzburger Haus rund sechzig Bilder geholt und in sichere Verwahrung genommen worden wären. Ganz offensichtlich haben die Berater dem 81-Jährigen nahe gelegt, diesmal selbst initiativ zu werden. Gurlitt steht seit Ende 2013 unter Betreuung. Sein Betreuer, der Rechtsanwalt Christoph Edel, hatte die Sicherstellung der Salzburger Werke veranlasst, um sie vor Diebstahl zu schützen.
Die rund 60 Bilder sollen begutachtet werden, um herauszufinden, ob es sich um Nazi-Raubkunst handelt, sagte Gurlitt-Sprecher Holzinger am Dienstag. Die Überprüfung finde „im Auftrag von Cornelius Gurlitt“ statt, betonte er. „Nach vorläufiger Einschätzung auf Basis einer ersten Sichtung hat sich ein solcher Verdacht nicht erhärtet,“ erklärte er. Hier würde sich anbieten, die bereits zur Begutachtung des „Schwabinger Kunstfunds“ eingesetzten Experten hinzu zu ziehen. Als Reaktion auf die verschleppte Aufarbeitung des ersten Fundes war Ende 2013 eine „Taskforce“ unter Leitung von Ingeborg Berggreen-Merkel eingesetzt worden, um nicht zuletzt Vorwürfen aus dem Ausland zu begegnen. Erst im vergangenen Monat war die personelle Zusammensetzung der „Taskforce“ bekannt gegeben worden.
In der Mitteilung Holzingers wird allerdings deutlich, dass von Seiten Gurlitts keine Zusammenarbeit gewünscht wird. Das verwundert kaum, schätzen doch Gurlitt und seine Anwälte den Bestand an Nazi-Raubkunst unter den nach ihrer Meinung zu Unrecht konfiszierten 1000 Werken sehr viel geringer ein. Sie haben inzwischen Anzeige gegen Unbekannt gestellt, weil Interna aus den Ermittlungsakten an die Presse gelangten.
Die mit dem Fall befasste Augsburger Staatsanwaltschaft kommentierte den neuen Fund nicht. Sie ermittelt weiterhin gegen Gurlitt unter anderem wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung. Sowohl Staatsanwaltschaft als auch „Taskforce“ stehen inzwischen mit dem 81-Jährigen in Kontakt. Erst vergangene Woche hatte der leitende Oberstaatsanwalt Reinhard Nemetz bekräftigt: „Es wird keinen Deal, Einstellung des Ermittlungsverfahrens gegen Rückgabe der Bilder oder Ähnliches geben.“ Aber: „Wenn ein Beschuldigter zur Sachaufklärung beiträgt und einen etwaigen Schaden wiedergutmacht, dann ist das zu berücksichtigen.“ Möglicherweise versteht Gurlitt die Bekanntgabe weiterer Werke in seinem Besitz als einen ersten Schritt.
Nicola Kuhn
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