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Forderungen nach besseren Arbeitsbedingungen werden auch von anderen Akteuren geäußert: Wie hier auf dem Empfang des Bundesverband Schauspiel der diesjährigen Berlinale.
© dpa

Zur Freien Szene und ihren Forderungen: Frei und sicher sein

Mehr Geld, neue Förderpolitik, Transparenz: Die Koalition der Freien Szene Berlin erwartet viel vom Senat. Ist das machbar?

Diese Koalition wird halten und auf jeden Fall die Wahl zum Abgeordnetenhaus überstehen. Es ist eine sehr große Koalition von bildenden Künstlern, Musikern, Tanz- und Theaterleuten, literarischem Volk und allen möglichen Kulturproduzenten. Sie haben sich 2012 zur Koalition der Freien Szene Berlin zusammengeschlossen, um für eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu streiten. Zur Wahl haben sie nun ein Zehn-Punkte-Programm vorgelegt mit der Überschrift: „Nichts ist erledigt“.

Mehr Geld, eine neue Förderpolitik, größere Transparenz von Jury-Entscheidungen, bevorzugte kulturelle Nutzung von Liegenschaften – das sind die Hauptpunkte. Sie zeigen einerseits, dass sich in der Freien Szene der Stadt in dreißig Jahren wenig verändert hat. Die freien Künstler sind unzufrieden, erwarten mehr vom Senat. Andererseits manifestiert sich hier auch deutlich die gewaltige Veränderung, die Berlin durchmacht. Es werden immer mehr Freie, die Szene wächst, nicht zuletzt weil Berlin einige Millionen Euro dafür ausgibt und die Strukturen im internationalen Maßstab ausgezeichnet sind. Wie jeder, der eine Wohnung sucht, spüren auch freie Künstler die Gentrifizierung. Wobei Off-Kunst oft eben dazu beiträgt, eine Gegend interessant und schließlich teuer zu machen.

Die Koalition fordert, dass die City-Tax zu 100 Prozent in die Kultur fließt, die Hälfte in die Freie Szene. Kann man verstehen, so war es auch mal versprochen. Schwieriger wird es bei Begriffen wie der „Garantie eines Mindeststandards bei der Honorierung künstlerischer Arbeit“ oder „bedarfsgerechte Erhöhung der neuen Förderinstrumente Kofinanzierungsfonds und Wiederaufnahmefonds“. Das klingt nicht nur technizistisch und nach Versicherungsdeutsch, das wirft auch die Frage auf, ob und bis zu welchem Punkt der Senat die Freie Szene absichern kann. Und soll. Wann ist eine Grenze erreicht? Wann ist es nicht mehr Freie Szene, sondern Staatsbetrieb?

Wie soll das reguliert werden?

Und so definieren sie sich selbst, als die „Gesamtheit aller in Berlin frei Kunst schaffenden Künstler, Ensembles, Einrichtungen und Strukturen in freier Trägerschaft aus den Bereichen Bildende Kunst, Tanz, Schauspiel, Performance, Neue Medien, Musik von alter Musik über Jazz, Echtzeitmusik und Klangkunst bis neue Musik, Musiktheater, Kinder- und Jugendtheater, Literatur sowie alle spartenübergreifenden und transdisziplinären künstlerischen Arbeiten.“ Das reicht von der weltweit gefragten Choreografin Sasha Waltz bis zum Musiker auf der Oberbaumbrücke. Wie soll das staatlich reguliert werden?

Die Anspruchsvorstellungen dieser Koalition sind sozialdemokratisch, ja sozialistisch par excellence. Der Staat übernimmt möglichst viel Fürsorge und Verantwortung – auch und gerade für freie Künstler. Dieser Widerspruch ist auszuhalten, so lange Kreativität dadurch gefördert wird. Kleines Problem unserer großen Stadt: Kreativ ist hier inzwischen fast jeder. Und am liebsten auch frei.

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