Restitution kolonialer Raubkunst: Frankreich gibt Werke an Benin zurück
Erste Konsequenzen aus dem Bericht von Bénédicte Savoy und Felwine Sarr: Staatspräsident Emmanuel Macron folgt den Empfehlungen der Wissenschaftler
Der Text vereint die widersprüchlichsten Eigenschaften in sich: Er ist sowohl explosiv als auch poetisch, er besitzt eine wissenschaftliche Kühle als auch emotionale Anteilnahme. Der seit Freitagabend online zugängliche Bericht zur Rückgabe afrikanischer Kunst, den Bénédicte Savoy und Felwine Sarr zuvor dem französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron übergeben hatten, ist ein Meilenstein im politischen wie wissenschaftlichen Diskurs. Die Debatte um Restitution von Kulturobjekten aus kolonialem Kontext wird fortan eine andere sein.
Prompt ließ Macron den Worten des französisch-senegalesischen Wissenschaftlergespanns, das die sofortige, ungeprüfte Rückgabe aller Stücke fordert, die bis 1960 aus Subsahara-Afrika in Frankreichs Museum gelangten, Taten folgen. Gleich im Anschluss an die Überreichung des Reports durch die in Paris und Berlin lehrende Kunsthistorikerin und den senegalesischen Ökonomen entschied der Präsident, 26 Werke an Benin zurückzugeben.
Die Restitution erfolge unverzüglich, verkündete der Elysée-Palast. Noch 2016 war die seit Jahren gestellte Bitte des westafrikanischen Staats um Rückgabe zuletzt abgelehnt worden. Nicht zuletzt weil die französische Gesetzeslage eine Restitution von Kulturgütern bislang unmöglich machte. Die spektakuläre Bekanntgabe einer nunmehr beinahe handstreichartigen Rückgabe dürfte dennoch erst einmal im Lande verhallen. Die weitaus größere Aufmerksamkeit gilt gegenwärtig den Demonstrationen der „Gelbwesten“, die gegen hohe Spritpreise und Lebenshaltungskosten demonstrieren.
Der Report gilt nicht nur für Frankreichs Museen
Trotz der heftigen innenpolitischen Auseinandersetzungen wird der Report von Savoy und Sarr auf der Agenda bleiben. Macron kündigte außerdem an, im ersten Quartal 2019 in Paris alle afrikanischen und europäischen Partner zum Thema Austausch von Kunstwerken zusammenzubringen. Bis dahin bleibt Zeit, sich den 260-seitigen Report auch jenseits der Grenze durchzulesen, der zwar für Frankreich gilt, aber alle westlichen Staaten meint, die Raubkunst aus kolonialem Kontext in ihren Museen haben. Im Resümee wird das Gedicht „Afrikas Gedächtnis“ zitiert, das der nigerianischen Dichter Niyi Osundare vor zwanzig Jahren schrieb. Darin ruft er den Mond auf der Suche nach den verlorenen Schätzen seiner Heimat an. In der ersten Strophe heißt „Ich frage nach der Oluyenyetuye Bronze der Ife/Der Mond sagt, dass sie in Bonn ist“. In den folgenden Strophen werden London, Paris und New York als weitere Städte genannt, wohin das Afrika Erbe zerstreut wurde.
Bénédicte Savoy und Felwine Sarr setzen als Autoren nun auf die Kraft der Poesie wie der Zahlen, auf juristische Argumente wie präzise Recherche. In ihrem Report stellen sie genau dar, wie und in welchem Zeitrahmen die Restitutionen erfolgen könnten und um welche Objekte es sich handelt. Der beigefügte Apparat mit Beispielen aus dem Musée du Quai Branly macht unmittelbar deutlich, dass es für ihren längeren Verbleib in Paris eigentlich keine Gründe geben kann. Sie wurden während der Kolonialzeit zwischen 1885 und 1960 entwendet.
Als nächste Schritte schlagen die beiden Wissenschaftler vor, bis zum Frühjahr 2019 ein Inventar der bedeutendsten Werke an die Herkunftsländer zu schicken. Bis November 2022 soll ein „intensiver Dialog“ erfolgen, in einer dritten Phase schließlich der eigentliche Rücktausch auf Grundlage eines „Agreements“. Für beide Seiten könne dies nur ein Gewinn sein, sind Savoy und Sarr überzeugt. Vor allem die Jugend Afrikas habe ein Recht auf ihr kulturelles Erbe.