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 Mitsuko Uchida.
© Reuters

Berliner Philharmoniker: Flirren und Funkeln

Countdown zum Rattle-Abschied: Die Berliner Philharmoniker mit Musik von Zoltán Kodály, Mozart und William Walton - mit Mitsuko Uchida am Klavier.

Nur noch 23 Konzerte! Dann ist die Ära von Simon Rattle bei den Berliner Philharmonikern Geschichte. Angesichts des ganzen Bohei um die Staatsopern-Wiedereröffnung ist dieser traurige Countdown jüngst ein wenig aus dem Blick geraten. Dabei gilt es doch, jeden verbleibenden Auftritt des Briten doppelt zu genießen. Zu den wichtigen Projekten, die Sir Simon in seiner Abschiedssaison unbedingt noch realisieren wollte, gehört Leoš Janáčeks wunderbar menschliche Tieroper „Das schlaue Füchslein“, inszeniert in der Philharmonie von seinem Buddy Peter Sellars. Für die drei außergewöhnlichen Musiktheater-Abende in der kommenden Woche gibt es sogar noch Karten.

Am Freitag und Samstag stand jetzt ein weiterer von Rattles alltime favorites auf dem Programm: Zoltán Kodálys „Háry János“-Suite wollte er unbedingt noch einmal von der mittigen Bühnenposition aus mit den Philharmonikern genießen. Und seine Musikerinnen und Musiker tun ihm den Gefallen, lassen diese brillant orchestrierte Musik von 1927 flirren und funkeln, dass es reinste Freude ist. Wie sehr der Dirigent und sein Ensemble sich in den glücklichen gemeinsamen Jahren seit 2002 aufeinander eingespielt haben, zeigt der vorletzte „Háry János“-Satz. Dieses Intermezzo kann man als volkstümlich-operettenhaften Schmäh servieren – Rattle aber sucht hier vielmehr nach frech-modernem Witz, nach rhythmischen Anschärfungen, überraschenden Rubati. Und die Philharmoniker setzen die ästhetischen Ideen ihres Chefs so wissend, so mitreißend in Klang um, dass im ausverkauften Saal spontaner Jubel ausbricht.

Erzähler ohne Worte

Eine alte Künstlerfreundin und ein Solist aus den orchestereigenen Reihen holt Rattle außerdem zu sich ins Zentrum des Podiums. Viele, viele Male hat Mitsuko Uchida Mozarts großes B-Dur-Klavierkonzert in den fünf Jahrzehnten ihrer glanzvollen Karriere schon interpretiert – und schafft es doch erneut, sich dem Werk so zu nähern, als würde sie es erst für sich entdecken, staunend und mit leuchtenden Augen.

Amihai Grosz sitzt normalerweise am Stimmführer-Pult der Bratschen. In William Waltons Viola-Konzert beweist der 1979 geborene Israeli, dass er auch vorne im Rampenlicht das Publikum verführen kann. Selbstbewusst und leidenschaftlich ist sein Ton, eloquent wird er zum Erzähler ohne Worte, durchmisst souverän die melancholisch-träumerischen Weiten der Partitur. Letztlich aber hat er – wie auch Rattle – den meisten Spaß in den fetzigen Passagen: Fangen sie doch jene aufreizend-aufgeheizte Stimmung ein, die die roaring twenties bis heute zur Sehnsuchtsepoche machen.

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