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Der deutsche Schriftsteller und Kolumnist Maxim Biller, aufgenommen am 10.06.2009
© dpa

Zum 60. des Schriftstellers Maxim Biller: Ewig jung ist auch vorbei

Man mag es kaum für möglich halten: Auch Maxim Biller ist 60 Jahre alt geworden - und das Feuilleton hat lange Gespräche mit ihm geführt.

Es gehört zu den Gepflogenheiten des Feuilletons, verdienten Künstlerinnen und Künstlern kleine oder größere Geburtstagsständchen zu singen, in der Regel zum 70., 80. oder 90. Geburtstag, in seltenen Fällen, klar, auch zum 100. Der 60. Geburtstag kommt eigentlich zu früh für solche Ehrungen, da arbeiten alle noch an ihren Werken! – es sei denn, es handelt sich um den Schriftsteller Maxim Biller.

Wie, dieser Biller wird wirklich schon 60 Jahre alt? Das mochte man kaum glauben, als vor ein paar Wochen sein Verlag aus diesem Anlass einen Essayband zu Billers Werk herumschickte.

Doch nun haben am Wochenende der „Spiegel“ und dann am Dienstag die „Neue Zürcher Zeitung“ und die „Welt“ endgültig beglaubigt, dass Biller 60 Jahre alt geworden ist, und zwar mit fast ausufernden Gesprächen und, in der „Welt“, mit gleich drei Widmungen. In den Interviews ging es natürlich nicht um das Altern, sondern um Deutschland, wie es ist, mit einem jüdischen Hintergrund in Deutschland zu leben, um Antisemitismus, darum, wie es sich anfühlt, „einer gegen 80 Millionen“ zu sein, wie es der Jubilar im „Spiegel“ formulierte.

Biller hat sehr reife Bücher geschrieben

Aber warum ist es so überraschend, dass selbst Maxim Biller altert? Ein Autor, der etwa mit „Biografie“, „Im Kopf von Bruno Schulz“ oder zuletzt „Sechs Koffer“ nicht nur gute, sondern auch sehr reife Bücher geschrieben hat. Ob das mit seiner Vergangenheit als „Tempo“-Kolumnist zu tun hat, mit seiner legendären 100-Zeilen-Hass-Kolumne?

Die machte ihn zwar nicht reich, aber in vergleichsweise jungen Jahren berühmt, die machte ihn klüger, als er ohnehin war, aber nicht sexy. Darin beschimpfte er gleichermaßen Politiker oder Vegetarier, Liedermacher oder antisemitische Philosemiten, Popstars wie Mickey Rourke oder „Poptrottel“, wie Diedrich Diederichsen für ihn einer war, weil dieser sich mit dem Aufkommen des Rechtsrocks viel zu spät von der laut Biller sowieso „hohlen, verlogenen“ Jugendkultur verabschiedet hatte. Nicht aber, dass Biller sich nicht auch irgendwie als Pop verstanden hat, dem Pop zugehörig.

Als der Feuilletonchef der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ Claudius Seidl einmal ein Buch geschrieben hatte – was natürlich ewig her ist, trotzdem –, ein Buch über die „Schöne junge Welt – Warum wir nicht mehr älter werden“, darüber, dass „wir verdammt sind zur Verlängerung der Jugend“, war der „FAS“-Kolumnist Biller damit ganz einverstanden, kam von ihm keine Klage, geschweige denn Hass-Tiraden in „Tempo“-Manier.

Der Wagen mit den Geschichten wird voller, nicht leerer

Vielleicht ist es der Furor seiner Texte, der Biller nicht altern lässt; vielleicht liegt es daran, dass er eine wütende Abrechnung mit der Identitätspolitik schreiben kann, wie neulich in der „Zeit“, ihm aber Hot-Chip- und Chilly-Gonzales-Konzerte oder das Haliflor in Prenzlauer Berg genauso geläufig sind.

Der Stoff aber, aus dem seine Geschichten sind, das ist sein Leben als jüdischer Schriftsteller in Deutschland und das seiner Familie. Da werde bezüglich seiner Geschichten, so hat er es schon 2009 in seinem Selbstporträt „Der gebrauchte Jude“ geschrieben, „der Wagen immer voller, nicht leerer.“

Und gut in Erinnerung ist, wie er einst in seinem früheren, lange verblichenen Stammcafé 103 in der Kastanienallee an der Theke sitzend einforderte, man solle nicht dauernd die Grass’ oder Walsers interviewen, sondern ihn, Maxim Biller. Jetzt kommt er so langsam in das Grass- und Walser-Alter, und das hat er jetzt davon: den Status eines Großschriftstellers.

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